14.12.2019

BÜBCHEN (1968)

Robert Klicks Debütfilm ist natürlich abgefilmt, wirkt weder professionell, noch minderwertig, wie in einem Amateurfilm üblich, eingefangen, sondern in seiner direkt aufgefangenen Art geradezu authentisch. Dem gegenüber steht eine bizarr anmutende übertriebene Betrachtungsweise der Unterschicht, sich satirisch als Groteske anfühlend, wobei ich mir nicht sicher bin, ob sich die Mittelschicht seinerzeit nicht wirklich gedacht haben mag, dass es unten derart überzogen aussieht, wie hier dargestellt. Dementsprechend bin ich auch nicht sicher, ob Klick diesen grotesken Blick absichtlich einfängt, oder aufgrund einer reißerisch anmutenden Naivität. Was auch immer es ist: dieser Kontrast wirkt und beschert uns einen erstaunlichen Film, der aufzuwühlen weiß und einem in seiner ungewöhnlichen Art nie Klarheit verschafft. Inhaltlich ist am Schluss alles zu Ende erzählt, teilweise deutlich dargeboten, teilweise zwischen den Zeilen. Dieses Ende beunruhigt einen, wie es der komplette Film tut. Er lässt uns mit uns allein zurück, mit dem was der Film über unsere Gesellschaft und uns selbst aussagt und mit dem was fiktiv noch kommen kann, wenn der Vater als Teil der ungebildeten Schicht nicht erkennen kann, was die tief versteckten Wunden später noch an Übel, aktiv oder passiv ausgelebt, hervorbringen können. Gleichzeitig ist es der Stil des Films, der den üblichen inneren Abschluss einer Filmgeschichte für das Publikum verhindert. Man steht als Zuschauer dar, nicht wissend wie "Bübchen" nun genau gemeint ist, was ich persönlich jedoch recht reizvoll finde.

So aufgenommen wie von mir, ob nun von den Verantwortlichen des Stoffes so gewollt oder nicht, ist "Der kleine Vampir" (Alternativtitel) ein interessantes Psycho-Drama, wie erwähnt im Gewandt einer Groteske dargeboten, die uns zwei Produkte der damals modernen Unterschichtgesellschaft zeigt, die vom Altersunterschied und vom Geschlecht einmal abgesehen wie Spiegelbilder fungieren. Sie lügen, sie sind sich weder ihrer Schuld, noch der Auswirkungen ihrer Taten bewusst, und wirken von der Realität abgedriftet. Sowohl die Nachbarstochter, als auch das Bübchen werden diesbezüglich hervorragend dargestellt, trotz eher amateurhaftem Auftretens, eben weil der Streifen so direkt, wie selbstgedreht, und damit realistisch anmutend, eingefangen ist. Nervenkitzel als Teil des Mitwissens schwingt im Laufe der Geschichte ebenso mit, wie die schockierende Wirkung der Tat/des Kriminalfalls und dem Umgang sämtlicher Leute mit dieser/diesem (das desinteressierte, emotionslose Entgleisen der Kinder findet sich auch im Verhalten der Eltern wieder, erschreckender Weise sogar tendenziell erahnt bei den Ermittlern). Auch der nüchtern dargebotene dramaturgische Aspekt, der sich im treffsicheren Umfeld des Jungen widerspiegelt, sei es in Form von Personen, oder von Orten, dominiert das Betrachten des Streifens. Die Trostlosigkeit des Umfelds entspricht der Trostlosigkeit der kindlichen Seele und dem Mangel Empathie empfinden zu können. Am Ende empfinden beide Spiegelseiten ihr Tun als verspielt, ohne zu verstehen oder zu bereuen. Der Junge versucht es in einer der letzten Szenen per Grenzüberschreitung, begreift aber selbst in praktischer Anwendung nicht und bleibt somit gefangen in einem Gefühl, das er nicht einordnen kann. Gleichgültigkeit und Nichtverstehen gehen Hand in Hand, das ist der Fluch der bildungsarmen Unterschicht. Der herablassende Umgang mit ihr ist das Öl in dieses Feuer. Was damals gesellschaftskritisch schockierte, da bis dahin kaum bewusst wahrgenommen, ist heute erschreckend angenommene Alltäglichkeit.  OFDb

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