"We Are the Flesh" ist stilistisch dem Kunstfilm näher, als es manch andere Underground-Produktionen gerne wären, letztendlich hat er aber das selbe Problem wie die meisten Werke seiner Art: man kann ihn aufgrund seines Fokus stets provozieren zu wollen nicht wirklich ernst nehmen. Inszenatorisch gibt es wenig auszusetzen. Hier wird nicht Unvermögen mit entrückter Inszenierung überschattet und krampfhaft zu einem Kunstfilm erklärt, wie es mancher Amateurfilm vormacht. Kamera, Maske, Set-Design, all diese Aufgabenbereiche sind weit professioneller angegangen, als man es von solch einer Art Produktion erwarten würde, und die Schauspieler sind passend zu diesem Niveau besetzt, wissen also ebenso zu überzeugen. Das Grundszenario des Streifens ist düster, dreckig und verstörend, präsentiert uns eine Zukunft, in der etwas Schreckliches, aber nie Genanntes, geschehen ist, und diesen Minimalismus an Informationen behält man bei, indem man uns einzig aufzeigt was während der ungewöhnlichen Wohngemeinschaft mit den drei Protagonisten eingekerkert in der baufälligen Behausung passiert.
Demokratie gibt es hier nicht, Mariano ist der Hausherr, der Versorger. Und in der eigentlich neutralen, nüchternen Betrachtung aus der Sicht Dritter scheint sein Wahnsinn immer in unseren Blickwinkel mit einzufließen, so derart geistig entrückt, befremdlich und schwer zu fassen sind die oft nichtig erscheinenden Ereignisse eingefangen. Die Stimmung ist schwermütig, dreckig und unangenehm, "We Are the Flesh" wendet sich nie dem Unterhaltungskino zu, will fortwährend schwere Kost sein, und fordert den Zuschauer mit allerhand sexuell und blutig provokanter Szenen heraus, in welchen es fern der Pornographie auch mal zu einem echten, unzensierten Blowjob vor laufender Kamera kommen kann. Da ist hauptsächlich der Mut der Akteure gefragt, immerhin lief der Streifen auch offiziell auf Filmfestivals, weniger der Intellekt, den ein Kunstfilm eigentlich in der Lage sein soll zu beinhalten. Sicher kann man aufgrund der nicht erklärten Umstände und Auslöser viel in den Streifen hinein interpretieren und ihn damit intellektuell begründen, erfinden und deuten, letztendlich schiebt Minters Drang zur Provokation diesem Blick jedoch einen unglaubwürdigen Riegel vor. Sein Werk soll anstößig sein, im besten Falle verstörend, um mehr geht es dem guten Mann nicht wirklich.
Solch ein Underground-Film ist immer eine Spur mehr Geschmackssache, als es ein Film an sich ohnehin schon immer ist, und stilistisch gibt es da wie gesagt an "We Are the Flesh" nicht wirklich etwas zu meckern. Glücklicher Weise drehen sich die Ereignisse auch nicht all zu sehr im Kreise, wie sich zunächst vermuten lässt, das überraschende Ableben eine der drei zentralen Figuren sorgt endgültig für eine Wende der Ereignisse. Aber in seiner voyeurgeilen Einseitigkeit, in ellenlangen lahmarschig eingefangenen Aufnahmen, wusste mich das Ergebnis, trotz manch theoretisch packend angegangenem Szenario, an sich nur zu langweilen, anstatt zu interessieren, nicht ohne eine Restfaszination entfachen zu können und auch nicht ohne einen gewissen Respekt der Beteiligten in mir wachsen zu lassen, als Gesamtergebnis jedoch zu mau ausfallend, als dass ich all zu lobende Worte von mir geben könnte. Trotz aller Provokationen und zu viel gewollten Elementen hebt sich "We Are the Flesh" aber stilistisch angenehm von den vorgaukelnden, billig abgedrehten Möchtegern-Kunstfilmen ab, schließlich gibt es handwerklich wenig zu bemängeln. Aber diese erdrückende Atmosphäre, die manch einer sicher als den Pluspunkt des Streifens ansehen wird, und die vom Regisseur sicherlich auch so gewollt ist, ließ "Tenemos la carne" (Originaltitel) für mich zu einer unangenehmen Filmerfahrung werden. Das kann man aber maximal nur bedingt dem abgelieferten Werk ankreiden, der Wahrheit entspricht es vielmehr, dass ich nicht wirklich zum Zielpublikum dieser Art Film gehöre. OFDb
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