Eine Anwältrin vertritt vor Gericht einen Pfarrer, der an der
jugendlichen Emily Rose einen Exorzismus vollzog, an dem sie starb...
Bei diesem Film besteht die Gefahr sich vom Titel irreführen zu lassen. Er könnte falsche Erwartungen wecken und somit enttäuschen. Dies liest man aus einigen Filmbesprechungen im Internet heraus, in denen es heißt, man habe sich zu sehr mit unnötigen Nebensächlichkeiten beschäftigt und den eigentlichen Hauptaspekt, den Exorzismus, etwas stark vernachlässigt. Das ist allerdings grund weg falsch. Nur weil der Exorzismus im Titel steht muss er noch lange nicht das zentrale Hauptaugenmerk des Drehbuchschreibers gewesen sein.
In "Der Exorzismus von Emily Rose" steht eben nicht die Teufelsaustreibung im Mittelpunkt, sondern der Prozess dessen vor Gericht. Und selbst das ist nicht die ganze Wahrheit: eigentlich steht im Mittelpunkt die Verteidigerin des Pfarrers, der diesen Exorzismus ausübte. Um zu erklären warum dies so wichtig zu wissen ist, muss man zunächst auf die Erzählweise verweisen.
Der Film beruht auf einer wahren Begebenheit. Wie viel davon übrig geblieben ist, kann ich dank mangelnder Kenntnis über die damaligen Geschehnisse nicht beurteilen. Diese wahre Begebenheit wird so erzählt, dass sie keine Position einnimmt. Entweder man glaubt das eine, das Übernatürliche, oder man glaubt das andere, das Verbrechen. Nun gab es zwei Möglichkeiten von diesem Gerichtsverfahren zu erzählen. Man konnte die Geschehnisse ganz sachlich wiedergeben oder aber, wie in diesem Falle hier, in Form eines Horrorfilms. Nicht aber um die Übernatürlichen-Variante zu bestätigen, sondern lediglich als Stilmittel. Die Frage was nun wirklich geschah bleibt dennoch jedem selbst überlassen.
Man entschied sich auf dem ersten Blick für die reißerischere Methode. Dies würde sich aber auch nur bestätigen, wenn es wirklich um den Exorzismus ginge. In Wirklichkeit steht wie bereits erwähnt die Verteidigerin im Mittelpunkt, und diese Person dürfen wir nun begleiten bei einer Frage, die viele Menschen seit langem beschäftigt: Wie ist es möglich, dass halbwegs intelligente Menschen sich immer wieder von Sekten und Weltreligionen geistig und schließlich auch als Person einfangen lassen, obwohl sie es eigentlich hätten besser wissen müssen?
Das kann man auf den üblichen Drama-Weg erzählen (so gibt es ja auch Erfahrungsberichte ehemaliger Scientology-Anhänger u.ä.) oder eben wie hier in einem Drama mit starkem Anteil an Horrorelementen. Und da wir die Geschichte der Anwältin erzählt bekommen, die im Verlauf der Handlung immer überzeugter von der Geschichte des Pfarrers ist, musste die Erzählvariante des Übernatürlichen gewählt werden. Schließlich muss der Zuschauer begreifen was in ihr vorgeht.
Sie wird sensibilisiert für die Möglichkeit des Phantastischen. Manch einer mag das kennen, wenn man z.B. spät am Abend mit Freunden beginnt über das Übernatürliche zu reden. Manch einer glaubt Erfahrungen damit gemacht zu haben und erzählt davon, oder von dem was er über Dritte gehört hat. In einer solchen Runde ergibt sich irgendwann auch eine unheimliche Atmosphäre, ob man nun dran glaubt oder nicht. Aber ebenso wie im Medium Film geht es darum sich auch bei Nichtglauben mit der Frage zu befassen: Was wenn es wirklich so wäre? Und diese Frage bringt einen an einem solchen Abend dann dazu besonders sensibel auf jedes Geräusch zu reagieren und alles andere um einen herum anders wahrzunehmen.
Ich denke so lässt sich der Wandel der Anwältin am besten erklären. Durch den Pfarrer sensibel gemacht mit angeblich offeneren Augen durchs Leben zu gehen, und schon bildet sich die Frau alles mögliche ein, nimmt Geräusche wahr, die sie sonst nicht wahrgenommen hätte oder aber anders gedeutet hätte als jetzt, wo ihr der Spukunfug in den Kopf gesetzt wurde. Bereits hier beginnt Gehirnwäsche. Dort beginnt bereits das psychologische Spiel selbsternannter Gottesmänner- und frauen, die noch dringend Menschen für ihre Religion rekrutieren wollen oder glauben dies zu müssen.
Wenn man all dies begriffen hat, wird auch klar warum die Figur der Verteidigerin so charakterisiert wurde, wie sie es wurde. Sie lebt in keiner Partnerschaft, ist eine von den knallharten Menschen (aufgesetztes Selbstbewusstsein, Schutz vor dem eigentlich fehlenden Selbstbewusstsein), sie hat keine Ideale (verteidigt schuldige Menschen der Karriere wegen) und glaubt sehr intelligent zu sein. Gerade letzteres ist ein häufiger Weg in eine Sekte oder Weltreligion zu geraten.
Mit Sicherheit ist die Figur der Verteidigerin nicht unintelligent, Menschen wie sie überschätzen ihr Können aber häufig durch die Bildung die sie erlangten. Das geht aber nur bedingt Hand in Hand, schließlich lässt Bildung nur bedingt Platz für das selbstständige Denken. Auswendig lernen können viele, und die anderen Anforderungen in einem Studium haben viel mit Konzentration, ja sogar mit Intelligenz zu tun, nur selten aber mit selbstständigem Denken. Aber genau das braucht man um sich einer Gehirnwäsche verweigern zu können. Und wie der Film sehr vorbildlich zeigt bedarf es keiner stundenlanger Prozedur eine solche Gehirnwäsche zu bewerkstelligen. Man muss nur den richtigen Knopf drücken, den richtigen Nerv treffen und den Grundcharakter verwirren. Und dies macht der Pfarrer in "Der Exorzismus von Emily Rose" hervorragend.
Wie weit das Talent der Fremdbeeinflussung bei dem Pfarrer funktioniert, zeigt der Schluss. Das wirkt übertrieben, so dass die andere von zwei Schluss-Varianten die bessere, da glaubwürdigere, gewesen wäre. Was die am Ende Beeinflussten nämlich von der Rolle der Anwältin unterscheidet ist die Möglichkeit zum sachlichen Austausch, um sich geistig wieder fangen zu können. Die Anwältin des Pfarrers hatte nur den Pfarrer. Sie war schließlich eine durch Erfolg isoliert lebende Person. Auf der anderen Seite mag der Schluss gar nicht so verkehrt sein, ist es doch schließlich die Mehrheit der Menschen, die an etwas Göttliches glaubt.
Ist man sich über das was „Der Exorzismus von Emily Rose“ will bewusst und hat es akzeptiert, muss man auch nicht mehr über diesen Film schimpfen. Denn aus diesem Blickwinkel hat er, bis auf die Schluss-Beeinflussung, alles richtig gemacht. Die Charaktere werden interessant vertieft und dem Zuschauer nahe gebracht, die Figuren sind alle hervorragend besetzt (allen voran Emily Rose), die Tragik der Geschichte wird nicht vernachlässigt, und der eigentlich so geringe Horroranteil ist immens stark umgesetzt.
Hier wird selbst dem ein oder anderen erfahrenen Horrorfilmgucker eine Gänsehaut beschert. Es gibt Schockmomente und in all den Rückblickszenen ist eine unheilvolle Atmosphäre spürbar. Dass die übernatürliche Erzählweise auf der Gruselebene präsentiert wird, ist dabei nicht nur Mittel zum Zweck, um den traurigen Wandel der Anwältin zu beschreiben (interessant: sie wandelt sich von einem traurig leeren Charakter zu einem anderen traurig leeren Charakter), sondern auch um dem Zuschauer den Spiegel vorzuhalten. Denn wie eben erwähnt ist das Medium Film stets eine Was-wäre-wenn-Sache. Man setzt sich mit Themen, Meinungen und Situationen auseinander, die man so im Leben nicht erlebt, glaubt oder sich damit nicht befasst.
Und so zeigt uns der Film, wie wir, die Zweifler, dennoch dank der Gruselstimmung hin und wieder von der göttlichen Variante verführt werden. Er macht uns deutlich, dass auch wir diese Knöpfe besitzen, auf die man drücken müsste. Im Medium Film lässt man sich dies gefallen und gibt sich dem auch freiwillig hin, ist ja schließlich damit auch keine Leichtsinnigkeit verbunden. Aber zumindest macht dies deutlich, dass diese Knöpfe vorhanden sind. Und würde man sie jedem so aufopferungsvoll zum Draufdrücken vor die Nase setzen, wie dem Film, bräuchten die religiöse und die industrielle Welt keine Gehirnwäsche mehr.
Diese Tatsache lässt einen noch einmal über die eben von mir erwähnte Aussage grübeln. Ist der Film am Ende wirklich Auslegungssache, oder sind nicht viel eher diejenigen, die am Ende glauben wollen der Pfarrer habe recht, besonders anfällig für das in diesem Film besprochene Thema? Das wäre eine sehr harte Aussage, aber kann es möglich sein dass dem so ist?
Dies ist ein sehr reifer US-Film mit einem kleinen Ärgernis am Schluss. Aber vielleicht musste dieses aufgrund der wahren Begebenheiten von einst so sein, ich weiß es nicht. So oder so lässt den sonst so genialen Film ein wenig wackeln. Er ist aber trotzdem auf jeden Fall jedem Cineasten zu empfehlen und Cineasten mit Vorliebe für Horrorfilme, dank seiner düsteren, gruseligen Momente, erst recht. Lediglich der reine Genrefan wird enttäuscht zurückblicken, wurde dem Armen doch schließlich im Titel soooo viel Exorzismus versprochen! OFDb
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