13.12.2012

DER RABE (1935)

Nachdem er ihr das Leben gerettet hat, verliebt sich der ominöse Arzt Vollin in seine Patientin. Da seine Liebe nicht erwidert und vom Vater nicht gestattet ist, sinnt der Edgar Allan Poe-Fan auf Rache...

Und der Rabe war nur Raumdeko...
 
Die 30er Jahre waren eine der Hochzeiten des Horrorfilms, oder wer den Begriff gerne trennen mag: des Gruselfilms. Nicht ohne Grund verweisen Filmkritiker gerne auf jene Zeit, in der das Genre den Sprung in den Tonfilm schaffte und damit etliche Kinobesucher lockte. Neuverfilmungen klassischer Stoffe wie „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“, „Dracula“ und „Frankenstein“ wurden ebenso gedreht wie erste Umsetzungen a la „Der Unsichtbare“, „Graf Zaroff“, „King Kong und die weiße Frau“ und wie sie alle heißen. Das Horrorkino dieser Zeit hatte seinen eigenen Charme und brachte auch zwei Genrestars hervor: Bela Lugosi und Boris Karloff.

Die Zuschauerreaktion deren Darstellung von „Dracula“ und dem Monster aus „Frankenstein“ dürfte auf seine Art in etwa zu vergleichen sein mit dem Hype um Freddy und Co im 80er Jahre Horrorkino. Viele finanzstarke Genrebeiträge wurden fortgesetzt, oftmals wurden Prominente ähnlich besetzt. „Der Rabe“ ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass das Publikum schon zu seiner Zeit seine Helden in immer ähnlichen Rollen sehen wollte. Somit ist „Der Rabe“ auch das ideale Beispiel dafür, dass es schon früh im Filmgeschäft um die schnelle Mark ging. Er ist aber auch ein Beispiel dafür, wie man für die schnelle Mark auch etwas brauchbares drehen kann.

Schon dass Poes' Gedicht für einen Film herhalten sollte, klang zunächst einmal experimentell, geschah doch letztendlich, selbst für damalige Zeit, viel zu wenig wovon man da hätte erzählen können. Die erste Halloween-Episode der Erfolgsserie „Die Simpsons“ zeigte wohl das Maximum dessen, was mit der Vorlage möglich war. Aber einen Film damit auf mindestens 60 Minuten füttern? So gut wie unmöglich! Und das dachten sich wohl auch die Köpfe hinter diesem 30er Jahre-Horror, und so machten sie das selbe wie mancher Produzent unserer Kinotage, der schnell Geld machen will: Man kaufte zwar den Namen, drehte aber etwas völlig anderes. Das machte man in den 30ern nicht ganz so respektlos wie später. Häufig fallen Zitate aus „Der Rabe“, es gibt eine Tanzinterpretation zu Poe's berühmter Schauergeschichte, und auch der Autor selbst wird namentlich erwähnt und erfährt eine kleine Vertiefung in die Geschichte integriert, wenn sich der Bösewicht des Streifens schon recht früh als großer Poe-Fan outet. Dennoch ist der Titel Augenwischerei.

Die eigentliche Geschichte schustert etwas arg naiv die beliebten Elemente seiner Zeit zusammen. Lugosi darf einen irren Wissenschaftler so mimen, als sei er „Dracula“. Karloff darf wieder das Monster mit Seele spielen, von der Gesellschaft verbannt. Bekannte Elemente aus anderen Werken Poes blitzen auf (und gerade „Das Pendel des Todes“ hat für die Geschichte wesentlich mehr Relevanz als der titelgebende „Rabe“). Rachestory aus Liebe, ein irrer Forscher der zu weit geht, kurzum badet „Der Rabe“ im Erfolgsrezept des 30er Jahre Gruselkino und macht dies gar nicht mal schlecht.

Hilfreich kommt ihm die Schlosslocation zu Hilfe, in welcher der Großteil der Geschichte spielt. Die Maske Karloffs ist etwas schlicht umgesetzt, überraschender Weise ist sie aber auch nicht wirkungslos, was aber auch an Karloffs Spiel liegt. Seine tragische Mimik in der einen Gesichtshälfte verhilft der etwas banalen Maske der anderen Gesichtshälfte zur Entfaltung. Seine Figur macht ohnehin viel am Gelingen des Filmes aus, ist sie doch tragischer Natur, und obwohl sie zu recht ein gesellschaftlicher Außenseiter ist, so zeigt sie doch Reue und den Wunsch nach Besserung in einer Welt, die dies einfach nicht zulässt. Wenn der hässliche Mann erst einmal zum wirklich hässlichen Monster geworden ist, erfährt er Ablehnung allein durch sein Aussehen, ohne Kenntnis seiner bösartigen Vorgeschichte. Das ist simple Psychologie, aber soviel Ablehnung führt nun einmal zum Hass. Wie Freut so schön sagte richtet man sie entweder gegen sich oder gegen andere, und Karloffs Charakter aus „Der Rabe“ richtet sie gegen andere. Nur nicht gegen den, wo es ihn am meisten nach Rache dürstet: dem bösen Arzt.

Dass Lugosi auch in vergleichsweise schwächeren Produktionen noch immer spielte, als ginge es um Leben und Tod, hat er spätestens in den unfreiwillig komischen Produktionen Ed Woods bewiesen. Lugosi hat eine unglaubliche Ausstrahlung, und wenn er völlig überzogen den irren Forscher spielt, der mal wieder einen seiner Hass-Rache-Aussetzer erlebt, dann glühen die Augen (unterstützt von Fremdhilfe), dann arbeitet er mit den Augenbrauen und jedem Muskel im Gesicht, um dieses Diabolische beim Zuschauer ankommen zu lassen. Bei all dieser Genialität (vielleicht auch das Gegenteil wegen der zu überzogenen Art, Auslegungssache) muss man dennoch objektiv lästern: Und trotzdem nur wieder das Übliche aus „Dracula“.

Womit wir wieder beim Thema wären. „Der Rabe“ wurde für die schnelle Mark gedreht, kopiert Erfolge wo er sie nur kopieren kann, arbeitet dafür mit einer arg naiven Geschichte, die wie auf die Schnelle zusammengeschustert scheint und wahrscheinlich auch ist. Aber die Rechnung geht auf. „Der Rabe“ versprüht einen ähnlichen Charme wie die großen Filme seiner Zeit, weiß zu gefallen dank positiver Darsteller, nettem Grusel-Flair und seinem Schuss Tragik, der zu dieser Zeit ohnehin in einen Gruselfilm hinein gehörte.

Auch wenn der Name lediglich Etikettenschwindel ist, so ist dieses Werk doch wirklich weiter zu empfehlen, dank seiner dichten Atmosphäre und stimmigen Umsetzung. Wegen der blauäugigen und etwas arg lieblos zusammengeschusterten Story muss man allerdings ein Auge zudrücken. Aber das fällt bei solch hoher Qualität nicht schwer. Damals gab man sich halt auch bei Schund Mühe.  OFDb

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