20.10.2024

BLUTGERICHT IN TEXAS (1974)

Als es im Heimatort von Sallys Großvater zu Grabschändungen kommt, reist die Jugendliche gemeinsam mit ihren Freunden und ihrem Bruder Franklin vor Ort, um zu erfahren, ob auch Opas Grab betroffen ist. Hinterher machen sie Halt im heruntergekommenen Haus, in welchem sie als Geschwister viel Zeit verbracht haben. Zwei aus der Truppe suchen den See, den es in der Nähe geben soll und geraten stattdessen an ein weiteres abgelegenes Haus. In der Hoffnung dort auf Benzin zu stoßen, nachdem die Tankstelle vor Ort nichts mehr hatte, werden sie von einem bulligen Kerl niedergeschlagen und wie Schlachtvieh aufbewahrt und verarbeitet. Nachdem Sallys fester Freund auf der Suche nach den beiden, selbiges Schicksal erfährt, macht sie sich unwissend von den bisherigen Ereignissen zusammen mit Franklin in der Dunkelheit selbst auf die Suche nach den Vermissten. Während der arme Junge im Rollstuhl Opfer der Bestie wird, wird Sally von dem Irren mit einer Kettensäge verfolgt...

Arbeitslosigkeit und Astrologie...

Ich weiß noch wie wir als junge Jugendliche den damals in Deutschland beschlagnahmten Film im örtlichen Comicbuchladen aufgetrieben bekommen haben und, geil auf oberflächliche Schauwerte, total enttäuscht waren, dass es solche in dem sehr langsam erzählten Werk kaum zu entdecken gab. "Kettensägenmassaker" (Alternativtitel) ist ein Lehrstück darüber, wie man mit wenig sichtbarem Blutvergießen puren Terror verbreiten kann und gehört neben "The Last House on the Left" und "Hügel der blutigen Augen" zum Mitbegründer der sogenannten Terrorwelle, die der Vietnamkriegs-Generation realeren Schrecken anstatt Dracula und Co im Horror-Genre präsentierte. Pate für Leatherface, der noch so einige weitere Filme beschert bekommen sollte, war der Psychopath Ed Gein, dessen Störung zu den grausamsten Taten eines Massenmörders zählen, und auch als Vorlage für Werke wie "Deranged", "Psycho" und "Das Schweigen der Lämmer" diente. Hier wie dort wird nicht seine reale Geschichte erzählt, aber einige seiner Taten erschreckend wiedergegeben und dies von Autor, Produzent und Regisseur Tobe Hooper derart kalt und oftmals unerwartet plötzlich präsentiert, dass es nur völlig abgestumpfte Individuen kalt lassen kann. Entsprechend verstörend weiß dieses in dreckigen Bildern eingefangene Stück Kunstfilm noch heute zu funktionieren, wenn man sich auf das was er erzählt einlassen kann.

Wenige Jahre nach eben erwähnter Enttäuschung konnte ich das auch, erkannte in etlichen Sichtungen die satirischen Ansätze und manch psychologische Raffinesse, welche der nach Blut lechzende Gorehound oder der Möchtegern-Feingeist in dem Werk nicht zu erkennen weiß, geblendet von Gräueltaten, die nicht dem puren Voyeurismus dienen, wie letztgenannte Gruppierung gern behauptet. Wenn Sally nach einer Ohnmacht am Tisch einer kannibalischen Psychopathenfamilie erwacht, wird manch wenig aufgeschlossener Zuschauer von einer plumpen Szene berichten, die niedrigste Geschmäcker befriedigt. Stattdessen lässt uns Hooper ungeschönt in drei verschieden gestörte Gesichter blicken, deren Psyche zwischen kindlich und bestialisch pendeln und fern jeder meist üblichen Filmcharakterisierung für die Empfänglichkeit und Identifikation für das Publikum nicht zurechtgerückt wurden. Was an dem Tisch abgeht, ist Terror pur, noch bevor der Großvater für besonders ungeschönten schwarzen Humor mit ins Spiel kommen darf. "Die Bestie mit der Ledermaske" (Alternativtitel) ist weder Grusel noch Splatter, und sein psychologisches Spiel zeigt sich nicht im üblichen Gewand des subtil daher kommenden, psychologisch orientierten Horrorfilms, für den sich auch Horror-fremde Cineasten interessiert bekommen. Es ist die direkte, ungeschönte Art mit welcher der frei von phantastischen Elementen erzählte "The Texas Chainsaw Massacre" (Originaltitel) Teil dieses Genre wird, einer anderen Art des Psycho-Horrors angehörend.

Ich habe "Leatherface" (Alternativtitel, den auch die zweite Fortsetzung und ein Beitrag dieser Marke von 2017 trägt) schon mehrere Male gesichtet, bislang jedoch nie im Originalton und auf der großen Kinoleinwand, und genau dies durfte ich vor einigen Tagen nachholen. Und ich muss als Kenner dieses oftmals unterschätzten Werkes sagen, dass er auf diese Art noch intensiver wirkt, als ohnehin schon. Was hier Ton und Bild in der Lage sind zu verursachen, wenn wir mit plötzlich auftretenden Grausamkeiten inmitten einer ruhig erzählten, naiv scheinenden Chose konfrontiert werden, ist phänomenal und weiß einen selbst dann zu erschrecken und zu verstören, wenn man weiß was gleich passiert. Die Stimmen sind weniger comicartig ausgefallen, als in der Deutschvertonung, womit auch der trockene Humor des Familienkochs weit ernster, nüchterner und bedrohlicher herüberkommt, als in der zu albernen Betonung in der Synchronfassung. Auch die Vorphase der Geschichte wirkt in ihrer trockenen Art in der Kinoatmosphäre intensiver, gerade wenn es um mangelnde Bildung zu den Themen Astrologie und Arbeitslosigkeit geht, um die Angst Franklins eventuell verfolgt zu werden und um das Thema der Tierschlachtung im Wandel der Zeit. Das Mitgefühl für Schlachtvieh hielt sich in der damaligen Mentalität noch in Grenzen. Der Mangel an Empathie, den man heutzutage meint diesbezüglich festzustellen, trifft auf das komplette Fehlen von Empathie und Mitgefühl in Gestalt der Gestörten.

Dass der nüchtern und gnadenlos erzählte "Das Texas Kettensägen-Massaker" (Alternativtitel) nicht frei von Empathie ist, und somit kein fragwürdiges Werk bezüglich der Würde des Menschen ist, wie ihm zum Verbot in Deutschland führend angekreidet wurde, zeigt er allein in jener genialen, subtil dargebotenen Sequenz, in welcher er sich dem Gefühlsleben von Leatherface nähert, der nicht nur debil wie ein zurückgebliebenes, gefühlskaltes Kind anmutet, sondern auch entsprechend ängstlich und verstört reagiert, wenn zum wiederholten Male ein Fremder in sein trautes Heim eindringt, in welchem er sich (unüblich wie wir erst später erfahren) alleine aufhält. Dieser Moment wird für jene, die ihn nicht von selbst erkennen, nicht noch einmal als solcher benannt und verdeutlicht, eine Methode die in mündigen Filmen häufig vorzufinden ist und von Moralisten und anderweitigen dümmlichen und verurteilenden Gruppierungen deswegen nicht erkannt werden kann. Mit heutigen Sehgewohnheiten schaut sich "Kettensägen-Massaker - The Texas Chain Saw Massacre" (Alternativtitel) langsamer, wiederholend, monoton, nüchtern, sowie blut- und dialogarm, sein Terror lässt jedoch das Blut in den Adern gefrieren, ein Zustand, den bluttriefende Genre-Beiträge der Moderne, in ihrem versimpelten Anliegen nach purer Unterhaltung, nicht hinbekommen. Von den bislang weiteren acht Filmen der Reihe, zu der "Massacre" (Alternativtitel), anfangs von Hooper selbst, ausgeweitet wurde, versuchte nie wieder wer das Ganze so blutarm zu erzählen, wie hier geschehen. Jede Fortsetzung, das Remake und jede Vorgeschichte setzt auf viel Blut und erntet ironischer Weise damit weniger harte Bilder und weniger schockierte Zuschauer, als es das Original zu leisten imstande war und noch immer ist.  Wiki

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