In der Zukunft wird die Gesellschaft unter Drogen gesetzt, um Gefühle
zu verhindern, die als Ursache vergangener Kriege angesehen werden. Wer
die Droge absetzt und fühlt, wird getötet, Material, welches Gefühle
fördert, wird zerstört. Sogenannte Kleriker stöbern
Gesellschaftsverräter auf. Kleriker Preston lässt eines Tages seine
Dosis Drogen aus und beginnt zu fühlen...
Spocks Welt ohne Logik...
Spocks Welt ohne Logik...
War es in „1984“ die Privatsphäre, in „Fahrenheit 451“ die Bücher, oder in „Gattaca“ die natürlichen Gene, so sind es in „Equilibrium“ die Gefühle, welche von einem bösen Staat der Zukunft unterdrückt, ja sogar verboten werden. So handelt ein unter Drogen stehendes Volk laut Geschichte frei von Gefühlen, doch diese Idee haute bereits bei Spock in „Raumschiff Enterprise“ nicht komplett ohne Ungereimtheiten hin, deren Großteil man immerhin aufzufangen schaffte, durch die menschliche Seite des Spitzohrs, die dieser stets versuchte zu unterdrücken.
Mit einer solchen Ausrede kann in „Equilibrium“ nicht getrickst werden, und so steht die Logik des Streifens auf wackeligem Boden. Da wird nicht gelacht, geliebt, geweint, dennoch spürt man den Drang zur Fortpflanzung, wird misstrauisch anderen Menschen gegenüber, schreit sich an, beschützt seine Kinder... irgend etwas stimmt da nicht. Es ist das Glück des Zuschauers, dass der Streifen zum Ausgleich auf der Gefühls- und Actionebene zu funktionieren weiß, so dass er im Gesamteindruck trotzdem über dem Durchschnitt steht. Dennoch wäre „Equilibrium“ erst dann wirklich großes Popkorn-Kino a la „Matrix“, wenn er in seiner Grundidee nicht ständig Unlogiken in Kauf nehmen würde.
Den Vergleich zu „Matrix“ visierte man an. Christian Bale sieht als Preston aus wie ein Neo-Klon aus besagtem Vergleichswerk, die Schusswaffentechnik der Kleriker weist deutliche Parallelen zu den Kampfsequenzen besagten Streifens auf, welche 1999, wir erinnern uns, durch eine neue Tricktechnik überhaupt erst umzusetzen war. Der Übereinstimmungen gibt es somit genug, dennoch gibt es einen Science Fiction-Beitrag der „Equilibrium“ inhaltlich viel näher steht, und das ist der oben erwähnte „Fahrenheit 451“, in welchem es ebenfalls ein Verbot gab, das mit der Ethik von heute nicht zu vereinen ist.
Es gab Gesetzeshüter die das Einhalten der Regeln kontrollierten und die verbotenen Waren vernichteten. Hier wie dort wandte sich der vom System überzeugte Vorzeigebürger irgendwann gegen das Gesetz und trat dem Untergrund bei. Auch ein Blick auf „Flucht ins 23. Jahrhundert“ macht Sinn, in welchem ein Jäger eines fragwürdigen Regimes zum Gejagten wird.
Ähnlich wie „Die Insel“ ist „Equilibrium“ damit nichts einzigartiges, sondern orientiert sich an allerhand cineastischen Vorbildern. Legitim ist das durchaus, ist der hier besprochene Film durch seine moderne Inszenierung doch schon gar nicht mehr mit den Vorbildern, die meist aus den 70er Jahren stammen, zu vergleichen. Flott und trotzdem pessimistisch kommt er daher, im Mittelpunkt ein engagierter Hauptdarsteller, und trotz aller Action fehlt nie der Bezug zur Dramatik, der „Equilibrium“ erst endgültig zum angenehmen Filmerlebnis werden lässt, wenn auch leider nur zu jener Art, bei welcher der Kopf ausgeschaltet bleiben muss. Schade!
Kennt man sich im Science-Fiction-Genre aus, gibt es relativ wenige Überraschungen zu erleben. Letztendlich arbeitet der Film brav seine Story ab. Aber das verzeiht man ihm, ist das Szenario dieser schrecklichen Zukunftswelt doch interessant genug, um auch auf ausgelatschten Pfaden der Handlung zu folgen. Leute, die lediglich modernes Kino konsumieren, werden besonders viel Spaß erleben, da sie die Vergleichsfilme nicht kennen.
Leider muss mal wieder, wie so oft in US-amerikanischen Produkten, die deutsche Vergangenheit als Vergleich des bösen Zukunftsstaates herhalten. Dies ist um so ärgerlicher, als dass die USA ihre ganz eigenen vergleichbaren Vergangenheitsverbrechen zu bieten haben. Da der Film freilich auch die Unfreiheiten des eigenen Landes kritisiert, macht der Blick auf Deutschland um so weniger Sinn. Letztendlich bleibt „Equilibrium“ aber ohnehin immer Unterhaltungsfilm und wird nie zu einer scharfzüngigen Aufforderung zur Revolte, wie es beispielsweise der sehr mutige „V wie Vendetta“ war.
Seine besten Momente hat Kurt Wimmers Streifen immer dann, wenn Preston Gefühlskälte spielen muss, während um ihn herum unmenschliche Taten begangen werden. Ebenso hervorragend zu nennen ist der Gedanke einer sich gegenseitig ausspionierenden Gesellschaft, in welcher selbst der Sohn dem Vater nicht traut. Trotz des hohen Tempos lässt sich der Film stets genügend Zeit für die Entwicklung seiner Geschichte, was erst gegen Ende einen Bruch erfährt, bei welchem man sich schon fragen darf, wie leicht es ist ins Zentrum des politischen Systems zu gelangen. Hier krankt der Streifen an den selben Elementen wie der Schluss von „Surrogates“. Andererseits darf man sich über eine solche Unsinnigkeit schon nicht mehr wundern, wenn der Film doch während seiner kompletten Laufzeit immer wieder militante Polizisten zeigt, die keinerlei Schutzkleidung im Einsatz tragen und immer wieder durch simple Pistolenschüsse außer Gefecht zu setzen sind.
Aber damit lande ich wieder bei der bereits zu Anfang angekreideten Unlogik des Werkes, die, wie man sieht, leider nicht nur in der fehlerhaften Emotionslosigkeit zu finden ist. Dass der Film trotz all seiner Minuspunkte so gut zu funktionieren weiß, verdankt er seinen stilistischen Bildern, Hauptdarsteller Bale, der Nähe zur Hauptfigur und der sympathischen Geschichte. Dass man Kurt Wimmer eher nicht zu danken hat, lässt ein Blick auf sein Folgewerk „Ultraviolet“ vermuten, das ähnlich stylisch-cool daherkommen wollte und zum reinen Kindergarten-Kasperletheater mutiert ist. Auch wenn „Equilibrium“ nie das Niveau von „Matrix“ erreicht, von dem Desaster eines „Ultraviolet“ ist er weit entfernt. OFDb
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