„Das Versteck“, ein Film vom „Ein Kind zu töten“-Regisseur Serrador, wird beworben als das Werk welches Dario Argento zum legendären „Suspiria“ inspiriert haben soll. Und tatsächlich gibt es so einige Übereinstimmungen zu entdecken, so z.B. die Strenge mit welcher das Internat geleitet wird, aber auch die Ankunft einer neuen Schülerin und das Verschwinden diverser Bewohnerinnen. Im Gegensatz zum berühmten Hexen-Horror von Argento geht die Neue jedoch nicht auf Entdeckungsreise. Sie will kein Geheimnis lüften. Sie lebt lediglich ahnungslos in ihrer neuen, temporären Heimat, nichts ahnend dass das Mobben von Mitschülerinnen und die harten Strafen für Ungehorsam nicht das Schrecklichste sind was in diesem Haus vor sich geht.
Letztendlich ist jeder ahnungslos in diesem Haus. Nur der Zuschauer ist eingeweiht, und selbstverständlich der Mörder, der mit einem Messer auf italienische Giallo-Art in diesem spanischen Thriller vorgehen darf, und von dem man aufgrund zu weniger Tatverdächtiger recht schnell weiß wer er ist, auch wenn es die Auflösung offiziell erst im Finale zu sehen gibt. Dass dies „The House That Screamed“ (Alternativtitel) nicht sonderlich schadet liegt in erster Linie daran, dass es kurz vor Beginn des letzten Aktes eine unerwartete Wendung gibt, die den Zuschauer überraschen und schockieren darf und ihn dazu auffordert die Dinge fortan mit anderen Augen zu betrachten, so wie die zentrale Figur, die in dieser Phase nicht wie gewohnt weiter machen kann wie bisher, sondern nun die Schattenseiten dessen zu spüren bekommt was ihr einst nutzte.
Serrador versteht dass in seinem Film um sexuelle Unterdrückung, Machtausübung, Verrat und Folter der Killer nicht im Zentrum der Geschehnisse stehen muss. Verglichen mit anderen Filmen dieser Art werden die Morde an den jungen Frauen fast zur Nebensache. Lange und ausführlich konzentriert sich der Film auf den Alltag im Internat, auf die Banalitäten ebenso wie auf die reißerischen Aspekte. Denn es ist dieser Alltag der den Alptraum überhaupt erst hervor bringt, dem sich die Mädchen leider viel zu spät ausgesetzt sehen, zu spät, da erst kurz vor ihrem Tode begreifend.
Serrador erwartet Geduld von seinen Zuschauern ebenso wie Konzentration, die man allein schon dafür benötigt die sich oft ähnlich sehenden Schülerinnen unterscheiden zu können, die wir ebenso wie das Personal kennen lernen dürfen, ohne dass die Charakterzeichnung all zu tief ginge, jenes Element einer jeden gut erzählten Geschichte, welches uns auch innerhalb einer Unterrichtsszene als Wichtigkeit mitgeteilt wird. Wer da klagt „La residencia“ (Originaltitel) sei zu langweilig ausgefallen, der versteht den psychologischen Zusammenhang zwischen all den Dingen nicht, welche die Stimmung des Films überhaupt erst ausmachen.
Dass man freilich auch mit unwichtigen Szenen in die Irre geführt wird, von denen man glaubte sie währen für den Fortlauf der Geschichte von Bedeutung, ist ein ebenso gekonntes Spiel mit dem Zuschauer wie scheinbare Nichtigkeiten, die unerwartet von Bedeutung werden. Auch die bereits erwähnte unerwartete Wendung im letzten Drittel gehört zu diesen Kniffen die das Publikum herausfordern sollen. Und all dies entschädigt für eine teilweise recht spannungsarme Inszenierung und die vorhersehbare Täteraufdeckung, die aber zumindest eine Zusatzüberraschung bereit hält. Wenn „The Finishing School“ (Alternativtitel) einmal spannend wird, dann wird er es zumindest auch gleich richtig, z.B. in einer hervorragend unangenehmen Klaustrophobiesequenz oder in einer düster in Stille umgesetzten Szene, in welcher eines der Mädels nachts versucht aus dem verbarrikadierten Haus zu flüchten.
„Das Versteck“ ist ein Liebhaberstück für Freunde des ruhigen und psychologisch stimmigen morbiden Filmes, ein Werk welches völlig unaufgeregt erzählt ist und seinen Schrecken um so extremer auffahren lässt, wenn es dann endlich so weit ist. Das ständige Gefühl der Bedrohung und der Unterdrückung hilft dem Zuschauer dabei stets nah am Empfinden der Schülerinnen dran zu sein, während gleichzeitig auch die Seite der strengen Leiterin beleuchtet wird, von der man nie ganz weiß wie wohl oder unwohl sie sich in ihrer als Leitung aufgezwängten Rolle fühlt. Diese Nähe zu den Figuren ist schließlich auch das Geheimrezept des Streifens, der dabei hilft dass in theoretisch ereignislosen Szenen nie das Interesse des Zuschauers flöten geht, erst recht wenn dieser erkannt hat warum Serrador diese Art der Erzählung wählte. OFDb
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