Ben, der seit seine Freundin mit ihm Schluss gemacht hat an
Schlaflosigkeit leidet, arbeitet nachts in einem Supermarkt. Er findet
heraus, dass er die Welt anhalten kann und beginnt Menschen in diesem
starren Zustand zu zeichnen. Nebenbei verguckt er sich in seine
Mitarbeiterin Sharon...
Für einen Augenblick oder mehr...
Nachdem „Clockstoppers“ die grandiose Idee des Zeitanhaltens für billige, wenn auch kurzweilige, Popkornunterhaltung verschenkte (und die Zeit dort eigentlich nur stark verlangsamt wurde), versucht sich nun „Cashback“ an dieser Grundlage. Ihr wird in der Praxis nicht ganz so viel Aufmerksamkeit geschenkt wie man vermuten könnte, dennoch ist sie das zentrale Thema. Im Gegensatz zu der eben erwähnten US-Actionkomödie geht man bei „Cashback“ philosophisch und poetisch an das Thema heran. Wie unsere Hauptrolle die Zeit anhält wird nie ganz klar, die Off-Kommentare geben uns nur Denkanstöße.
Im Gegensatz zu der Kurzfilm-Version geht es im gleichnamigen Langfilm um die Liebe. Von der wird sensibel und erfreulich unkitschig erzählt. Die Hauptfigur, die anbei sehr gut besetzt wurde, erinnert in seiner Charakterzeichnung etwas an Amelie aus „Die fabelhafte Welt der Amelie“. Allerdings nehmen die Phantastereien unseres feinfühligen Helden in „Cashback“ mit der Möglichkeit des Zeitanhaltens Gestalt an, während Amelie lediglich ein alternatives Leben in der realen Welt führt.
Der Humor kommt in diesem Werk nicht zu kurz. Er erstaunt immer wieder mit schrägen Ideen, unterstützt durch ebenso schräge Figuren. Diese wirken trotz ihrer Extreme und ihrer comichaften Erscheinung realistisch. Solche Leute gibt es wirklich. Sie wirken nur deshalb übertrieben, weil sie in dem Kaufhaus alle aufeinander treffen. So viele schräge Charaktere auf so engem Raum sind arg zufällig. Das gibt dem Film allerdings keinen Abbruch, dieser Zufall macht ihn überhaupt erst so liebenswert.
In einer Szene baute man etwas in die Story ein, das ich, wäre das Hauptaugenmerk nicht auf die Liebesgeschichte gerichtet, gerne noch mehr vertieft gesehen hätte. Ben bemerkt, dass er nicht der einzige ist, der in der angehaltenen Zeit existiert. Diese kurze Szene hat ein ungeheures Spannungspotential. Wieder einmal lässt sich vermuten wie genial sich das Thema auch im Horrorbereich verarbeiten ließe.
Regisseur Ellis belässt es bei dieser einen Szene, man soll nicht zu viel wissen. Auch hier will er wieder zum Phantasieren anregen. Er will nicht nur die Geschichte eines Träumers zeigen, er will uns dazu verführen selbst einer zu werden. Er will, dass wir mit seiner Idee gedanklich weiter spielen, auch wenn der Film selbst längst aus ist. Dies erkennt man gerade auch an der Schluss-Szene. Es bleibt dem Zuschauer überlassen sich die verschiedenen Alternativen vorzustellen. Ein romantischer Kuss in der angehaltenen Zeit! Wie könnte es weiter gehen? Sie ist, trotz ihrer romantischen Veranlagung, immerhin eher ein Realist. Verbringen beide nun längere Zeit in der Bewegungslosigkeit der Welt? Wird es der eroberten Frau bei klarem Verstand vielleicht doch etwas zu unheimlich? Bleibt es ihre einzige, kurze, gemeinsame Zuflucht in die angehaltene Zeit? Das bleibt dem Zuschauer alles selbst überlassen.
Obwohl die Langversion von „Cashback“ manchmal gekünstelt gestreckt wirkt (z.B. durch das Fußballspiel), wird es doch niemals langweilig. Der gelungene Mix aus feinfühligem, oft schrägen Humor, der Romantik, der Tragik und der phantastischen Elemente, sorgen für ein tolles Filmerlebnis.
Allerdings konnte ich persönlich nicht so ganz in die doch sehr poetisch gewollte Welt seelebaumelnd eintauchen, so wie ich es bei „Donnie Darko“, „Die Royal Tenenbaums“ oder bei „Die fabelhafte Welt der Amelie“ konnte. Irgend etwas sorgte dafür, dass ich in diesem Punkt „Cashback“ zu theoretisch guckte. Ich weiß nicht ob er bei mir die falschen Knöpfe drückte, oder ob es ein Manko am Film selber war. Die Worte aus dem Off klingen wunderbar, die Liebesgeschichte und der dafür wichtige Cast sind auch gelungen. Richtig hineinträumen konnte ich mich in „Cashback“ trotz alledem nicht. Komisch...
Außerdem gibt es zwei Punkte, zu denen ich gerne mehr Informationen gehabt hätte. Warum z.B. konnte Ben die Zeit nicht anhalten, als er die Liebe zu Sharon entdeckte? Wenn es direkt mit ihr oder dem Gefühl zu tun hätte, könnte er sie am Ende nicht mit in die angehaltene Zeit hinein nehmen. Was war also der Auslöser?
Der zweite Punkt sind die Materialien in der angehaltenen Zeit. Die Getränkeflasche bleibt in der Luft stehen, eben weil die Zeit angehalten ist. Die Dose, die Ben aus dem Automaten zieht, bewegt sich jedoch. Geht man davon aus, dass all jenes das mit Ben in Berührung kommt von ihm beeinflusst wird (Bemerkbar durch seine Anziehsachen am Leib, die sich mit seinen Bewegungen verformen wie sie es sonst nun mal auch tun, auch bemerkbar durch den Kuss während des Zeitanhaltens, um Sharon mit hinüber zu nehmen), warum erwachten dann nicht auch die Frauen im Supermarkt bei den Berührungen Bens, wenn er sie an- und auszog?
Auch der Zeitpunkt des äußeren Einflusses Bens dürfte keine Rolle spielen. Er küsst Sharon zwar während er die Zeit anhält, um sie mit herüber zu nehmen, die Dose im Getränkeautomat aktiviert er jedoch mitten in der angehaltenen Zeit. Das sind Widersprüche, die man entweder hätte entfernen müssen oder durch eine Erklärung (praktisch oder poetisch) hätte auflösen können.
Das Poetische in „Cashback“ hat Vorrang zum Philosophischen. Letzterem wird zwar auch intensiv nachgegangen, aber die Thematik hätte noch mehr Raum dafür zugelassen. Hier wurden die Möglichkeiten nicht vollends ausgeschöpft. Dennoch ist „Cashback“, der schon in der Erklärung seines Titels zu gefallen weiß, intelligentes Kino fürs Herz. Er ist ein kleiner Geheimtipp für Cineasten, ein kleiner Diamant, der allerdings noch etwas geschliffen werden müsste, um mit vergleichbaren Werken mithalten zu können. OFDb
Ein wunderschöner und ruhig erzählter Film mit tollem Soundtrack und gut agierenden Darstellern. Ich habe mir nichts erwartet und viel bekommen. Den habe ich definitiv nicht zum letzten mal gesehen.
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