07.05.2017

MATRIX (1999)

Eigentlich ist es so, dass „Matrix“ rein inhaltlich das Science Fiction-Genre nicht neu erfindet. Ganz im Gegenteil plündert er sich durch diverse Vorlagen, von denen „Welt am Draht“ und „Dark City“ wohl die einflussreichsten sein dürften. Es ist jedoch die Art wie er die Elemente neu zusammensetzt, was ihn zu einem solch hervorragenden Film macht, setzt er doch die entliehenen Komponenten nicht nur geschickt neu aneinander, wobei er selbst die nachteiligen in ein positives Licht zu rücken weiß, er vereint zudem intellektuelles Kopfkino mit einem Actionorgie-gleichenden Popkornkino, auch wenn Letzteres Ersteres dafür fast komplett zu verschlingen scheint, so dominant wie sich die Schauwerte durchsetzen und so hintergründig, wie die reizvollen philosophischen Ideen in der zweiten Reihe mitspielen.

Perfekt durchdacht ist „Matrix“ nicht wirklich, bilden sich innerhalb des selbst entworfenen Konzeptes über die Regeln in und außerhalb der Matrix doch immer wieder Logiklücken. Diese verzeiht man in der Regel jedoch, da sie das Fortschreiten der Geschichte ermöglichen und somit förderlich anstatt hinderlich sind. Zudem wird uns als Ausgleich eine durchdachte Geschichte in anderen Ebenen des Filmes geboten, so z.B. bei der Reifung Neos zum Auserwählten, dessen Fähigkeiten aufgrund der zuvor genannten Begebenheiten geradezu logisch erscheinen.

Letztendlich widmet sich der Film ohnehin lediglich der Geschichte darüber Neo erkennen zu lassen, dass er der Auserwählte ist. „Matrix“ schließt dieses Kapitel mit einer der besten Schlussszenen, die ich aus diesem Genre kenne, nutzt er mit dieser doch nicht nur den Mythos der um Neo geschaffen wird und die wuchtige Auswirkung, die glorifizierendes Kino auf das Publikum auszustrahlen weiß, er macht uns außerdem zu Mitwirkenden des Filmes, zu Menschen die am Schluss erfahren, dass es nun so weit ist aufgeklärt und befreit zu werden. Das funktioniert nicht nur aufgrund der innerfilmischen Ebene, die von einer 90er Jahre-Welt (der damaligen Gegenwart) erzählt, die von Maschinen beherrscht wird („Terminator“ lässt grüßen), es funktioniert auch deshalb, weil die Geschichte als Sinnbild für vieles in der realen Welt steht, vergleichbar mit der doppelbödigen Thematik eines Zombiefilmes.

Am ehesten bietet sich hierfür der Freiheitsdrang derer an, die verstanden haben, dass die Gesellschaft, wie sie gelebt wird, nicht zwingend so gelebt werden muss. Regeln, Normen und Gesetze wurden vom Menschen erschaffen. Diese kann man über Bord werfen und gesellschaftlich wie kulturell völlig andersartig neu ansetzen. Ob man nun glaubt dass nur wenige von diesem System profitieren, welches die anderen gedankenlos oder gar unwissend mitspielen, oder ob man glaubt dass das Spiel von einigen auf höheren Ebenen gespielt wird, während sich die Masse desinteressiert treiben lässt, beides ist auf das Konzept der „Matrix“ übertragbar, egal ob man den Ist-Zustand dieser Welt als Unterdrückung und Anpassung ansieht, oder als zufällige Variable, zu der die Gesellschaft nun einmal geworden ist.

„Matrix“ gönnt sich als Mainstream-Werk den Luxus wuchtigste Bilder zu präsentieren, mit modernsten Programmen und Techniken zu arbeiten, sprich Unsummen an Geld für das erreichte Ergebnis zu verbrauchen. Die Wachowski-Brüder, die Regie führten, sorgen jedoch dafür, dass sich die Geschichte nie den Schauwerten unterordnet. Stattdessen werden sie zu nützlichen und gern gesehenen Werkzeugen, um die Geschichte auf ein höheres Niveau zu hieven. Werden sie nicht benötigt pausieren sie.

„Matrix“ besitzt etliche ruhigere Phasen, z.B. jene in der das Konzept der Matrix erklärt wird. Auch in solchen Momenten wird der Film nie Kopf-Kino, mittels optischer Spielereien sorgen die Wachowskis stets dafür, dass selbst den Denkfaulen oder Unkonzentrierten unter den Zuschauern nicht langweilig wird. Und dieses Kunststück kombiniert mit einer beeindruckenden Geschichte, sorgt mit der riesigen finanziellen Unterstützung die bereit stand für ein Filmerlebnis, welches selbst heute, fast 20 Jahre später, noch immer umzuhauen weiß.

Die im Vergleich zu heute schwächeren Computeranimationen wissen noch immer zu gefallen und zu überzeugen. Wenige mittlerweile zu gekünstelt wirkende Animationen, wie Feuer oder Aufnahmen des Raumschiffes von Morpheus, werden glücklicher Weise kurz gehalten, so dass die Illusion nicht plötzlich mitten im Film abbricht. Kampfsportszenen, die trotz versteifter Stars hochwertig inszeniert sind, bilden weitere Schauwerte. Aber der eigentliche an sich ist die fantasiereiche Geschichte, die sich nicht auf einer Idee ausruht, sondern uns in ein magisches, wenn auch pessimistisches, alternatives Universum führt, wie es einen seit „Krieg der Sterne“ nicht mehr zu imponieren wusste.

Ob es die konkreten Bilder der Erntemaschinen sind, der Gedanke dass sich junge Menschen in Wirklichkeit von alten Menschen ernähren, der etwas unsinnige, für den Film aber funktionierende, Ansatz die Versklavung mit der Nutzung des Menschen als Batterie zu erklären, das alles sind Ansätze, die zu begeistern wissen und lediglich als Nebensächlichkeit eingebracht sind. Das Gedankenspiel darüber ob Maschinen wissen wie Hühnchen schmeckt, oder darüber dass eine utopisch positiv programmierte Matrix nicht funktioniert hat, bereichern den Film, auch wenn vieles davon, wie bereits erwähnt, nicht erstmals in „Matrix“ thematisiert wird.

Neben diverser Science Fiction-Werke, von denen die Wachowskis sich inspirieren ließen, dient freilich auch das christlich geprägte Leben als Vorlage, deutlich in der Rolle Neos zu erkennen, spätestens wenn er erst auferstehen muss bevor er die Menschheit erretten kann (was selten so viel Sinn ergab, wie im hier besprochenen Film). Es ist aber auch in der Rolle des Morpheus erkennbar, der ein Prediger und Verkünder der Wunder des Auserwählten ist, was sich hier noch in die magische Wunderwelt des Streifens positiv einzufügen weiß, diese Figur in der missratenen Fortsetzung jedoch zum Phrasen dreschenden Missionar machte. Auch buddhistische Anleihen sind erkennbar, meist in den Lehren Morpheus‘, die an die Demut und Unterwerfung des eigenen Ichs zum Finden des eigenen Zentrums dieser Religion erinnern. Tom Cruise hätte sicher gern die Hauptrolle übernommen, denn selbst der Glaube der Scientology wird in den Fähigkeiten Neos erkennbar.

Wie eingangs bereit erwähnt ist es die Kombination mit welcher diese einzelnen Einflüsse und Bausteine zusammengesetzt wurden, die „Matrix“ so einzigartig macht und selbst Cineasten überzeugen sollte, die mit Action, Mainstream und/oder Science Fiction in der Regel nichts anzufangen wissen. Denn „Matrix“ ist nicht nur ausgezeichnetes Genre-Kino, er hat auch tatsächlich etwas (auf mehreren Ebenen) zu erzählen und dies innerhalb eines recht glaubwürdig herübergebrachten Szenarios, welches sich zudem Raum für Spielereien lässt. „Matrix“ ist mehr als der geglückte Blockbuster, der alle Jahre wieder inmitten des üblichen Bullshits im Massenkino erscheint. „Matrix“ ist ein Ausnahmewerk des Mainstreams, sich dessen Vorteilen bedienend, gleichzeitig die Nachteile hinter sich lassend. Bei solch grandiosem Ergebnis braucht es nicht verwundern, dass „Matrix“ die Genres, für die er steht, nachhaltig beeinflusst hat.  OFDb

1 Kommentar:

  1. Und darauf folgten dann diese unsäglichen zwei weiteren Teile, die dem so sorgsam aufgebauten philosophischen Grundkonzept des ersten Teils nur noch K(r)ampf entgegen setzten...

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