Ende der 60er Jahre gab es inmitten einer Welle (kommender) großartiger Science Fiction-Filme den nicht ganz zu Unrecht etwas untergegangenen „Unfall im Weltraum“, der von einer parallelen Erde auf der anderen Seite der Sonne erzählte und von einer Weltraum-Crew, die sich auf die Reise zu diesem macht. Auch hier entdeckt man, dass der Planet weit mehr als nur ein erdähnlicher Himmelskörper ist. Wer auf der Erde lebt, lebt auch auf der Parallelerde. In den 60er Jahren wurde diese Thematik wissenschaftlich noch weitaus naiver umgesetzt, als dies in einem Film von heute geschehen würde, dennoch sei gesagt, dass auch „Another Earth“, der auf eine ähnliche Idee aufbaut, wissenschaftlich nicht weit weniger naiv ausgefallen ist. Zu glauben eine parallele Erde könne sich der unseren nähern, schließt jene Logik aus, dass eine parallele Erde zudem ein paralleles Universum besitzen müsste, damit dort wie hier selbiges geschehen kann, um die selben Menschen, Länder, Kulturen, etc dort entstehen lassen zu können. Wie sollen Dinosaurier aussterben, wenn nicht im selben Augenblick wie auf der Erde ein Komet niederging, um deren Existenz ein Ende zu setzen?
Dass es sich bei „Another Earth“ trotzdem um ein hochrangig geglücktes Stück Kinofilm handelt, liegt daran, dass er sich kaum um wissenschaftliche Logik schert, sondern den Ausgangspunkt einer am Himmel erscheinenden Parallelerde dafür nutzt um über diesen Zustand und den Ist-Zustand einzelner Menschen im Hier und Jetzt zu philosophieren. Glücklicher Weise darf man Entwarnung geben, dass im Gegenzug kein esoterischer Fantasyfilm entstanden ist. Die Wahrheit über Erde 2 erfahren wir nie, es bleibt stets nur bei halb bewiesenen Vermutungen, die auch nur am Rande durchschimmern, während die Autoren Mike Cahill (auch Regie) und Brit Marling (auch Hauptrolle) sich hauptsächlich auf den dramatischen Aspekt der Science Fiction-freien Ausgangslage der Geschichte konzentrieren. Wie gehen beide Parteien eines Unglücks mit diesem um? Wie kann man als Verursacher eines tödlichen Unfalls weiterleben? Kann man sich verzeihen? Ist es Unrecht dem einzig Überlebenden besagten Unfalls hilfreich zur Seite zu stehen, ohne sich als Verursacher der Tragödie zu erkennen zu geben? Was würde man tun, wenn man demjenigen gegenüber steht, der einem familiäres Glück und eine zufriedene Zukunft raubte?
Immer wieder liest man im Netz unsinnige Worte von Usern darüber, dass der Film mit dieser dramatischen Geschichte den Aspekt einer zweiten Erde nicht nötig gehabt hätte. Es ist traurig wie viele Menschen „Another Earth“ nicht verstanden haben, denn die Wichtigkeit im Gedankenspiel um Schuld, Unschuld, alternative Leben, Fluchtmöglichkeiten oder dem womöglichen Gefangensein in einem Schicksal-bestimmten Spiegelbild sind alles wichtige philosophische Aspekte des Streifens, die ohne das Vorhandensein der auftauchenden zweiten Erde nicht in dieser Art hätten thematisiert werden können. Sicherlich steht dieser Science Fiction-Aspekt ebenso wie besagtes Genre nur am Rand der äußeren Geschehnisse der Geschichte, aber der analytische Teil, der nicht erst parallel zur Hauptgeschichte stattfindet, wie in manch anderem intellektuellem Film, sondern bereits im äußeren Verstehen der Hauptfiguren in der oberflächlichen Geschichte von Wichtigkeit ist, steht tatsächlich im Mittelpunkt des Filmes und die zweite Erde somit untrennbar damit auch.
So darf man wohl von Glück reden, dass „Another Earth“ nicht jene Art Arthouse-Kino geworden ist, in welcher die zweite Erde nur sinnbildlich, eingebildet vorhanden ist, damit ein traumatisierter Mensch besser mit den schrecklichen psychischen Umständen, in denen er sich befindet, zurecht finden kann. In Cahills Film existiert besagter Planet tatsächlich, und ein solcher beschäftigt eben nicht nur jene Menschen, die ein durchschnittliches Leben führen, sondern auch traumatisierte Menschen, Menschen die aus Verlust oder Reue leiden. Wer sich auf „Another Earth“ einzig der Science Fiction-Geschichte wegen einlässt und mit Gefühlskino wenig anfangen kann, wird seine Schwierigkeiten mit vorhandenem Ergebnis haben. Allen Genre-freien aufgeschlossenen Cineasten sei „Another Earth“ jedoch wärmstens ans Herz gelegt. Stets stimmt der Ton zwischen Sachlichkeit, Gefühl und Philosophie, nie erlaubt sich der Film Ausrutscher in den Kitsch, in die Moral oder in andere Mainstreamkrankheiten, und da der hervorragend gespielte Streifen zudem an der perfektesten Stelle endet, mit welcher er enden konnte, bleibt auch nach dem Sichten genug Stoff über, um über das Thema im Allgemeinen, aber auch speziell auf Rhoda bezogen, weiter philosophieren und spekulieren zu können. OFDb
Puuuuh, da hab ich jetzt Glück gehabt, das er dir doch gefallen hat. Sonst hätte ich am Ende mit meiner positiven Kritik zum Film bei dir nur Unmut erzeugt.
AntwortenLöschenIch finde das Ende auch ziemlich gut gelungen, weil es so vieles in der Schwebe lässt...
Ja, der Schluss ist toll. Allein die Frage, ob diese Begegnung als Dankeschön oder "Entschuldigung angenommen" stattfindet, oder einfach weil besagte Person ohnehin ins All fliegen wollte, finde ich sehr spannend. Und mal ehrlich, diese Frage ist im Vergleich zu noch aufregenderen Überlegungen lediglich Nebensache. Ein toller Film! Danke für den Tipp! :)
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