19.05.2021

NERVE (2016)

Dass "Nerve" ein jüngeres Publikum anvisiert, bemerkt man daran, dass die Kenntnisse im Netz, sowie ihre Kultur, als bekannt vorausgesetzt werden. Es wird wenig erklärt und selbst dies nur auf eine gewisse Grundlagenkenntnis aufbauend. Eine flotte, peppige Umsetzung und Teenager im Visier der Geschehnisse sind dementsprechend schon obligatorisch zu nennen, damit einhergehend aber leider auch die typische Oberflächlichkeit, welche US-Filme für dieses Zielpublikum zum Standard haben werden lassen. So wagt sich das Drehbuch nie all zu stark aus der Wohlfühlzone des Mainstream-Publikums hinaus, lässt es an einer sicheren Leine gehalten in den extremsten Momenten zwar kurzfristig die Zähne klappern, wenn man bei Randfiguren doch nicht sicher sein kann, ob sie den Film überleben oder nicht, für die Hauptfiguren steht dies jedoch außer Frage. Nie würde man bei der hier angegangenen Rezeptur mit einem bösen Schluss rechnen, das Happy End ist vorprogrammiert. Dank einer kurzweiligen Umsetzung mit zumindest routiniertem Spannungspotential und einer Besetzung mit ausreichend Charisma geht das als Trivialverzehr allerdings in Ordnung. 

Wer nicht zu viel erwartet wird solide unterhalten, "Nerve" hält inhaltlich was er verspricht, nie macht der Film den Eindruck mehr zu wollen als den Standard derartiger Werke abzuliefern. Ich persönlich habe mit einer derartigen Produktion keine Probleme, auch wenn ich anders geartete Herangehensweisen bevorzuge. Das einzige was mich tatsächlich an "Nerve" ärgerte, ist das zu sprunghafte Drehbuch, das es weder schafft die Motivation der Heldin glaubwürdig nahe zu bringen, noch das Eskalieren der Situation in kleinen Schrittchen nach und nach vorzubereiten. Hier geht es ganz schnell von kleinen Streichen zu lebensgefährlichen Taten, vom Mauerblümchen zur Medienheldin, von einem unkontrollierbaren Spiel zu einem manipulierbaren, von Streit zu Versöhnung, von Vertrauen zu Misstrauen, von berauschender Mordgier zum Offline-einladenden Schuldgefühl. Psychologisch will der Thriller dementsprechend nicht richtig greifen, er lädt lediglich zum berauschenden Trip in teilweise trickreich Online-orientierter Optik ein. Der Vorspann zum Schluss des Streifens bildet diesbezüglich den Höhepunkt. 

Ob es tatsächlich Sinn macht, dass scheinbar nur die einzelnen User als Gesamtheit über die Macht des Spiels verfügen, wenn Momente wie das leergefegte Bankkonto oder die Gefangenschaft nach dem Verrat doch Strippenzieher hinter allem vermuten lassen, sei einmal dahin gestellt. Die Verantwortlichen des Filmes erwarten gar nicht erst, dass das Publikum derartiges hinterfragt. Das zeigt auch die wackelnde Grundlage des angeblichen Nichtaussteigenkönnens und der angeblichen Erpressung per Identitätenübernahme zur Kontrolle ganzer Familien (ein Aspekt, der nur am Rande erwähnt wird, anstatt damit vertieft wahre Verzweiflung bei den Figuren aufkommen zu lassen). Zwar suggeriert das Schlussbild, dass da noch wer Außenstehendes ist, es fängt derartige Ungereimtheiten jedoch nicht zum Beantworten derartiger Fragen ein, oder zum Nachgrübeln und Fantasie anregen. Es erscheint einzig, wie der komplette Film, als Effekthascherei. Genügend Sehspaß verbreitet "Nerve" auf diese simple Art für genügsame Naturen aber durchaus, um über derartige Schwächen großzügig hinwegsehen zu können.  OFDb

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