Greenberg ist frustriert. Greenberg ist wütend. Greenberg kommt gerade aus der Anstalt. Greenberg ist ich-bezogen. Greenberg ist isoliert. Greenberg ist verliebt. Vielleicht auch nicht, vielleicht sucht er nur die Abwechslung und Florence bietet sich da gerade an, ist sie mit ihrem Leben doch so unzufrieden wie Greenberg selbst. Aber ist er verliebt? Er ist zumindest an ihr interessiert. Aber das kann Florence nicht wissen. Denn Greenberg kann es nicht zeigen. Er zeigt stattdessen Wut und Enttäuschung. Der tiefgründige Greenberg hat eine hohe Erwartungshaltung an das Leben und an seine Mitmenschen. Und innerlich eigentlich nur um sich selber kreisend wird er schnell wütend, wenn Menschen seine Erwartungen nicht erfüllen. Dann wird Greenberg unhöflich, verletztend und flüchtet.
Greenberg weiß dies aber auch. Im nachhinein tut ihm das leid. Er will nicht so sein. Er will daran arbeiten, tut dies jedoch nie. Sein Egoismus ist ihm im Weg, selbst als sein bester Freund, mit dem ihm nur ein oberflächliches Abhängen verbindet, und der Greenbergs letzter Freund ist, nachdem jeder andere ihm den Rücken gekehrt hat, ihn auf Wahrheiten stößt, kann sich Greenberg nicht aus seinem emotional gelähmtem, ich-bezogenen Gefängnis befreien. Ob er sich je für das Kind seines besten Freundes interessiert habe, wird er von ihm gefragt. Greenberg scheint gar nicht zu verstehen was sein Kumpel damit meint. Greenberg verarbeitet gerade andere Dinge, glaubt diese würden ihn im Umgang mit anderen hemmen und übersieht damit das wesentliche.
Florence ist jung, offen und natürlich. Das weiß zu gefallen. Aber sie ist auch oberflächlich, intellektuell desinteressiert, das passt nicht zu Greenbergs Vorstellungen wie ein Mensch sein müsse. Florence pflegt Freundschaften, geht einem Hobby nach, ist tüchtig und engagiert in ihrem Job. Und doch ist sie unzufrieden, geradezu lethargisch. Frisch aus einer Beziehung heraus frustriert sie Gelegenheitssex, den sie dennoch zulässt, um etwas fühlen zu können. Aber er fühlt sich nicht gut an. Mit Greenberg will sie diesen Fehler nicht wiederholen.
In Gesprächen, die mehr wie Selbstgespräche als wie ein Dialog klingen, nähern sie sich vorsichtig einander, aber kühl und emotionslos, frustriert und distanziert, die eigenen Hemmungen störend im Raum schwebend. Greenberg ist viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sensibel sein zu können, also das nicht geben könnend was Florence gerade braucht. Kann ein Greenberg ihr dennoch gut tun? Keine Ahnung, aber sie fühlt sich zu ihm hingezogen, weiß auch nicht genau warum, aber es ist so. Aber je mehr sie von Greenberg verletzt wird, desto mehr distanziert sie sich von ihm. Es sind äußere Umstände, die sie immer wieder zu ihm führt, meist weil der nicht Auto fahrende Greenberg dringend Hilfe braucht.
Das ist in der Theorie alles so interessant wie es klingt. Und Autor und Regisseur Noah Baumbach bewirkt in „Greenberg“ keine künstlichen Wunder, erzählt kein Märchen in welchem am Ende alle glücklich sind. Er liefert stilistisch eher europäisches Kino ab, lässt sich die Figuren nur so nah nähern wie es diesen möglich ist innerhalb ihres aktuellen Entwicklungsprozesses. Ob das Ende ein Happy End ist, lässt sich schwer erkennen. Und in solchen Punkten ist die Umsetzung geradezu lobenswert zu nennen.
Baumbach betrachtet mir Greenbergs isoliertes und egoistisches Leben jedoch eine Spur zu nüchtern. Sachlich ist gut, unromantisch auch, frei von Kitsch sowieso, aber die Einsamkeit die einen innerlich zerfrisst und bei der man nicht in der Lage ist sie zu beheben, hätte ich gerne intensiver emotional mitgefühlt. Hier ist mir der Film zu distanziert und theoretisch ausgefallen. Und so kreisen letztendlich alle Personen um sich selbst, ohne nennenswerte Entwicklung im Geschehen, alles an sich positive Eigenschaften für eine erwachsene Tragikomödie. Aber in dem stumpfen Zustand den „Greenberg“ vermittelt, wirkt dies eher wie ein Stillstand auf dem Bildschirm.
Somit kann „Greenberg“ nie den Tiefsinn erreichen, der Baumbach vorschwebte, bleibt intelligent, durchdacht und interessant, aber eben nicht emotional greifbar, miterlebend und empathisch. „Greenberg“ bleibt zu verkopft, verrät sich selbst als stumpf wie seine Protagonisten und verfehlt damit die Möglichkeit ein großes Werk seines Genres zu werden. Baumbachs „Gefühlt Mitte Zwanzig“, ebenfalls mit Ben Stiller besetzt, gefällt mir da schon etwas besser, auch wenn dieser zunächst nicht so tiefsinnig scheint wie er eigentlich ist. Diese Eigenschaft macht den Folgefilm zum Gegenstück zum hier besprochenen Werk. „Greenberg“ entlarvt das fehlende Mitgefühl als stumpfer als er eigentlich ist. Kühler Intellekt ist eine eigene Form von Dummheit und steht somit der intelligenten Theorie im Weg Fleisch zu werden. OFDb
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