"Tamala 2010" ist ein äußerst merkwürdig geratener Film. Zu Beginn wirft er lediglich Rätsel darüber auf, ob er überhaupt etwas zu erzählen hat, wenn er wirr aneinandergereiht scheinende Szenarien in schräger Optik präsentiert. Der Stil ist zu linear geraten, um dem Film vollends den Stempel Experimentalfilm aufdrücken zu können, einen wahrhaft zugänglichen Erzählstil hält der Streifen jedoch auch nicht bereit. Der wie einem Drogentrip entsprungen scheinende Bilderrausch gibt sich inhaltlich schwer zugänglich, während die Faszination des Gezeigten definitiv zu packen und nach einer Zeit der Orientierung zu gefallen weiß. Das an Hello Kitty erinnernde Kitschkätzchen widerspricht auf wundervolle Art ihrem dreckigen, chaotischen und anarchistisch scheinendem, jedoch vom Kapitalismus geprägtem, Umfeld. "Betty Boop" trifft auf "Yellow Submarine", verschiedene Zeichenstile und Trickfilmtechniken werden wild durcheinander gewirbelt, selbst die schlichten Varianten effektiv, da ironisch, eingesetzt.
Während vom anrüchigen Umfeld her einem unweigerlich "Fritz the Cat" in den Sinn kommt, schaut sich das zunächst wirre Chaos wie die schrägen Sequenzen aus "Paprika" gemixt mit einer positiven Variante des missglückten "The Congress"-Themas. Humor hilft beim Verarbeiten der sich nicht zwingend kompatibel anfühlenden Zutaten, und dieser pure Wahnsinn weiß ein experimentelles Publikum wahrlich zu packen. Der Musikstil wechselt so oft wie die Orientierung des Filmes, komponiert von TOL, der/die auch als Zuständige/r der Regie genannt werden. TOL steht für Trees of Life. Eine Musikband? Eine ominöse Namensgebung eines Einzelnen? Ich weiß es nicht, habe auf die Schnelle keine Antwort dazu im Internet gefunden, so dass selbst die Namensgebung der Regie, die auch das Drehbuch zu "Punk Cat in Space" (Alternativtitel) beigetragen hat, Rätsel aufwirft. Wie auch immer, neben besagter filmischer Verwandtschaft zu eben genannten cineastischen Beiträgen arbeitet "Tamala 2010" des öfteren mit optischen Zitaten aus populären Kultfilmen wie "Shining" oder "Metropolis", während auf groteske Art freilich unübersehbar unsere Welt in eine Tieralternativwelt umgedeutet wird, um nicht nur popkulturell arbeiten zu können, sondern auch Gesellschaftskritik an unserer Wirklichkeit ausüben zu können, dies zunächst nur erkennbar in kurzen Anflügen einer solchen, da sich der Film zunächst, wie erwähnt, rätselhaft und relativ zusammenhanglos gibt.
Mehr Einblick ins Geschehen gibt die zweite Filmhälfte, die, nachdem die erste immer mehr den Eindruck erweckte doch eine zusammenhängende Geschichte erzählen zu wollen, nun versucht die Fäden zusammenzufügen, um dem wilden Ritt eine übergeordnete Logik zu bescheren. Leider fällt die zweite Hälfte bei diesem Versuch weit weniger schwunghaft aus als die zudem humorvoller ausgefallene erste Hälfte. Endlos scheinende Monologe eines zufällig dazu gewordenen Geschichtsforschers hemmen die bislang gelebte lockerflockige Art des Streifens, auch wenn sie stets durch gut funktionierende Augenzwinkereien unterbrochen werden. Die Monologe selbst dienen lediglich der Identifikationsfindung allem Gesehenen und bieten einzig trockenen Humor, der bis zu jenem Zeitpunkt nicht wirklich zünden will, bis wir erfahren, dass alles sachlich vorgetragene aufgrund der Geschwätzigkeit des Phantasten doch nicht so sachlich geartet ist, wie bislang vermutet. Somit wird jegliche errungene Information ad absurdum geführt, was wiederum zu gefallen weiß, zumal der Zuschauer, sofern er sich überhaupt in der Lage sieht der filmeigenen Logikversuche zu folgen, auf sich selbst gestellt ist, um zu begreifen oder zu erahnen was in der Welt Tamalas Wahrheit und Realität ist und ob es eine solche überhaupt in dem wirren Wust an Schwachsinn und intellektuellem Getue zu geben scheint. Hat sich z.B. 2010 die einst fiktive Roboterwelt endgültig in die Realität eingeschlichen, oder ist dies nur ein Trugschluss inmitten von vielen, der lediglich dazu dient dem Film einem zusätzlichen Sehwert zu bescheren?
Ob man Antworten auf diese, ähnliche, oder ganz andere Fragen findet oder auch nicht, ist im Sinne des Unterhaltungswertes egal, funktioniert "Tamala 2010" doch auch dann, wenn man nur dumm aus der Wäsche guckt, nicht nur weil er ein optisches Fest voll von absurdem Humor ist, sondern auch weil zumindest kurzfristig aufblitzende, und somit zu begreifende, Seitenhiebe auf die Gesellschaft bereits zu gefallen wissen. Werbezeilen, Denkweisen von Randgruppen, Perversionen im Spießeralltag, egal ob banale oder extremistische Entdeckungen im Alltag, sie werden hier wundervoll auf eine völlig eigene Art kritisch aufgegriffen, sich nichtig und bedeutend zugleich anfühlend und dabei die Frage aufwerfend inwieweit ein Problem tatsächlich ein Problem darstellt, oder ganz im Gegenteil gefragt inwiefern das Ignorieren eines solchen großen Schaden nach sich ziehen kann. Ist am Ende alles egal? Ist es legitim am Ende Dinge die einen verwirren als schlichtweg unbegreiflich abzutun, so wie es Kater Michelangelo stets mit seiner Mimik kommentiert, wenn Tamala Unsinn zu reden scheint oder wunderliche Dinge um ihn herum passieren?
"Tamala 2010" erzielt mit seinen wahnwitzig scheinenden Stilmitteln diese wundervolle Wirkung aus Wichtigkeit und Belanglosigkeit zugleich, gibt diesbezüglich keine Antworten, sondern versetzt den Zuschauer in einen Zustand der Verwunderung, Überforderung und Faszination, so als würde die Antwort auf die übergeordnete Frage von Sinn und Unsinn in dieser Welt, demonstriert an dem hier völlig grotesken Treiben einer Zeichentrickrealität, für jeden Menschen eine andere sein. Philosophisch gesehen ist dies äußerst raffiniert angegangen. Theoretisch gesehen ist mit "Tamala 2010" somit etwas äußerst Geglücktes entstanden. Aufgrund der sich etwas zu dröge anfühlenden zweiten Hälfte ist das Ergebnis praktisch gesehen jedoch nur ganz nett ausgefallen. Schade eigentlich, aber ohnehin nur mein subjektives Urteil, das freilich nicht jeder teilt. OFDb
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