10.01.2013

WASTING AWAY (2007)

Die vier Teenager Cindy, Vanessa, Mike und Tim verspeisen ein Eis, das mit einer dem Militär abhanden gekommenen Chemikalie vermischt war, die ursprünglich dafür gedacht war Supersoldaten zu kreieren. Durch den Verzehr verwandeln sich die Jugendlichen in Zombies, kriegen von ihrer Mutation jedoch nichts mit. Da jeder der sie zu Gesicht bekommt sie bekämpfen will und Panik kriegt, und da die körperliche und sprachliche Geschwindigkeit der anderen sich erhöht zu haben scheint, glauben sie die normalen Menschen wären Mutanten...

Ein Missverständnis oder Wer sind die Freaks?
 
Seit Jahren wächst die Anzahl von Veröffentlichungen neuer Zombie- und Mutantenfilme immens an. Dabei wird dem Gefühlsleben der Kreaturen herzlichst selten Beachtung geschenkt, was verständlich ist, da sie die Bedrohung darstellen sollen. Während die meisten Filme sich eher dem Innenleben der Opfer zuwenden (Amateurfilme eher auf die organische Art), gibt es nur wenig Werke wie „Zombie Honeymoon“, die versuchen sich in das Monster selbst hineinzuversetzen. Dem berühmtesten Zombie, dem Monster aus „Frankenstein“, wurde diese Empathie noch entgegengebracht, was zu seiner Erscheinungszeit nicht verwundert, da Horror hier häufig mit Drama vermischt wurde. Allerdings beweist nun „Wasting Away“, dass man keinesfalls zwingend zum Dramenbereich greifen muss, um sich in die lebenden Toten hineinzuversetzen. Denn „Wasting Away“ ist eine Komödie.

Und diese lebt nun fast ausschließlich von dem Trumpf seiner Grundidee: Zombies wissen nicht, dass sie welche sind, halten wegen der Reaktionen, die sie bei ihren Mitmenschen hervorrufen, die Normalen jedoch für infiziert. Regisseur Matthew Kohnen orientiert sich bei diesem Gag an den schluffenden Zombies a la Romero. Deshalb bewegen sich die Menschen aus Untotensicht auch übertrieben schnell, während ihre Sprache wie am Kassettenrekorder vorgespult klingt.

Da Kohnen zwischen der Sicht von Zombie und Mensch hin und her hüpft, hat er die Untotenperspektive in bunt gehalten, während unsere alltägliche Wahrnehmung in schwarz weiß gezeigt wird. Dies ist ein simples Stilmittel, aber es wirkt und macht dem Zuschauer das Begreifen einfacher. Das Hin- und Herhüpfen zwischen diesen Perspektiven wird für allerhand optischer Witze genutzt, die meist daraus resultieren, dass die Zombies sich nicht nur wie Menschen fühlen, sondern auch glauben wie solche, sprich wie vor dem Tod, auszusehen. Zum gelungensten Gag diesbezüglich darf man wohl das Knutschen zweier Teenie-Zombies zählen. Der Regisseur schien sich dem bewusst zu sein, und lässt uns ein wenig Zappeln, bis wir einen solchen Moment auch aus der Menschensicht betrachten dürfen.

Ein ebenfalls vom Gift befallener Soldat verhilft der bescheuerten Geschichte zu mehr Glaubwürdigkeit. Er hält sich für eingeweiht, weiß selber nicht dass er ein Zombie ist, und setzt den Teenagern somit allerhand Flausen in den Kopf. Das leichte Töten liegt daran dass sie nun Supersoldaten sind. Körperteile fallen ab, da der Körper sich vom Unnötigen trennt um das volle Potential zu entfalten. Hiermit werden sowohl Superhelden-Filme als auch der patriotische Heldenwahn aus Kriegs- und Actionfilmen aufs Korn genommen, in denen sogenannte Helden gerne im Wahn mit jedem Mittel und zu jedem Opfer bereit sind, um ein hohes Ziel zu erreichen.

Dass man sich auf der Idee des Irrtums allein dann doch nicht komplett ausruhen kann, hat Kohnen dann auch bemerkt und schwenkt nach einer leicht monotonen ersten Stunde um, und lässt die Befallenen begreifen was sie sind. Dieser Umschwung wird jedoch nicht alleine angegangen um mögliche Langeweile zu bekämpfen. Er ist nötig um den Satiregehalt, die gesellschaftskritischen Botschaften, welche die erste Stunde beinhaltet, zu vertiefen und zu einem Ende zu führen. Und hier schafft man es trotz aller Albernheiten und geistigen Stinkefinger tatsächlich einen ernsten Hintergrund aufzuzeigen, der teilweise gar ins tragikomische herübergleitet.

Die Geschichte selbst macht die Botschaft bereits deutlich: versetze Dich in Andersdenkende hinein, selbst in (angebliche) Freaks. Querdenker waren schon immer missverstandene Opfer ihrer Zeit, auch in sie soll man lernen sich hineinzuversetzen. Der Zombie war schon immer Symbol anderer Bedrohungen für den Menschen und Missständen unserer Kulturen. Mag es manches mal die Atombombe, Rassenungerechtigkeiten und das Tier im Mensch selbst gewesen sein, so ist es diesmal der „Freak“, der nicht gesellschaftlich Normale, der Andersdenkende, Menschen die gerne als Sündenbock abgestempelt werden. Eine Rolle die gerade der Horror-Fan nur all zu gut kennt, so häufig wie fehlgeleitete Politiker gegen brutale Filme und Videospiele hetzen, um von echten Problemen der Gesellschaft abzulenken.

Auch hier gelingt Kohnen jedoch wieder eine kleine Raffinesse. Denn jedem dürfte klar sein, dass man nicht jedem Freak in seiner Art und mit seinen Wünschen recht geben kann. Und jeder weiß, dass so mancher Andersdenkende schon für allerhand geschichtliche und somit gesellschaftliche Veränderungen verantwortlich war. Während also auf der einen Seite dem Zuschauer nahe gelegt wird, sich anderen Perspektiven zu öffnen, gibt es hinten herum einen augenzwinkernden Arschtritt, wenn ein Zombie die anderen überzeugt sich aufzumachen ins gelobte Land, wo Friede, Freude, Eierkuchen warten. Damit werden Volksgruppen und Aktionen zu Freaks degradiert, die man heutzutage nicht als solche sehen will.
 
Nun war es aber schon immer so, dass der Andersdenkende selbst die normalen Umstände für unnormal hält, und den Durchschnittsbürger für (angepasste) Freaks. Genau deshalb ist es so wichtig für die Geschichte, dass die Zombies an eine Mutierung der anderen glauben, so dass auch sie zu Taten bereit sind, die wiederum gesellschaftskritisch zeigen sollen, zu welch fragwürdigen Dingen der Mensch bereit ist – auch der Freak. 
 
Da der Zombie Pate für den Missverstandenen steht, darf man aber vor allen Dingen anhand der Menschen allerlei Verhaltensweisen erleben, die ihm zurecht einen fragwürdigen Ruf geben. Ist es Ironie dass eher der Freak die Fragwürdigkeit in unserer Gesellschaft sieht, während der Durchschnittsbürger alles für normal und berechtigt hält? Oder ist es der elementarste Punkt, warum diese Botschaft gerade so ideal durch einen Horrorfilm zu vermitteln ist? Ja mehr noch, in einem Genre, das gerade Andersdenkende seit je her mochten, eben weil es sich immer mit den Fragwürdigkeiten der Gesellschaft und der eigenen Psyche auseinander gesetzt hat. Bedeutet dies nun einen gesellschaftlichen Wandel, weil auch das Mainstream-Publikum sich seit Jahren mittlerweile mit dem Genre Horror anfreundet?

Auch wenn das Genre Horrorfilm, wie eben erwähnt, meist den unausgesprochenen und ignorierten Fragwürdigkeiten und Ungerechtigkeiten seit je her nachgeht, so ist „Wasting Away“ doch dennoch ein sehr eigenständiger Beitrag innerhalb eines Subgenres, von dem man fast nur Ideendiebstahl gewohnt ist. Neben „Fido“ gehört er für mich zu den besten andersartigen Zombiefilmvertretern der letzten Jahre, und das ist er vor allen Dingen durch seine Konsequenz. Wer das Zombie-Genre verarscht muss es auch begriffen haben. Die wichtigsten optischen Zutaten (z.B. Zombie-Make Up und Goreeffekte) sind ebenso dabei, wie die inhaltlichen (z.B. Reaktion der Menschen auf die Bedrohung).

Trotz einer FSK 16 und der humoristischen Umsetzung ist er von meiner Seite aus jedem Horrorfan ans Herz zu legen. Komödienfreunden sowieso! Trotzdem sollte man sich auch darauf einstellen, dass der Film hin und wieder zu monoton erscheint. Seine kleinen Schwächen sind jedoch entschuldbar wenn man bedenkt, dass dieser Film ein Regiedebüt ist.

Schönster Satz im Film: nachdem einer der Zombies sagt er fühle sich nicht wie ein Zombie, entgegnet sein Gesprächspartner: dumme Menschen fühlen sich auch nicht dumm. Hier darf gelacht, aber noch mehr geschmunzelt werden. Denn es ist mehr als ein hohler Spruch.  OFDb

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