20.07.2016

FRANKENSTEINS SCHRECKEN (1970)

Frankenstein geht neue Wege. Nachdem die Hammer-Studios das sie berühmt machende Werk „Frankensteins Fluch“ bereits vier Mal fortgesetzt hatten, war es in den 70er Jahren, auf der Suche nach einem neuen Publikum, an der Zeit an der Reihe etwas zu ändern. Ohne Peter Cushing gedreht und die Rolle des Frankenstein verjüngert, dreht man die Zeit einfach zurück und erzählt eine alternative, jüngere Variante der Experimente des wissbegierigen Forschers und reichert diese mit einer guten Portion schwarzem Humor an, was dem Film überraschender Weise tatsächlich gut tut.

Denn während „Frankensteins Schrecken“ auf der einen Seite ein Beitrag der Hammer-Studios ist, der frischen Wind ins alte Genre pusten soll, vernachlässigt er im Gegensatz zum ein Jahr später ebenfalls von Sangster gedrehten „Nur Vampire küssen blutig“ dabei nicht die gewohnte Detailverliebtheit in Sachen Deko, stimmiger Außenaufnahmen und ähnlichem zu berücksichtigen, also all das was besagtem Studio seinen guten Ruf überhaupt erst eingebracht hat. „Frankensteins Monster“ (Alternativtitel) ist keine lieblose Modernisierung, er ist ein durchdachtes und charmantes Experiment. Und es ist scheinbar eines welches gescheitert ist, denn als man sich vier Jahre nach dem hier besprochenen Film mit „Frankensteins Höllenmonster" erstmals wieder an ein Sequel wagte, da holte man sich Peter Cushing in seiner Paraderolle zurück und setzte wieder an der bisherigen Reihe an.

Wie auch immer, mir persönlich hat es gut gefallen, dass „Der Greuel von Frankenstein“ (Alternativtitel) in zweiter Reihe, also dem Horror den Vortritt lassend, humoristisch erzählt ist und seine Lacher hauptsächlich aus dem skrupellosem Verhalten des titelgebenden Forschers erntet. Da gibt es zwar auch den unschuldig drein blickenden Schurken, der Frankenstein mit Leichen beliefert und dafür nachts seine Ehefrau schaufeln lässt, während er selbst gemütlich Tee trinkend und schwätzend daneben sitzt und manch anderen humoristischen Einfluss. An sich gehört die Bühne aber dem eiskalt spielenden Ralph Bates als Frankenstein.

Sein skrupelloses Agieren ist nicht nur nennenswert, wenn es um seine gottlosen Experimente geht. Am effektivsten ist seine kühle Art immer im Umgang mit seinen Mitmenschen, lässt Victor doch jede Form menschlicher Wärme und Mitgefühl vermissen, was gerade in seiner Liebes-abweisenden Art zu der jungen Frau, die ihn anschmachtet, zu fast schon tragikomischen Situationen führt. Frankenstein empfindet kein Mitleid. Er fühlt nicht mit anderen mit und kein Opfer ist ihm zu groß um sein Ziel zu verfolgen. Der Mann, der Leben erschaffen will, gibt sich nichts um das Leben anderer. Er achtet das Leben nicht. Selten wurde dieser Widerspruch so unübersehbar in der berühmten Thematik herausgearbeitet wie hier.

Und während „Frankensteins Schrecken“ durch den kalten Charakter Frankensteins und dem interessanten Figurenmeer welches sich um ihn schart, ein wirkungsreicher Mix aus Horrorfilm und Komödie entsteht, fußend auf zwischenmenschlicher Glaubwürdigkeit und psychologisch durchdachtem Szenario, da lässt der so wundervoll ausgefallene „The Horror of Frankenstein“ (Originaltitel) genau dann nach, wenn das Monster auf der Bildfläche erscheint. Nun glaubt Regisseur Jimmy Sangster, der auch am Drehbuch mitschrieb, aus dem Monster eine Art Bluthund machen zu müssen, der auf Kommando Frankensteins Feinde tötet. Aber weder die Idee ist reizvoll, noch ist das glaubwürdig erzählt.

Das Monster ist auf schlichtem Wege schnell gebändigt. Warum es überhaupt von Grund auf aggressiv ist, lässt sich nicht erschließen, lediglich die Scherbe im Hirn käme hierfür in Frage, wird aber schon als Grund genannt für das zerstörte Sprachzentrum der Kreatur. Und wenn es nun im Auftrag seines Herren Rache ausübt, wirkt das doch weder gruselig, noch charmant morbide, und „Frankensteins Schrecken“ büßt einiges von seiner Sympathie ein, die er zuvor so unverkrampft zu vermitteln wusste. Zwar entschädigt eine wundervolle Schluss-Pointe für den besagten Fehlgriff, und der Schwachpunkt lässt sich erst relativ spät blicken und kann von den guten Elementen des Streifens halbwegs abgeschwächt werden, aber die Chance auf einen rundum gelungenen Genrebeitrag ist damit über Bord geworfen, und aus dem zuvor herausragenden Film wird lediglich ein unterhaltsamer Ausflug in die Modernisierungsversuche der Hammer-Studios, äußerst charmant ausgefallen, aber leider doch keine Empfehlung wie zunächst gedacht. Schade!  OFDb

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