14.02.2021

VIVARIUM (2019)

Ob es nötig war das kommende Gleichnis mit dem Kuckucksnest in einer der ersten Szenen zu erklären, sei einmal dahin gestellt. So schön das gnadenlose Spiel der Natur im Vorspann auch eingefangen wird, es benennt etwas, das es eigentlich selbst zu entdecken geben sollte, was mich vermuten lässt, dass wir diese Ausnahme innerhalb eines Filmes, der ansonsten von seinen Rätseln und manch nicht gelöster Mystik lebt, dem amerikanischen Einfluss verdanken. Ansonsten schaut sich "Vivarium" angenehm europäisch und damit unter stärkerem Einfluss der Teilnehmer-Länder Belgien, Dänemark und Irland stehend. Ohne trivial-oberflächliche Spielereien ziehen die Verantwortlichen des Streifens ihre Ausgangsidee gnadenlos durch, ohne auf das Wohl des Zuschauers zu schielen. Ob diesem die Chose zu zäh, unaufgeregt oder zu codiert erscheint, ist den Autoren ziemlich egal, zu denen auch Regisseur Lorcan Finnegan gehört, für den dieses Projekt nach dem Mystery-Drama "Without Name" seine zweite Langfilm-Arbeit darstellt. 

Die an "Twilight Zone" und Co erinnernde Geschichte wird in schlichten Kameraaufnahmen eingefangen, die sich den herrlich künstlich anzusehenden, an die "Teletubbie"-Welt erinnernden, Spielorten unterordnen. Als Gegenpol dazu sind Imogen Poots und Jesse Eisenberg sehr natürlich agierend besetzt. Diese psychologische Raffinesse hilft zudem dabei zu erkennen, dass das Ding, welches die beiden großziehen sollen, nicht aus einem miesen Charakter oder aus einer ethischen Fehlleistung heraus von den beiden verachtend behandelt wird, sondern der Situation entsprechend aus einem natürlichen Instinkt heraus. In seiner konsequenten Art zeigt der unpassend in Deutschland alternativ betitelte "Vivarium - Das Haus ihrer (Alp)Träume" in einer entsprechend passenden Phase der Geschichte, wie wenig effektiv ein alternativ kindgerechter Umgang mit dem kleinen Wesen ist, das auf befremdliche Art seine Umwelt nachahmt, sehr schnell wächst und nichts Menschliches an sich hat. Derartige Konsequenzen finden sich ohnehin auch in jedem anderen Bereich, und versteht man erst einmal was "Vivarium" erzählt, bemerkt man wie durchdacht das komplette Konstrukt ist, das hier kreiert wurde, begonnen mit dem späten Verstehen des skurrilen Verhaltens des Maklers, der Frage warum die Siedlung/die Inneneinrichtung so künstlich gestaltet ist, bishin zur Fremderziehung eines Unbekannten betreffend, der sich den beiden Hauptfiguren nicht zeigt, sowie der Konsequenz in der alles endet und die Rolle der beiden Menschen in diesem Prozess betreffend. 

Selbst wenn man uns per Lehrbuch und TV-Programm aus einer anderen Welt, und später auch mit einem Blick hinter die Kulissen, nach und nach mehr über die Hintergründe erfahren lässt, so bleibt jedoch alles was die Strippenzieher betrifft rätselhaft und unbeantwortet. Das wenige das man aufgrund des Gesichteten über diese Spezies erfährt, folgt einem durchdachten System, das sich, ebenso wie das Gesamtkonzept des Streifens, keine Widersprüche leistet. Die Verantwortlichen von "Vivarium" schaffen sogar etwas, das ich in den meisten Science Fiction-Filmen der letzten 20 - 30 Jahre immer wieder vermisst habe: sie schaffen es eine uns fremde Kultur zu entwickeln, ohne dass diese zu stark an die unsere, oder eine alternativ wirklich existierende auf unserem Planeten erinnert. "Vivarium" wirkt auf angenehme Art unangenehm und befremdlich auf uns, trifft mit seiner bitteren Witzigkeit den Nerv des interessierten Publikums und den seiner Geschichte, durchdenkt Szenarien und Reaktionen, auch wenn man sicherlich an vielen Punkten anders gehandelt/reagiert hätte. Alles folgt einer logischen Reihenfolge und Konsequenz. Und dennoch kann man meist nicht erahnen was als nächstes passiert. Der Wunsch des Enträtselns der Situation bleibt, neben der Neugierde was uns als nächstes Groteskes erwartet, stets ein wichtiger Motor für das Funktionieren des Unterhaltungswertes. 

Wer gelegentlich langsamere, subtilere Filme mit treffsicherem Satire-Touch konsumiert, ist in "Vivarium" bestens aufgehoben. Er weiß in seiner durchdachten, aber nicht verkopften Art weder zu unter- noch zu überfordern, intellektuell zu stimulieren, ohne sich dabei pseudo-intellektuell anzufühlen und Irreales und Groteskes zu präsentieren, das dennoch einer Gesetzmäßigkeit unterliegt. "Vivarium" macht keine Kompromisse für mehr Verständnis, für mehr Zugänglichkeit, zum Anbiedern an ein größeres Publikum, oder zum Einbringen quantitativer Schauwerte. Derartige Methoden liegen den Verantwortlichem und dem fertigen Endprodukt fern, und somit sei er allen Freunden alternativen Kinos herzlichst empfohlen. Dass man derartiges nicht gerade an einem müden Tag sichten sollte, sollte allein schon wegen der nüchternen, leicht monotonen Tonart selbstverständlich sein.  OFDb

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