17.01.2013

BLUEPRINT (2003)

Eine junge Frau steckt in einer Identitätskriese nachdem sie herausfindet, dass sie nicht das Kind ihrer Mutter ist, sondern das Produkt eines illegalen Klonprozesses...

Eigenständige Blaupause...
 
Das klassische deutsche Kino, sprich jenes, dass sich nicht vom amerikanischen Stil beeinflussen lässt, ist bekannt für seine Zurückhaltung, für die vom Zuschauer abgeforderte Kraft mitzudenken und für seine poetischen und philosophischen Vertiefungen.

„Blueprint“ ist meiner Meinung nach das moderne Paradebeispiel eines solchen Filmes, auch wenn Titel und die englische Musik in Vor- und Abspann nicht darauf hindeuten. „Blueprint“ strahlt soviel Ruhe und Vertrauen in die eigene Geschichte aus, dass der Gedanke weh tut, sich vorzustellen, wie das Produkt wohl unter US-Einfluss ausgesehen hätte. Selbst wenn es dort ebenfalls als Drama umgesetzt worden wäre, kann man z.B. dank des Vergleiches von „Requiem“ zu „Der Exorzismus von Emily Rose“ ungefähr ableiten, mit welch aufgesetzten Elementen der Streifen dort verwurstet worden wären.

„Blueprint“ aber, Gott sei Dank in deutscher Hand, braucht keine Manipulationen, verlässt sich auf die Schlichtheit der vorgegebenen Geschichte, die sehr wohl ohne künstliche Aufputschmittel zu schocken weiß. Natürlich nur wenn man mit Köpfchen mitguckt und auch mal zwischen den Zeilen lesen kann. Lobenswert ist z.B., dass die Welt der nahen Zukunft nicht gravierend anders aussieht als unsere Gegenwart. Kleinigkeiten am Rande, wie der Daumenabdrucktüröffner a la „Zurück in die Zukunft 2“, erinnern den Zuschauer zwischendurch immer mal an die späte Spielzeit, das war es dann aber auch schon.

Der Film hat zwei Handlungsstränge, einen in der ganz nahen Zukunft, der andere rund 20 Jahre später angelegt. Die Geschichte beginnt in der Zukunft, das Verhalten der Hauptfigur wird über das Vergangene erklärt, mehr noch, langsam entpuzzelt. Wer von der Geschichte beim ersten Sichten gar nichts weiß, erlebt bereits den ersten Schockeffekt ziemlich zu Beginn, wenn die Protagonistin einen Bildanruf von einer Frau erhält, die aussieht wie sie selbst, nur wesentlich älter.

Doch solche leicht reißerischen Gimmicks werden in „Blueprint“ nur selten angewendet. Die meisten Schocks finden sich im Sozialverhalten der Pianistin. Die gefühlskalte und egomanische Frau erlebt man als solche recht früh. Das macht die Erziehungssituation so interessant. Ihr kleiner Klon himmelt sie an. Ständig bewegt sich das Werk parallel zwischen der Bewusstseinsebene wie das Kind seine „Mutter“ sieht und wie der Zuschauer die Mutter sieht. Dass aus ersterem irgendwann zweites wird, programmiert eine Katastrophe voraus.

Wenn es zum großen emotionalen Knall zwischen Mutter und Klon kommt, ist „Blueprint“ geradezu elektrisch geladen, erfreut aber auch in dieser Phase mit Zurückhaltung. Der „Krieg“ des Klons, der nun weiß, dass er einer ist, gegenüber seines Originals, findet auf typisch pubertären Wege statt. Letztendlich versucht Siri, so ihr Name, ihre eigene Persönlichkeit zu finden, wohl der Kernpunkt des Gesamtfilmes. Im Prinzip begleitet man die ältere Siri auf Spielfilmlänge dabei, wie sie über sich selbst erfährt, dass sie kein Abziehbild ihres Originals ist.

Da muss es einen auch nicht wundern, wenn das Werk nun nicht mit einem überraschenden Feuerwerk endet. Im Gegenteil, eigentlich geschieht gegen Ende das was man erwartet, und „Blueprint“ schließt leise, während er im Zuschauer selbst noch immer seine emotionale Stärke entlädt, schließlich lassen einen solche Erlebnisse nicht mit dem Erscheinen des Abspanns los, auch wenn es nicht selbstgelebte Ereignisse sind.

Ein großes Lob kann man an Franka Potente richten, die eine Doppelrolle zu meistern hat, wie sie an schauspielerischer Herausforderung nicht interessanter sein könnte. Sie musste zwei Figuren sowohl völlig unterschiedlich als auch gleichzeitig recht ähnlich gestalten. Sie musste verschiedene Alter verkörpern können und stets den Balanceakt leisten, nicht ins lächerliche abzurutschen. Dies ist ihr meiner Meinung nach alles gelungen, begleitet von einer guten Besetzungsagentur, die es schaffte auch glaubhafte und talentierte Kinder zu finden, die Siri in dem Alter spielten, in denen Potente selbstverständlich zu alt war dies selbst übernehmen zu können.

Maske und Spezialeffekte steuern zum Erhalt dieses Bildes den Rest bei. Auch hier kommt das deutsche Rezept „weniger ist mehr“ zum Einsatz. Die Maske ist unaufdringlich, Potente als das Original wirkt so echt wie Potente als Klon. Und die Effekte mit beiden Rollen Frankas im Bild sind sehr simpel umgesetzt. Niemand versucht hier auf dem neuesten Stand der Dinge zu sein und mit etwas anzugeben, dass es zuvor nicht gab.

Man verlässt sich auf erfahrene Methoden, macht nicht einmal den Eindruck in solchen Szenen nun zeigen zu wollen, wie toll die Umsetzung gelungen ist. Im Gegenteil, in solchen Szenen vergisst man, dass hier getrickst werden musste. Man sucht weder ein fehlgeschlagenes Hinterkopf-Double, noch eine Schnittstelle im Bild, man ist viel zu sehr von der Geschichte gefesselt.

Natürlich ist „Blueprint“ ein eher nüchternes Werk, eben weil es komplett auf irgendeine Form von vordergründiger Aktion verzichtet. Von Vor- und Abspann einmal abgesehen, besteht zudem der komplette Soundtrack nur aus Klaviermusik. Das kitzelt die passenden Emotionen hoch, wird Menschen, denen solches Kino fremd ist, allerdings wohl eher eine ernüchternde statt einer nüchternen Atmosphäre bescheren.

Wer nur im Amerikakino zu Hause ist, auch im Dramenbereich, wird keine Freude mit „Blueprint“ haben, eben weil der Film die Emotionen des Zuschauers nicht mit unnötigen Elementen manipuliert, so wie es deutsche Privatfernsehnachrichten und reguläre US-Dramen praktizieren. Wer von Propaganda und falschen Gefühlen noch nicht komplett vergiftet wurde, wird in „Blueprint“ ein großes Kinoevent entdecken.  OFDb

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