14.12.2019

DAS BILDNIS DES DORIAN GRAY (1945)

Etliche Male wurde der Roman von Oscar Wilde verfilmt, erstmals 20 Jahre nach seinem Erscheinen, mindestens sieben Mal in der Stummfilm-Zeit verarbeitet, erstmals als Tonfilm von Albert Lewin inszeniert, der drei Jahre zuvor sein Debüt "Der Besessene von Tahiti" ablieferte. "Das Bildnis des Dorian Gray" orientiert sich stark an der Buchvorlage, spielt in der dort angegebenen Zeit, arbeitet mit Off-Kommentaren und zehrt von der erzählerischen Stärke des Stoffes, ohne ihr reißerische Zusatzelemente zuführen zu müssen, Geschehnisse zu beschleunigen oder ähnliche quantitative Tricks anzuwenden. Das gealterte Bild des Gray wirkt ein wenig übertrieben monströs, ist aber sicher ohnehin Interpretationssache, geht es doch nicht nur um den Alterungsprozess an sich, den das Gemälde übernimmt, sondern auch um die Spuren der begangenen Taten des stets unschuldig ausschauenden Mannes der Oberschicht.

Dargestellt von Hurd Hatfield weiß Dorian Gray ohne große Schauspielkunst zu überzeugen. Sein Unschuldsblick ist die halbe Miete, und auch die zweite Hälfte, der depressive Blick, weiß ihm zu gelingen. Ob dieser Sinn macht, als seelische Spur seiner Taten, sei einmal dahingestellt, schließlich müsste auch dies auf dem Porträt, anstatt auf dem Gesicht, erscheinen. Für das Medium Film ist diese widersprüchlich scheinende Entscheidung jedoch ein wirksames Mittel, sich besser ins Gemüt der Titelfigur einfühlen zu können, deswegen heiße ich diesen Bruch gut. Zumal "The Picture of Dorian Gray" (Originaltitel) ein Horror-Drama mit Schwerpunkt Drama ist. Der Film ist weder gruselig, unheimlich, noch sonderlich spannungsgeladen ausgefallen. Sein Schwerpunkt ist die Dramaturgie des Stoffes, die Konsequenzen einer fehlerhaften Entscheidung, ähnlich dem Stoff "Der Student von Prag". Und ebenso wie dort, erscheint der übernatürliche Teil der Geschichte eher fantasy-artig, wird aber aufgrund des eigenen Kopfkinos des Protagonisten zu etwas derart Unheilvollem, zu einer Art inneren Hölle, dass man dennoch vom Genre des Horrorfilms sprechen kann.

Interessanter Weise geht es weniger um Jugendwahn, wie man heutzutage eine derartige Idee umsetzen würde, als viel mehr um die Dekadenz im Wohlstand, um die Arroganz der Gesellschaftsschichten und freilich auch um die Moral und an den Gottesglauben. Zwei Liebesgeschichten bereichern das emotionale Dilemma ungemein, die erste als Hindernis an die Wiederkehr zum Guten, auf weiblicher Seite erstaunlich wirksam besetzt, dass es einem das Herz zerreißt, wenn man von ihrem Schicksal erfährt. Die zweite als Gräueltat an einen guten Freund eingesetzt und schließlich als irrgläubiger Hoffnungspunkt der Wiedergutmachung. Sie sind somit beide die Schwerpunkte der jeweiligen Filmhälfte, empathisch inszeniert, um auch für den Zuschauer als Motor der kompletten Erzählung zu funktionieren. Die klassisch ausgefallene Synchronisation verzaubert den Film auch in der deutschen Version. Ein stimmiger Soundtrack und hübsch abgefilmte Bilder entführen einen ebenfalls in eine an sich märchenhafte Erzählung. Es ist ein bitteres Märchen für Erwachsene, gut versteckt immer wieder auch vom sexuellen Fluch des Menschen handelnd, von der guten und der bösen Seite in uns a la "Dr. Jekyll und Mr. Hyde", trotz seiner konsequenten Erzählung aber eher seicht daher kommend, so oder so aber überzeugend und packend erzählt. Lewins "Das Bildnis des Dorian Gray" schaut sich nostalgisch, ein wenig überholt und liebevoll zart dargeboten und ist dennoch ein ernstzunehmender Genre-Beitrag seiner Zeit, als Drama besser funktionierend, als Schauermär aber ebenfalls gut genug um von einem gelungenen Werk zu sprechen.  OFDb

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