05.05.2019

HEIL (2015)

"Heil" ist eine um Vielschichtigkeit bemühte Komödie, die fast einzig in den Händen von Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Dietrich Brüggemann entstanden ist. Im Gegensatz zu dem im selben Jahr erschienenen "Er ist wieder da" versucht er nicht einfach dem populistischen Denken seiner Entstehungszeit nachzueifern, sondern einen geistreichen, allumfassenden Blick auf das Phänomen der in die Gesellschaft zurückgekehrten Fremdenfeindlichkeit zu werfen. Dabei geht es ihm nicht um ein Analysieren von Ursachen, orientiert an Fakten, Realismus und genauester Recherche. Vielmehr bietet er gut beobachtet einen Rundumschlag jeglichem Schwarz/Weiß-Denkens, welches für das Hochkochen der Situation (mit)verantwortlich ist. So geht es nicht nur der braunen Brut an den Kragen, sondern auch eindimensional denkenden Linken, egogeilen Prominenten, dem kaum kontrollierten Verfassungsschutz, reißerischen TV-Talkshows und ihren Marionetten von Moderatoren, sowie realitätsfernen Politikern. Sie alle bekommen ihr Fett weg, oftmals treffsicher und pointenstark umgesetzt, da auf guter und neutraler Beobachtungsgabe fußend, und freilich aufgrund dessen das zu besitzen, was die zu kritisierenden Gruppierungen nicht aufweisen: das Denken und Wahrnehmen in Graustufen.

Was soweit löblich klingt und im Ansatz auch funktioniert, will als Komplettwerk jedoch nicht derart gelingen, wie es jemandem lieb wäre, der das Graustufendenken in unserer heutigen Gesellschaft immer mehr vermisst. Brüggemann übernimmt sich aufgrund der Vielzahl an Personen, Fronten und satirischen Seitenhieben. Zwar behält er auch inmitten vom großen Chaos den Überblick, Hut ab, das ist bei all den Einflüssen und Vermischungen, von denen "Heil" erzählt, wahrlich schwierig beizubehalten, und dies bereits als Zuschauer, aber das Werk guckt sich dadurch zu überfrachtet. Eine Identifikationsfigur gibt es nicht bei all den vielen, fast stets gleichrangig dominierenden Charakteren, von denen jedoch keine wahre Tiefgründigkeit erfährt, zumindest im Sinne einer zentralen Figur, die durch das vielschichtige Geschehen leitet. Zwar wird aus den jeweiligen Parodiefiguren mehr als das Abziehbild eines eindimensionalen Witzes, zu wahrer satirischer Tiefe, wie es ein "Schtonk" zu liefern imstande war, schafft es "Heil" in dieser Vorgehensweise trotz aller Ambitionen jedoch nicht.

Letztendlich ist ihm dafür aber auch der schnelle Witz in Donnerschlagform zu wichtig, so dass das fertige Produkt trotz Tiefsinn und einiger subtiler Elemente eine Spur zu albern daher kommt und aufgrund der massentauglichen Orientierung seiner ihm am wichtigsten scheinender Ziele auch doch noch einen Rest zu anbiederungswürdig daher kommt, wenn auch nicht so stark vertreten wie im oben genannten Vergleichsfilm, der auf einem Buch ganz anderer Ambitionen basiert. "Heil" kommt trotz durchdachtem Plot und dem Behalten der Übersicht zu wirr und albern daher, durch die zu häufig wechselnden Schwerpunkte auch zu willkürlich, ein Eindruck der zusätzlich genährt wird durch den Ansporn möglichst viele Zutaten ins Gesamtergebnis einbringen zu müssen, um innerhalb eines wahnsinnigen Plots Atemlosigkeit zu erzeugen. Das ist auf der einen Seite raffiniert, ist es doch die Unübersichtlichkeit in den Medien aufgrund von zu vielen Informationen, die in der Welt vieles nicht so laufen lässt, wie es laufen könnte. Aber ob "Heil" dies gekonnt einzufangen weiß, oder letztendlich selbst nur diese Überfrachtung lebt, an die sich viele arg gewöhnt haben, weiß er dem Zuschauer gegenüber nicht zu offenbaren.

So bleibt am Schluss zwar ein lobenswertes und liebenswertes Produkt mit allerhand guter Ideen, treffsicherer Seitenhiebe und gut aufgelegten Darstellern, oftmals kommt "Heil" aber auch zu gewollt und wirr daher. Und ohne das Einbringen emotionaler Tiefe einer charakterstarken Identifikationsfigur, ist das Ergebnis ohnehin nur eine zu kühl ausstrahlende Nummernrevue, die zwar in vielen Momenten zu amüsieren weiß, ihr eigentlich vorhandenes ernstes Engagement jedoch nur vereinzelt zu verdeutlichen weiß. "Heil" mag ein Lehrstück über die Unübersichtlichkeit von zu viel egomanischen Schwarz/Weiß-Denker-Gruppierungen sein, die alle nie den Kern einer Situation greifen, um Probleme tatsächlich lösen zu können. Er weist ebenso treffsicher auf, wie auch Gegengruppierungen aufgrund ihrer ähnlichen Art selbst zum Problem der Sache werden. Er liebt es aber auch zu sehr den Zoten zu frönen und "Heil" damit sein anspruchsvolles Satireanliegen zu verwässern. Würden diese Albernheiten nicht all zu oft die Lachmuskeln des Massenpublikums anvisieren, würde mich ein solcher Mix nicht stören, Stammleser wissen dies eventuell bereits. Aber so wie umgesetzt ist "Heil" in meinen Augen nichts Halbes und nichts Ganzes, alles wollend ohne klar machen zu können, was er wirklich sein will. Was sich hier arg streng liest guckt sich in seiner wirren, verfahren wirkenden, aber doch gut strukturierten, Art jedoch äußerst kurzweilig, wenn auch nur für den kleinen Unterhaltungsmoment für zwischendurch.  OFDb

1 Kommentar:

  1. Da bin ich ganz bei dir. Mir waren das auch zu viele Baustellen, die Brüggemann da angeht. Konzentration auf ein, zwei Themen hätte dem Film sicher gut getan. So sind die mitunter doch recht platten Witze dann doch eher nur für den Augenblick relevant, verfehlen aber den (intendierten?) aufrüttelnden Moment.

    AntwortenLöschen