Auf die Geschichte von Creeds unehelichen Sohn, der wie sein Vater Boxer werden möchte, hat wohl kaum wer gewartet. „Rocky 6“ war sowohl inhaltlich, als auch vom Retro-Charme her ein überraschend gelungener Abschluss einer einem ans Herz gewachsenen Reihe, und da klang die Idee diese mittels eines Spin-Offs fortzusetzen, in welchem Rocky Balboa zur Nebenfigur eingesetzt wird, nicht gerade einladend. Aber was soll man sagen? Auch wenn „Creed“ zunächst einmal unnötig klingt, so ist er doch trotzdem ein sehenswerter Beitrag der Reihe geworden, Teil 1 zwar ähnlich wie „Das Erwachen der Macht“ ein wenig zu sehr imitierend, aber doch sympathisch genug umgesetzt, um ihm dies zu verzeihen.
Wie bereits im für Teil 6 in wichtigen Punkten ignorierten „Rocky 5“, so darf Balboa nun erneut einen jungen Boxer trainieren, kopiert dabei aber nicht die Geschichte des etwas zu Klischee-lastig ausgefallenen Vater-Sohn-Dramas, sondern setzt mit anderen Schwerpunkten versehen überraschend glaubwürdig die Geschichte des direkten Vorgängers „Rocky 6" fort. Adonis ist wie Rocky in seinem ersten Film zunächst nicht wirklich sympathisch zu nennen, aber hier wie dort schließen wir ihn in unser Herz, eben weil wir ihn im Laufe der Zeit näher kennen lernen dürfen, und damit befolgen die Verantwortlichen für „Creed“ die wichtigste Regel der Reihe: das persönliche Drama der Protagonisten steht über den Geschehnissen rund um den Kampfsport. Es geht um Persönlichkeiten, um Charaktere und nicht um seelenlose Kampfmaschinen oder hohle Figuren in menschlichen Hüllen.
Zwar fällt es auf dass es Hollywood verlernt hat seine Helden natürlich zeichnen zu können, Adonis wirkt weniger authentisch als der junge Rocky, aber die Geschichte lenkt von diesen Aspekt gut ab, zumal die Art wie Creed charakterisiert wird sich glaubwürdig der Geschichte fügt - ein Zustand den man damals nicht einmal hätte erwähnen müssen, der im heutigen Kino aber nicht mehr selbstverständlich ist. Zudem steht ihm Rocky stärkend zur Seite, und dessen Präsenz ist weit größer ausgefallen, als ich es in einem Spin-Off vermutet hätte. Zwar tritt Rocky zu Gunsten Creeds in den Hintergrund, aber seiner Geschichte wird fast ebenso viel Beachtung geschenkt, wie jener von Adonis.
Sylvester Stallone kann die Rolle, die ihn einst berühmt machte, im Schlaf spielen und beeindruckt mit dieser Performance immer wieder. Seine Interpretation des mittlerweile über sieben Filme wachsenden Charakters ist der Erfolgsschlüssel dazu, den Helden noch so Klischee strotzende Geschichten durchschreiten zu lassen, am Ende tritt er wie in seinen Kämpfen als Sieger hervor, insofern als dass er selbst inmitten von Unglaubwürdigkeit wie ein greifbarer, echter Mensch wirkt. Die Thematisierung seines Krebsleidens in diesem Teil 7 hätte schnell als theatralisches Dramen-Klischee fehlzünden können, aber es ist die uns mittlerweile stark bekannte innere Orientierung der Rocky-Figur, die solch ein unbequem klingendes Thema zu einem interessanten und emotional nachvollziehbarem Stück Rocky-Biographie macht, ohne dabei einen bitteren Nachgeschmack zu versprühen.
„Creed“ ist versehen mit Anspielungen auf die Vorgänger, manches Mal augenzwinkernd gemeint, manches Mal wehmütig, so dass es auch Ryan Coogles Werk schafft, den Zuschauer nostalgisch zu packen, den Kopf darüber zu schütteln wieviel Zeit doch seit damals vergangen ist, und über all die Charaktere nachzudenken, die im Laufe der Fortsetzungen ihr Leben lassen mussten. Denn genau dies ist kein Nebenaspekt in „Creed“, durch die Figur des Sohnes Apollos gedenkt der Film bewusst den Verstorbenen, begleitet von Gedanken an Adrian, Pauly und Co, die trotz ihres Fernbleibens noch immer das Handeln Rockys, und damit die Handlung des Filmes, beeinflussen.
„Creed“ sieht sich aufgrund der Rückbesinnung auf liebgewonnene Menschen, die nicht mehr unter uns weilen, als Plädoyer davor, dass nicht nur die biologische Familie Familie ist. Es ist der gemeinsame Lebensweg der einen verbrüdern kann. Und wenn auf einem solchen fußend überraschend an Deine Tür geklopft wird, um Familienrechte einzufordern, dann ist Dein Charakter gefragt. Und Rocky war schon immer das Spiegelbild des Zuschauergewissens. Die „Rocky“-Reihe lehrte uns stets das Richtige zu tun, ohne seine Moral dabei zu bitter oder zu streng zu vermitteln. Rocky beweist in „Creed“ (vielleicht ein letztes Mal) Menschlichkeit. Hilfsbereitschaft hört auch im Alter nicht auf, selbst dann wenn man selbst hilfsbedürftig geworden ist. Und „Creed“ zeigt dass diese Pflicht etwas sehr Schönes sein kann. OFDb
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