27.11.2021

SHE DIES TOMORROW (2020)

Vergleichbar mit "Pontypool", noch eher aber mit "Ein Kind zu töten", verbreitet sich in "She Dies Tomorrow" eine Epidemie über Worte. Stilistisch gehen alle drei Filme für die Umsetzung dieser Idee anders vor. Der stark auf Drama und ruhige Bilder setzende Film von Amy Seimetz zeigt uns die Verbreitung dieser ominösen Seuche Schritt für Schritt, von Kontakt zu Kontakt und setzt dabei auf derart hypnotisch langsame und belanglos scheinende Interaktionen und Ausbrüche, dass mit dieser Zurückhaltung definitiv ein verstörendes Szenario in Gang gesetzt wird. Der sehr zurückhaltende Arthouse-Stil lässt allerdings schnell vermuten, dass wir einem offenen Ende entgegen treten und der Zuschauer auf Sinnbildsuche gehen soll, anstatt tatsächliche Ereignisse im Fortschreiten der Handlung erwarten zu sollen. Das verwässert das handwerklich und schauspielerisch professionell angegangene Experiment jedoch, selbst wenn man sich zum Zielpublikum wähnt, weiß "She Dies Tomorrow" doch nicht ernsthaft intellektuell zu kitzeln, so dass die Wiederholung der Ereignisse den Erzählfluss zwischendurch leider verlangsamt, wenn auch nicht ausbremst. 

Zwar wissen überraschende, alternative Szenarien, die gekonnte Setzung von Szenenwechseln und der jeweilige Zeitpunkt des Einsetzens des zentral thematisierten Wahns zu glauben, man würde am nächsten Tag sterben, das Ergebnis stets interessant genug zu halten, um die Neugierde des Publikums zu wecken, während der sensible Umgang mit den Figuren einen an diese bindet (was zum Glück trotz der im Laufe der Zeit breiter werdenden Figurenschar stets funktioniert), trotzdem fühlt sich "She Dies Tomorrow" etwas zu gewollt und unbefriedigend an. Für meinen Geschmack hätte er entweder eine Spur weniger subtil ausfallen müssen oder emotionaler. Zwar besitzt die Erzählung ihre Kraft und Wirkung u.a. darin, dass die Betroffenen recht nüchtern mit ihrem Glauben an den nahen Tod umgehen, aber das hätte die Geschichte nicht davon abhalten dürfen etwas bedrohlicher oder tragischer auszufallen, und wenn dies nur über den Blick passiv Beteiligter entfacht worden wäre. Aber immerhin besitzt das unterschwellige Gefühl, welches der stets ruhig inszenierte Ausnahmefilm damit zu entfachen vermag, genügend Reiz, so dass ich nicht all zu streng mit einem sich etwas unfertig anfühlenden Film abschließe. Das liegt aber auch daran, dass sich die Figuren ebenso individuell anfühlen, wie die Berührungspunkte, die sie miteinander haben, und auch daran, dass selbst der Auslöser der Epidemie lediglich subtil angedeutet wird. Das Befassen mit der Natur des Phänomens und seinem Ursprung reizte mich beim Sichten tatsächlich mehr, als das sicherlich gewollte Spiel mit analytischen Gleichnissen zu unserer Gesellschaft. Letztendlich sieht man dem handwerklich anspruchsvollen Film an, dass er gern mehr sein möchte, als er schließlich geworden ist. Verstecken braucht er sich bei geringerem Ergebnis dennoch nicht, ist er doch trotzdem intelligent angegangen und umgesetzt. So oder so fordert er definitiv Geduld beim Zuschauer ein, so dass man sich den richtigen Tag für eine Sichtung auswählen sollte.  OFDb

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