Oh, was klingt "Lieber Diktator" nach einem politischen Plot, der als bissige Satire a la "Election", voll schwarzem Humor wie "Heathers", oder zur Rebellion aufrufend wie "Hart auf Sendung" ausfallen könnte. Da werden einige sicher enttäuscht gewesen sein, dass das vom Regie-Duo Lisa Addario und Joe Syracuse, welches seit 1997 einige wenige Filme gemeinsam inszeniert hat, umgesetzte Werk eines dieser anspruchslosen Kurzweiler mit Wohlfühl-Faktor geworden ist. Klar rebelliert Tatiana, lernt vom kommunistischen Diktator diverse Methoden, aber es ist alles recht zahm thematisiert, selbst dann wenn mit Milk-Boarding auch mal ein Lehrer in der Garage gefoltert wird. Solchen Werken, die sich der vorhandenen Möglichkeiten verweigern und alles harmloser aussehen lassen, als es tatsächlich ist, kann man kritisch gegenüber stehen, man kann eine rebellische Idee mit theoretisch mehr Potential aber auch einfach mal als provozierenden Gedanken eines ansonsten nett anzusehenden Unterhaltungsfilm akzeptieren, ohne das Ganze gleich als politischen Verrat oder Produkt der Verdummung anzusehen.
"Dear Dictator" (Originaltitel) fängt das Szenario aus dem Blickwinkel einer Teenagerin ohne Orientierung ein, verfällt nicht dem Drang daraus einen an ein Jugend-Drama grenzenden tragischen Stoff zu machen, sondern sieht sich als lockerleichte Komödie, die einer irren Idee nachgeht, umgesetzt mit Herz. Wer glaubt ein Diktator könne nicht die Rolle einer väterlichen Figur einnehmen, der sollte sein Schwarz/Weiß-Bild von Gut und Böse einmal dringend überdenken. "Lieber Diktator" lebt von beiden Seiten des im Titel genannten Mannes, dessen Vergleiche nicht ohne Grund Richtung Kuba schielen, verharmlost sicherlich durch seinen etwas arg weich gespülten Plot, aber nicht durch einen unkritischen Blick auf die Person, die Tatiana da beherbergt. Außerhalb engen, strengen politischen Ansichten, kommt der Streifen verschmitzt daher. Damit mögen die Kriegsverbrechen als eine Art schelmische Schattenseite des ehemaligen Machtinhabers etwas zu sehr verharmlost werden, als oberflächlich gestaltetes Gedankenspiel zu Unterhaltungszwecken geht das jedoch deswegen in Ordnung, weil der Film nicht versucht politisch zu manipulieren, egal in welche Richtung. Er legt die Schattenseiten beider hier thematisierten Systeme ebenso nahe, wie die positiven, zumal es letztendlich um die Kraft zur Rebellion geht, orientiert an einer naiven, da lebensunerfahrenen, Teenagerin, die vom Drehbuch jedoch nicht unterschätzt wird.
Überschreitungen von Grenzen werden schnell wieder eingedämmt, "Lieber Diktator" geht nie zu weit, zeigt keine Härte in irgend einer Art von Haltung, und auch echte Konsequenzen sind rar gesät. Vordergründig ist der Film eine Teenagergeschichte, mit überraschend treffsicherer Wiedergabe tatsächlicher Teenagerrollenbilder und einem Diktator als eine Art fragwürdigen Miyagi, der gute wie schlechte Tipps bereit hält und ein lieber Onkel ebenso sein kann, wie ein intoleranter Idealist. Diese Rolle wird gelungen von Michael Caine dargestellt, dessen deutsche Synchronstimme mehr denn je zur verkörperten Rolle des berühmten Schauspielers passt. Ebenfalls mit an Bord sind (endlich mal wieder) Seth Green, Katie Holmes und Jason Biggs. Das Herzstück bildet inhaltlich, wie emotional Hauptdarstellerin Odeya Rush, die nicht nur so bezaubernd süß aussieht wie Mila Kunis, sondern zudem noch schauspielerisch zu überzeugen weiß. Eine fast schon unnötige Love Story am Rande schenkt dem rebellischen Geist im Zentrum eine verletzliche Seite, so dass ihr Charakter greifbar genug ist, um mitzuempfinden, anstatt den Streifen lediglich aufgrund der gewagten Idee als unterhaltsam zu betrachten. Der ist, wie erwähnt, ohnehin glatt gebügelt, ins typische Muster eines familientauglichen Unterhaltungsfilmes gepresst, dank entspannter Atmosphäre, sympathischen Mimen und moralfreier und kitschreduzierter Herangehensweise geht "Lieber Diktator" als netter Zwischendurchverzehr jedoch trotzdem in Ordnung. Er gibt nicht vor etwas anderes zu sein, darin ist er ehrlich. In dieser Art ist er mir auch lieber als in Form einer starren, verkopften Satire, die den Blickwinkel anderer Seiten nicht zulassen würde. So oder so ist "Lieber Diktator" jedoch kein großes Erlebnis, sondern lediglich "nur" ein netter Film. OFDb
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