21.02.2019

DU NEBEN MIR (2017)

Zunächst einmal sei positiv erwähnt, dass die Geschichte um die schwer kranke Maddy, die sich in einen Gleichaltrigen verliebt, vom menschlichen Aspekt aus erzählt ist und nicht dominant vom kränklichen. So wichtig der Gesundheitszustand der Protagonistin für die Geschichte auch ist, es geht nur in zweiter Reihe um ihn. "Du neben mir" ist eine Coming of Age-Romanze, die im Grunde erst einmal das typische Aufblühen aufgrund der ersten Liebe zeigt, die Wünsche die damit einhergehen und das Überwinden der elterlichen Vorgaben auf der Suche nach der eigenen Individualität. Bei beiden im Zentrum stehenden Jugendlichen findet dies aus plausiblen Gründen in einem unterschiedlichen Grade und erst relativ spät statt, sind beide vom gesetzlichen Standpunkt her doch kurz davor erwachsen zu werden. Freilich erschwert die Situation Maddys die gerade beschriebene, typische Entwicklung eines Menschen, stellt einen sogar bezüglich ihrer Beziehung mit Olly vor die Frage was möglich ist und was Zukunft hat. Dennoch bleibt der nach einem Erfolgsroman inszenierte Film dieser gängigen Erzählphase überraschend treu.

Dies schafft er nicht einzig über die weit ausgeprägte Phantasie Maddys, die dafür sorgt dass ein SMS-Austausch wie ein persönliches Gespräch zwischen beiden im selben Raum aussehen kann, ohnehin ist "Everything, Everything" (Originaltitel) nicht so hoffnungslos ausgefallen, wie er sich zu Beginn guckt, werden im Laufe der Zeit doch auch tatsächliche Begegnungen und Außenaufnahmen möglich, die nichts mehr mit der Phantasiewelt der jungen Frau zu tun haben. Da ist es hilfreich, dass der Streifen stets zwischen rosarotem Liebesfilm und dem rationalen Beleuchten der Charaktere hin und her springt, immerhin sind die Figuren lebendig genug ausgefallen, um sie anzunehmen, und ihre Entwicklung wird aufgrund ihrer ordentlich hinterfragten Hintergründe glaubwürdig. Gleichzeitig geht "Du neben mir" jedoch nie zu wissenschaftlich vor und gönnt sich immer ein wenig den Freiraum verträumt mit seiner Thematik spielen zu können, ohne gleich extreme Glaubwürdigkeitsabbrüche zu riskieren. Zugegeben, es ist manchmal ein Ballanceakt, der erst mit dem Komplettwissen des Streifens außer Kraft gesetzt wird, zuvor jedoch kritische Gedanken im Zuschauer entstehen lässt, vorausgesetzt dieser ist nicht einzig eingelullt von der sehr zart und empathisch erzählten Liebesgeschichte. Einen gewissen Grad der Naivität gönnt man ohnehin einem Stoff, welcher der Jugendliteratur entstammt, deswegen wird man nie all zu kritisch, aber als mitdenkender Zuschauer stößt man des öfteren an Grenzen.

Dennoch funktioniert die Chemie zwischen Realitätsnähe und Naivität im Umgang mit der Erkrankung und manch filmischer Klischees ganz gut. Hilfreich kommt diesbezüglich das Spiel der Hauptdarstellerin Amandia Stenberg hinzu, die natürlich kichernd tatsächlich wie eine erstmals verliebte Teenagerin wirkt und insgesamt ein sehr natürliches Auftreten besitzt. Das kann man von ihrem Gegenpart Nick Robinson nicht immer behaupten, dafür ist Stella Meghie leider zu sehr in Versuchung ihn als Schönling darzustellen, aber auch mit ihm wird man irgendwann warm und darf ihn natürlich agieren sehen, ein Zustand den ich mir gerade bei seinen ersten Auftritten im Film ebenfalls gewünscht hätte. Schwerwiegender nagt am Gesamtergebnis jedoch die finale Auflösung der Geschichte, die in der Extreme, wie dort eine Person vorgegangen ist, den Auslöser nicht mehr gerechtfertigt und sich doch zu sehr nach Konstrukt als nach tatsächlich möglicher Begebenheit anfühlt. Dass "Du neben mir" damit leichtfüßiger und hoffnungsvoller daher kommt, als die Ausgangslage uns einreden wollte, ist gar nicht mal der schlechte Aspekt daran, immerhin hat die süßliche Erzählung einen bis zu diesem Zeitpunkt dahin erzogen, dass wir Zuschauer es eigentlich so wollen. Aber der drastische Schritt, der emotional weder nachvollzogen noch verziehen werden kann, versperrt einen den Weg zum sich tatsächlich so anfühlendem Happy End, eben weil man in ihm bei so viel Filmrealität zu sehr das Konstrukt bemerkt und keine Glaubwürdigkeit empfindet.

Das schadet dem Ergebnis nur bedingt, welches ansonsten eine wunderschöne Feel Good-Geschichte geworden ist, die zärtlich, empathisch und menschlich ausgefallen ist, und uns zumindest im Zentrum der Geschichte einen Menschen kennen lernen lässt, der authentisch wirkt und mit dem es leicht fällt mitzufühlen. Einzig in jener Phase des Streifens, in welcher Maddy jegliche Vernunft über Bord wirft, konnte ich die Leichtigkeit der Erzählung nicht mehr mit empfinden. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich dem leichtgläubigen, naivem Alter längst entwischen bin, der in Leichtsinnigkeit lediglich ein aufregendes Abenteuer sieht. Stattdessen befinde ich mich in einem Entwicklungszustand, in welchem ich selbst längst Vater sein könnte, und das zeigte sich bei mir beim Zuschauen brutalst, sorgte der Ausbruch nach draußen doch lediglich für ein sorgenvolles Mitschauen, stets die Gefahr im Nacken spürend, dass Maddy schrecklich erkranken wird, als Folge für ihr undurchdachtes Tun.

Bei einer Zweitsichtung, die der Film garantiert von mir irgendwann erhält, wird sich das nicht mehr so anfühlen, und ich werde mit den Jugendlichen im Geiste mitfiebern und mitlieben können, aber bei der Erstsichtung waren diese unvernünftigen, wenn auch verständlichen, Momente, jene, die dem Streifen einen enormen Spannungsbogen dort eingebracht haben, wo Teenager beim Zusehen anfangen zu träumen. Ich fühlte mich bezüglich der Liebesgeschichte emotional ausgeschlossen, bezüglich des Dramas hingegen emotional vom Film eingeladen, und ich weiß zwar nicht was davon so gewollt war, aber dieser Zustand war unglaublich intensiv. Nicht ganz so unglaublich ist das Gesamtergebnis ausgefallen. Verglichen mit anderen Teenstoffen, die zur Zeit aus Amerika kommen, ist "Du neben mir" zumindest nur bedingt naiv ausgefallen und greifbar herzlich noch dazu, so dass ein erwachsenes Publikum diesmal nicht vom Unterhaltungswert ausgeschlossen wird. Groß wie Klein können in diesem kleinen Streifen emotional aufblühen, der trotz vereinzelter, gar nicht so unwesentlicher, Schwächen überraschend gut zu überzeugen weiß.  OFDb

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