27.01.2018

MEIN VATER, DER HELD (1991)

Was Gérard Lauzier mit „Mein Vater, der Held“ abliefert ist nicht einfach nur ein Blick auf den Generationenkonflikt zu einer der zickigsten und wechselhaftesten Zeiten einer Teenagerin, ihm ist ein sehr sensibler und gleichzeitig pointensicherer Einblick in eine Vater-Tochter-Beziehung geglückt, die trotz ihrer Übertreibungen stets glaubwürdig bleibt, was aber auch am psychologischen Verständnis des Autors zu seinen Figuren liegt. So spiegelt sich im Verhalten der Tochter stets auch die Wechselhaftigkeit des Vaters wieder, bei dem aus guter Laune schnell ein aufgebrachter Beleidigter wird. Die junge, attraktive Marie Gillain wird zur glaubhaften Tochter des pummeligen Gérard Depardieu. Und ein stiller, harmonischer Grundton macht auch aus der chaotischsten Situation einen sensiblen Einblick in irritierte Seelen.

Die wechselnde Laune seiner Tochter überfordert den Vater mehr als ihre Lügengeschichten, und ihre Liebe zueinander ist stärker als das wachsende Geschwätz unter den anderen Urlaubern André sei ein Pädophiler. Der Film wird meist aus der Perspektive des Vaters erzählt und schafft es mit seiner gefühlvollen Art tatsächlich Vatergefühle beim männlichen Publikum zu wecken, was gerade im emotional enorm hohen Schluss stark hervortritt, wenn Lauzier uns in den Abspann entlässt, begleitet von einem trivialen, aber treffsicheren Lied, welches Depardieu persönlich gesungen haben soll. Ohnehin ist der Soundtrack einer der Hauptschlüssel zum Funktionieren des kompletten Streifens, weiß das eigentliche neckisch vorgetragene „Mon pere, ce heros“ (Originaltitel) - Thema doch wie die Faust aufs Auge zur Geschichte zu passen, ein Lied das auch unabhängig vom Film ein großartiger Song ist.

Die langsame Entwicklung der Geschichte, die mit einer halbwegs harmlosen Lüge und der enormen Naivität Benjamines beginnt, ist angereichert mit kleinen, aber keinesfalls unwichtigen Witzeleien, gipfelt im Lügenduell zwischen Vater und Tochter, wo jeder gegenseitig die Geschichten des anderen auszubaden hat, und doch steht stets die Zwischenmenschlichkeit, die Sympathie füreinander und das Verstehen der Figuren im Raum, so dass man die zwei Hauptfiguren richtig lieb gewinnt, was einem ungemein dabei hilft über Andres Leiden liebevoll zu lachen. Der möchte eigentlich nur einen schönen Urlaub verbringen, dementsprechend pointensicher kommt das Drehbuch daher, das André nicht einmal Ruhe gönnt, wenn die Tochter nicht in der Nähe ist, oder gerade eine vaterfreundliche Phase durchmacht. Dann dürfen nervige Randfiguren ins Geschehen treten, um auch diese Urlaubsmomente zu ruinieren.

Man gönnt dem Vater gen Ende immer mehr sein eigenes Happy End, das keineswegs ein ideales für ihn ist, muss er doch wieder einmal der Liebe zu seiner Tochter wegen zurückstecken, kurz nachdem er bitter enttäuscht wurde. Gerade in solchen Momenten guckt sich „Mein Vater, der Held“ äußerst europäisch, macht er diese Gefühle und Erlebnisse doch nicht zu Widersprüchen, sondern zu kompatiblen Gegensätzen, die gleichzeitig im selben Herz schlummern. Lauziers Film erzählt vom Kind in der Erwachsenwerdenden, vom Loslassen, vom Beschützerinstinkt bei Jung und Alt, von Klischees und Tratsch, von Selbstherrlichkeit und Selbsteinsicht, von Egomanie und Selbstlosigkeit, quasi von allem was geradezu menschlich ist, und dies auf so herzliche Art, dass ich mich immer wieder gerne darauf einlasse. „Mein Vater, der Held“ ist einer der wenigen Filme, bei denen ich nur so dahinschmelze, obwohl im Zentrum keine Liebesgeschichte zwischen Mann und Frau stattfindet. Auch Vatergefühle können sehr enorm sein.  OFDb

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