13.04.2020

DÄNISCHE DELIKATESSEN (2003)

Ich hatte mir Anders Thomas Jensens Folgefilm "Adams Äpfel" seines Erfolges "Dänische Delikatessen" kürzlich zuerst angeguckt. Das hatte keinen besonderen Grund, aber nach Sichten der Geschichte um einen Neonazi in unfreiwilliger Kirchenobhut hätte ich aufgrund der überraschend sensiblen Umsetzung nie damit gerechnet, dass der mit mehr reißerischer und massentauglich klingender Geschichte versehene Vorgänger, um Metzger, die Menschenfleisch verkaufen, mit ähnlichen Stärken trumpfen würde. Zwar mixte sich auch der Nachfolger aus empathischer Dramaturgie und schwarzem, teilweise sehr hartem, Humor, dennoch überraschte mich das ebenso gelungene Ergebnis selbiger Zutaten in der Geschichte des hier besprochenen Streifens. Meiner Meinung nach ist "The Green Butchers" (Alternativtitel) sogar noch eine Spur sensibler angegangen, während er andererseits die entrückten Charaktere noch grotesker einzusetzen weiß, dies interessanter Weise nicht ohne durch sie ein Plädoyer für Andersartigkeit und Vielfältigkeit vorzuweisen.

Es liegt an der verständnisvollen Weise und dem ureigenen dänischen Grundton, dass es die Geschichte schafft die Figuren trotz ihrer Taten zu mögen und ihnen ein Happy End zu gönnen. Das verwundert umso mehr, da sich die Geschichte nicht mit Ausflüchten rettet. Es sterben nicht einmal Unsympathische durch die Hand der Protagonisten, um es dem Zuschauer leichter zu machen. Gleichzeitig entschuldigt Jensen im Gegensatz das Tun der Metzger nicht. Die Figuren sind wie sie sind, die Umstände ebenso, weder der gut funktionierende schwarze Humor, noch irgendwelche Manipulationen durch Musik, Schönreden oder anderweitiger Zutaten beeinflussen das gute Gefühl am Schluss. Trotz der bizarren und grotesken Elemente, strahlt "De grønne slagtere" (Originaltitel) eine Natürlichkeit aus, die einen an die Figuren und ihre Erlebnisse bindet. Jensen lässt uns an allem emotional teilhaben: das erschreckende und bemitleidenswerte Ende des armen, naiven Häuser-Hannes, die Verwirrung des introvertierten Svend und sein Glaube tun zu müssen, was er tut unter wirren, undurchdachten Ausreden, die feindliche Art Bjarnes seinem behinderten Bruder gegenüber (hervorragende Doppelrolle von Nikolaj Lie Kaas), sowie das Zurückkehren Astrids trotz allem Vorgefallenen.

"Dänische Delikatessen" strahlt ein oft unausgesprochenes Verständnis für seine Figuren aus. Jenseits echter Anwiderung nimmt man an diesem morbiden, entrückten Alltag der Beteiligten teil, nicht gut heißend was sie tun, auch nicht immer verstehend, sehr wohl aber die Gleichgültigkeit und innere Leere mitfühlend, die einiges erklärt, und wissend, dass das was wir hier erleben, auch nicht ihrem Alltag und ihren Vorstellungen vom Leben entspricht. Die Figuren in diesem Film sind keine schlechten Menschen, auch nicht der ehemalige Chef als Gegenspieler der Hauptfiguren, oder der Pfarrer, dessen skurile Geschichte, warum er einst zum Überleben ausgerechnet seine Frau anstatt wen anders Anwesenden nach einem Unglück verspeiste, rätselhaft bleibt, dies nie gleichgültig eingewoben, aber auch nie vertieft und nur zweckmäßig für die Geschichte und die Figurenzeichnung des Pfarrers eingebracht. "Dänische Delikatessen - Darf's ein bisschen mehr sein?" (Alternativtitel) zeigt gelegentlich eine Lethargie auf, die man nachempfinden kann, er fängt die Traurigkeit psychologischer Probleme ein, arbeitet zudem nie mit Moral oder Entschuldigungen, sondern atmet schlichtweg mündiges, emotionales und skurriles Kino, vereint zu einem gelungenen Genre-Mix mit tief gehenden, durchdachten Figuren. Vieles ist selbsterklärend und somit nur für ein Publikum gedacht, das mit derartigen Werken etwas anfangen kann. Man wird hier weder bei jeder Tat, noch bei jeder Entwicklung der Geschichte und der Figuren an die Hand genommen. Hier herrscht wahrlich der für unreflektierte Menschen einen Schritt zu weit gehende Appell für das Verständnis von Andersartigkeit, der im Folgefilm passend zum Thema Fremdenfeindlichkeit geradezu konsequent fortgesetzt wurde.  OFDb

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