04.07.2017

DIE PHYSIKER (1964)

Über die Handlung von „Die Physiker“ sollte man nicht zu viel verraten, da in dem Stück von Friedrich Dürrenmatt, der dieses eigens für die Fernsehproduktion umgeschrieben hat, alles anders ist als es zunächst scheint. Aus einem heiteren Plot, der zunächst den Eindruck eines Kriminalstücks macht, wird ein ernstes Thema mit dramatischem und gesellschaftskritischem Kern. Dürrenmatt liegt es dabei fern trotz leicht grotesker Züge sinnlose Wendungen für den Überraschungseffekt zu integrieren. Das Gesamtkonstrukt ist geistvoller Natur, bewusst gelegt wie es ist, vieles im nachhinein mehr Sinn ergebend als zuvor bemerkbar ist.

Allerdings setzt er einer gelungenen Schluss-Pointe, die das perfekte Ende der Erzählung hätte werden können, eine stärker groteske Zusatzwendung an, die eine weitere halbe Stunde Spielzeit ausmacht. Die langweilt trotz des teilweise schweren Stoffes ebenso wenig wie es die vorangegangenen 90 Minuten taten, rein vom Anspruch des Werkes her ist sie jedoch eher eine Last für „Die Physiker“. Aus einer schlauen, durchdachten Geschichte wird zum Schluss eine etwas aufgedrehte Posse, die erst dann wieder zum Restniveau zurückfindet, wenn sich die drei Physiker zum Schluss per Lebenslauf vom Zuschauer verabschieden.

Ignoriert man die schädliche letzte halbe Stunde, was aufgrund der vorherigen gelungenen 90 Minuten tatsächlich funktionieren kann, bleibt eine geistreich erzählte Warnung, ein Appell an die Vernunft, in der richtigen Gewichtung aus humorvoll und ernsthaft erzählt, ohne dem Stoff in seiner jeweiligen Phase zu schaden. Dass man für dieses empfehlenswerte Stück die zwei überdurchschnittlich guten Mimen Wolfgang Kieling und Siegfried Lowitz gewinnen konnte, wertet die ganze Sache zusätzlich auf.

Kielings zurückhaltendes Spiel lässt ihn zunächst nicht so professionell erscheinen, wie seine Rolle in Wirklichkeit tatsächlich angelegt ist. Ihren Höhepunkt hat sie dann, wenn Kieling allein durch Mimik dem Zuschauer zu verstehen gibt, dass sein Möbius so eben beschlossen hat, dass es keinen anderen Ausweg aus seiner Misere gibt, als ebenfalls einen Mord zu begehen. Dieses Schauspiel hat mir ungemein imponiert und für mich um ein weiteres bewiesen, wie brillant dieser Mann in seinem Fach war.

Dass „Die Physiker“ ein Theaterstück ist, lässt sich nicht übersehen. Zwar wird die TV-Version anfangs durch eine Autofahrt, und somit durch Außenaufnahmen, aufgepeppt, um sich ein wenig von der Bühne zu distanzieren (eine Idee, die zwar nicht nötig gewesen wäre, aber allein aufgrund der dort geführten Dialoge sympathisch zu schauen ist), wirklich ablenken wollte man trotzdem nicht von der Theaterherkunft, hört mit Ankunft im Aufenthaltsraum der drei Physiker das Bemühen um Aufpeppung des Stoffes doch auf. Von dort an konzentriert sich das Buch inhaltlich endgültig auf seine Vorlage, versehen mit leichten Kürzungen im Dialogbereich.

„Die Physiker“ schaut sich kurzweiliger als man es dem etwas verkopften Stoff zugetraut hätte, ist mit seiner zwei Stunden Spielzeit aber trotzdem ein Werk, auf das man sich aufgrund seiner trockenen, dialoglastigen Umsetzung konzentriert einlassen muss. Der Stoff ist weder inszenatorisch, noch inhaltlich eine Erzählung zum entspannen nach Feierabend. Er soll zum Nachdenken anregen, und diesen Punkt trifft auch die TV-Version sehr gekonnt, was nicht nur an der gelungenen Vorlage liegt, sondern auch an der Besetzung jeglicher Figur und dem richtigen Verständnis jedes Schauspielers für seine jeweilige Rolle. Neben den beiden eben erwähnten Stars fiel mir insbesondere Kurt Erhardt mit seiner wohlüberlegten Definition seiner Rolle positiv auf, die gerade mit Wandel der Wahrheit sehr glaubwürdig interpretiert und sensibel verkörpert wurde.  OFDb

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