Eine Prostituierte stößt bei einem aggressiven Freier auf Beweise,
die den Mann, in dessen Wohnung sie sich befindet, als Täter entlarvt
für die vor vielen Jahren begangenen Morde, für die am Ende ein
Liliputaner beschuldigt wurde. Die Hure überlebt diese Entdeckung nicht,
aber der Mörder ist nun zurück und wird wieder aktiv. Die Polizei
ermittelt, ebenso der pensionierte Inspektor Moretti und Giancomo, der
Hinterbliebene eines der Opfer von damals...
Animal Farm...
Auch 2001 war Argento noch lange nicht müde seinem Lieblingsthema um gesuchte Frauenmörder eine weitere Umsetzung zu schenken. Es fällt jedoch auf, dass die intensive Wirkung früherer Werke verblasst. Argentos Handschrift ist noch immer zu erkennen, das Gesamtwerk selbst guckt sich meist jedoch wie ein typischer Thriller, wenn auch mit einigen recht harten, blutigen Momenten. Höhepunkt des Streifens ist auch gleich seine über eine viertel Stunde langgestreckte Eingangssequenz, in der wir eine Prostituierte in Gefahr erleben dürfen in einer Atmosphäre, die locker die ansonsten vermisste Klasse von Argentos damals dichten Umsetzungen erreicht. Der italienische Horrorregisseur arbeitet Gruselelemente mit ein, die ein wenig an seine Hochzeit in „Suspiria“ erinnern.
Die merkwürdige Kinderstimme des im Schlaf sprechenden Toten hat akustisch etwas von der Stimme der Hexe, die unheimliche Schlafsituation selbst atmosphärisch etwas von der Turnhallen-Übernachtungsszene. Wenn Argento drei seiner Figuren in öffentlichen Verkehrsmitteln von außen filmt, erinnert dies etwas an die bedrohlichen Außenaufnahmen der Heldin von „Suspiria“ während einer Fahrt durch eine regnerische, unheimliche Nacht. Auch die erneute Zusammenarbeit mit der Musikgruppe Goblin fruchtet. Ihre Kompositionen mögen nicht mehr ganz so experimentell sein wie zu Zeiten des besagten Hexenfilmes, aber sie wissen noch immer zu überzeugen. Das „Sleepless“-Thema wird dann auch gleich zum Ohrwurm und weiß Argentos Werk in seinen besten Momenten hilfreich zu unterstützen.
Argento scheint es diesmal jedoch weniger um Optik und Akustik zu gehen, im Vordergrund steht diesmal die Geschichte selbst. Seine Werke boten seit je her gute Storys, aber meist schienen diese Nebensache zu sein. „Sleepless“ lässt den Zuschauer viel mehr am Verlauf der Geschichte selbst teilnehmen. Selten waren Charaktere so gut herausgearbeitet und so brauchbar besetzt, wie hier. Argento lässt einen in zweiter Reihe miträtseln, was nun die Lösung der so gleichen und doch so unterschiedlichen Mordserien ist. Hierbei spielt er jedoch bewusst unfair, denn die Informationen, die einem zum Ziel führen können, schenkt er dem Betrachter erst gegen Ende. Hierfür wendet er erzähltechnisch den Kniff aus seinem Erstling „Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe“ an. Ein Zeuge konnte sich an gewisse Details nicht erinnern. Diesmal ist es ein pensionierter Inspektor, dem das Erinnerungsvermögen Streiche spielt, gut begründet durch sein fortgeschrittenes Alter.
Jener Inspektor wird mehr zur Identifikationsfigur als die eigentliche Hauptrolle. Auch diese wird brauchbar von Stefano Dionisi verkörpert, er verleiht seiner Figur jedoch nicht die Griffigkeit und Echtheit, wie es Max von Sydow durch seinen Erfahrungsschatz mit der Rolle des Moretti schafft. Beide Figuren arbeiten zusammen, da sie eines verbindet: Das persönliche Erlebnis mit diesem Kriminalfall. Ihr Zusammentreffen mit der aktiv am Fall beauftragten Polizei steht für Argentos Kritik der modernen Art, wie Menschen arbeiten. Die Polizei arbeitet kühl, emotionslos, nicht nur mit sondern ein wenig auch wie Maschinen. Ein wenig Leistungsgesellschaft hier, ein wenig zu viel technische Hilfsmittel, welche die Spürnase verkommen lassen, da, die Kritik am Qualitätsverlust menschlicher Möglichkeiten, Gefühle und Werte kommt deutlich herüber. Die Aussage geht sogar so weit, dass Argento die Polizei im Finale soldatenartig unüberlegt auf Knopfdruck handeln lässt. Dabei erzielen die Ermittler zwar eine von mehreren erfolgreichen Varianten, der Weg dahin und das Ignorieren anderer Alternativen zeigen jedoch das Entmenschlichte im Werteverfall einer zur Leistung erzogenen Gesellschaft (im Alltag auch immer wieder gut zu beobachten bei der Hamburgerbude mit dem goldenen M).
Aber bleiben wir beim Film: Die Aussage kommt deutlich herüber, die Figuren sind griffig und die Geschichte ist gut erzählt. Wie so oft bei Argento weiß auch die Auflösung zu überzeugen. Die Motive sind Standart, das aufgedeckte Dunkel logisch und nachvollziehbar, der Täter überraschend. Lediglich der Schauspieler dieser Rolle wirkt mir ein wenig zu durchschnittlich. Gerade in der Auflösungsszene erkennt man das mangelnde Talent. Gerade hier hätte man einen richtigen Schauspieler benötigt, schade! Ebenfalls zu kritisieren habe ich diesmal, dass recht früh klar wird, dass diesmal keine Frau der Täter sein kann, eine Möglichkeit, die Argento sonst recht häufig mit eingebracht hat. Völlig aus dem Nichts gezogen wird auch viel zu früh die Vermutung angesprochen, dass der Täter einen Gehilfen haben könnte. Auch wenn sich dies am Schluss bestätigt, so hätte er diesen eigentlich gar nicht nötig gehabt. Das komplette Täterbild gibt nicht einen klaren Grund ab, warum man bei den Ermittlungen daran fest glauben sollte. Dass alle Möglichkeiten in Betracht gezogen werden müssen, ist mir bei diesem Kritikpunkt jedoch bewusst.
Solch atmosphärisch dichte Szenen wie die sehr lange und sehr gute Eingangssequenz hat „Sleepless“ leider zu wenig. Und auch wenn die Geschichte zu interessieren und zu unterhalten weiß, so habe ich mir doch gerade unter einer Regie von Argento einen packenderen Film vorgestellt, als das was er uns schlussendlich abgeliefert hat. Das mag der Fluch des Ruhms sein, wenn man nun einmal so talentiert ist wie dieser Mann, und vielleicht wäre ich unter anderer Regie vom Ergebnis begeisterter gewesen, als ich es nun bin, aber letzten Endes ist es auch nicht falsch in seiner Beurteilung Argento mit Argento zu vergleichen. Und der liefert stilistisch im Endeffekt einen zu routinierten Thriller ab. Die Geschichte geht tiefer, die Morde sind hervorragend ausgearbeitet und teilweise an den Nerven zerrend, das Wort Routine ist also eigentlich zu streng, atmosphärisch gesehen passt es jedoch recht gut, auch wenn Ausnahmeszenen für das Gegenteil stehen. Schlecht unterhalten ist man mit „Sleepless“ also sicherlich nicht. Der Film wird nie langweilig, macht einen neugierig auf das Ende und lässt einen mit den Figuren mitfiebern. Auch das psychologische Spiel mit dem Zuschauer und bewusste Täuschungen wissen zu gefallen. Thriller-Fans können also gerne zugreifen, sollten aber auch einen harten Magen besitzen. OFDb
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