27.06.2020

FANNY UND ALEXANDER (1982)

"Fanny und Alexander" ist ein hochgradig gut gespieltes Drama, eine vergangene Zeit ebenso realitätsnah einfangend, wie die zwischenmenschlichen Situationen, gerade in sensibel intimen Bereichen, die aufgrund ihrer Ehrlichkeit sehr authentisch anmuten. Bergman zeigt beide Lebenswelten der Kinder detailgetreu und intensiv und lässt dabei die Kinder in der ersten zu Randfiguren verkommen, so wie ihre Position, nicht frei von Liebe, ganz im Gegenteil, innerhalb der großen Familie ist. Der Regisseur fängt die Herzlichkeit der ersten Heimat ebenso gekonnt ein, wie die Kargheit und Bitterkeit der zweiten, äußerlich wie innerlich. Keck strotzt Alexander der Strenge des Stiefvaters, um ihr schließlich doch zu erliegen. Hier sollen biographische Einflüsse des begabten Künstlers mit einfließen. So gekonnt alles Präsentierte auch theoretisch angegangen ist, so habe ich doch trotzdem Probleme mit diesem Film, konnte ich mich doch nie wirklich komplett in ihn einfühlen und betrachte ich manche Herangehensweise doch äußerst kritisch. So wichtig das Vorleben der Kinder, samt Mutter, für den Kontrast dessen was folgt auch sein mag, ich finde es zu ausschweifend dargeboten. Es dauert zu lange, bis der Bischof ins Geschehen tritt.

Tut er dies endlich, wird uns das Leben bei ihm zu sprunghaft präsentiert. Der Kampf zwischen Alexander und dem Bischof kocht bereits hoch, bevor der Zuschauer die Konsequenzen der Grausamkeit des Stiefvaters erfährt. Zunächst lediglich konservativ streng und seelisch leer mutet das Leben dort unangenehm an, aber nicht in letzter Instanz unterdrückt. Dieser Eindruck folgt später, bezogen auf Alexanders Gegenwehr jedoch zu spät. Erschwerend kommt der Richtung Finale plötzlich auftauchende, esoterisch anmutende Aspekt hinzu, der sich nicht wirklich greifen lässt und mir seinen Mehrwert und Zweck nicht wirklich deutlich machen wollte. Mittlerweile habe ich jedoch erfahren, dass ich statt der 180 Minuten-Version die 305minütige hätte gucken sollen. Dort wird freilich die zu lange Phase der ersten Heimat nicht kürzer angegangen, anscheinend aber auch nicht wesentlich länger. Die Sprunghaftigkeit des neuen Heims soll behoben sein, und der esoterische Aspekt käme schleichender und geheimnisvoller vor. Nach dem Sichten der Produzenten-Fassung kann ich mir durchaus vorstellen, dass die Langfassung, Ingrid Bergmans Version, weit schlüssiger und flüssiger zu schauen ist. Die Intelligenz und Sensibilität des Stoffes lässt sich schließlich bereits in der dreistündigen Kurzversion deutlich erkennen. Verständlicher Weise werde ich nach der für mich mittelmäßigen Sichtung eines hochkarätigen Stoffes jedoch nicht so schnell zur vermeintlich besseren Fassung greifen. Da müssen schon einige Jahre ins Land gehen, um dieser eine Chance zu geben - wahrscheinlich animiert nach dem Sichten diverser gelungener Stoffe dieses Regisseurs, von dem ich bislang nur zwei Filme kenne.  OFDb

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