28.11.2021

MARTHA MARCY MAY MARLENE (2011)

In sich gekehrt, gleichgültig, abweisend, aber definitiv verloren wirkend, wird Martha von ihrer älteren Schwester nach zwei untergetauchten Jahren aufgenommen. Ihre passive Art, an die nicht heranzukommen ist, wird gekonnt von Sean Durkin stilistisch vom Komplettfilm widergespiegelt, gibt er sich doch ebenso undurchsichtig. Sein erster Langfilm schaut sich aufgrund dieser Konsequenz und der stark subtilen Erzählweise, die fast ausschließlich von Andeutungen lebt, jedoch etwas arg schleppend, selbst wenn man geduldig, wohlwollend und neugierig an das Werk heran geht. Damit werden Stärken, die man andernorts gern öfter erleben würde, zu Schwächen. Das ist schade, ist doch gerade der Alltag der Sekte in seiner starken Zurückhaltung reizvoll dargestellt und zeigt die unterschwellige Macht, die eine scheinbar harmlose Sache ausüben kann. Abgesehen von einer dem Ritual schön geredeten Vergewaltigung, die sensibel und beängstigend eingefangen wird, anstatt reißerisch, wird ein relativ banaler Alltag der kleinen Kommune gezeigt, mit klarer Hirarchie versehen, obwohl oberflächlich so getan wird, als sei jeder gleichberechtigt dabei. 

Es wird simples Zeug nachgeplappert, sich einem Familiengesamtsinn hingegeben, all das reicht der Erzählung um das gefährliche Umfeld zu umschreiben. Und diese Zurückhaltung hilft bei dem erst spät einsetzenden Aspekt der Angst, man könne nach der erfolgreichen Flucht entdeckt und zurück geholt werden. Auch hier bleibt es bis zum Schluss bei Andeutungen. Hat die Kommune tatsächliches Interesse daran? Spielt sich die Verfolgung nur in Marthas Kopf ab? Die Jetzt-Zeit, die sich mit den Rückblicken abwechselt, zeigt den hoffnungslosen Kampf einer überforderten, da psychologisch nicht mit Cleverness versehenen, großen Schwester, die nicht weiß wie sie helfen kann und mit ihrer Bereitschaft es trotzdem zu tun ihre Ehe mit einem Geschäftsmann gefährdet, der nur zu einem gewissen Grad zu empathischem Handeln imstande ist. Dieser Erzählstrang befindet sich konsequent in einer Art Stillstand, immer wieder angereichert mit verstörenden Situationen, wie das selbstverständliche Dazustoßen Marthas während eines ehelichen Beischlafs. 

Erst recht spät erfahren wir, dass es auch zu kriminellen Geschehnissen innerhalb der Sekte kam, an denen Martha sich passiv agierend mit schuldig gemacht hat. Aus dem Vergehen irgendwo einzubrechen, um den Lebensstandard in der Kommune erhalten zu können, wird Mord, der dem Zweck entsprechend schön geredet wird, obwohl er sich fern jedweder Notwehr befand. Hiermit erlebt der Streifen seine lautesten, direktesten und oberflächlich gesehen ereignisreichsten Momente, was ihn interessanter Weise aber nicht aus seiner zu starken Lethargie reißt, sondern ihm im Gegenteil meiner Meinung nach ein wenig in seiner Glaubwürdigkeit schadet. Aber das ist definitiv Ansichtssache. Ebenso wie die Wirkung des Films auf mich, dessen Stimmung trotz interessanter Thematik und künstlerisch wertvoll angegangener Inszenierung nicht wirklich bei mir ankommen wollte. Es lag nicht am Fehlen einer Sympathiefigur, diesen Schritt finde ich richtig und gibt dem Szenario erst die nötige Energie das Problem vielschichtig angehen zu können. Letztendlich hatte ich den Eindruck, dass diese Art der Erzählung einfach einem Werk auf diese Lauflänge gesehen nicht gut tut und in einem Kurzfilm, der Bereich aus dem Sean Durkin stammt, besser aufgehoben gewesen wäre. 

"Martha Marcy May Marlene" gehört zu jener Art beeindruckender Film, die ich gern mehr mögen würde als ich es tue. Letztendlich empfand ich ihn eher als träge, anstatt als seelisch gewollt erdrückend. Aber ich freue mich für jeden Zuschauer, dem es anders erging und der mit diesem lobenswerten Projekt mehr anzufangen weiß als ich.  OFDb

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