25.04.2015

MONDO CANNIBALE 2 - DER VOGELMENSCH (1977)

Drei Jahre bevor Ruggero Deodato den sehr harten aber auch überraschend sensiblen „Nackt und zerfleischt“ drehte, beschäftigte er sich schon einmal mit der Thematik von Zivilisten die auf ein wildes Volk im Dschungel stoßen. Ebenso wie dort geht er im Gegensatz zu Kollege Umberto Lenzi und dessen Werken wie „Lebendig gefressen“ und „Die Rache der Kannibalen“ mit Respekt gegenüber den Wilden um, eigentlich sogar mit Respekt des gesamten Urwalds gegenüber, zeigt er ihn doch ebenso in seiner wunderschönen Pracht wie auch in seiner unbarmherzigen Art, denn der Dschungel ist nicht wie in vielen anderen Filmproduktionen ein Spielplatz mit wilden Tieren, sondern ein Ort vieler Gefahren.

Dass „Mondo Cannibale 2 - Der Vogelmensch“ ein solch angenehmer Streifen ist mag man zu Beginn kaum glauben, ist die erste viertel Stunde doch recht stümperhaft inszeniert. Hier überschlagen sich Ereignisse in schneller, liebloser Abfertigung, bei denen nicht nur der Zuschauer nicht an die Hand genommen wird um sich in irgendein Szenario einzufühlen, auch das Filmmaterial schien nicht das beste zu sein, wenn man bedenkt wie gerne ein Schnitt gesetzt wird um etwas vereinfacht ohne großen Aufwand zu zeigen. Mancher Moment erfährt innerhalb ein und der selben Szene einen sprunghaften Übergang. Bei dem schnellen Wechsel von Tag und Nacht ist es aufgrund der hektischen Erzählung nicht auszumachen ob Deodato keine Lust hatte auf die Tageszeit zu achten, oder ob Harper tatsächlich schon so viele Tage im Urwald unterwegs ist.

Kennt man den Rest des Filmes kann man davon ausgehen dass Deodato einen 120 Minuten-Streifen vermeiden wollte, ist der Rest doch in einer Ruhe und Detail-Liebe gedreht, welche die Geschichte dringend benötigt um zu funktionieren. Der wichtigste und längste Part ist damit gerettet. Dennoch denke ich, dass man den Anfang des Werkes auch auf andere Art hätte straffen können, ohne gleich den Eindruck eines unglaublich schlecht erzählten Filmes zu machen. Zumal Deodato in einigen Momenten zu Beginn auf klassische Horrorfilm-Szenen setzt, wahrscheinlich zum Einstimmen, was sich als unsinniger Versuch herausstellt, der nicht zum Grundton des restlichen Filmes passt.

Ist Harper erst einmal in Gefangenschaft geraten ist der schlechte Teil von „Die letzten Kannibalen“ (Alternativtitel) auch endlich beendet und man darf einen gnadenlosen Abenteuerfilm sichten, der aufgrund dessen was er im Kern erzählt die Kannibalen-Thematik eigentlich gar nicht benötigt hätte. Die fällt auf die Gesamtlänge ohnehin recht kurz aus, bietet aber für jene die genau darauf gewartet haben auch einige harte Szenen, die, typisch Kannibalenfilm, nicht so leicht zu verdauen sind. Freilich gehört auch wieder aufgrund damals nicht vorhandener Tierschutzgesetze Tier-Snuff dazu, letztendlich wird aber auch diesbezüglich nur gezeigt was im Dschungel Alltag ist.

Der Kern des Films beschäftigt sich eigentlich damit wie schwer es ist als Zivilist im Urwald zu überleben. Und auch das Leben der Wilden wird recht ausführlich ausgeleuchtet, welches laut der Schrifteinblendung bei jeglichem Ritual, ebenso wie die eigentliche Geschichte, auf einer wahren Begebenheit beruhen soll, die sich 1975 zugetragen haben soll, und die dazu geführt hat, dass ein bestimmer Wilden-Stamm überhaupt erst entdeckt wurde. Wenn das stimmt kann man nur sagen: Hut ab! Und das gezeigte Leben der Wilden lässt aufgrund der Realitätsnähe und der auf uns so bizarr wirkenden Rituale vermuten dass die Aussage stimmen dürfte. Leicht hat es Harper nicht. Was ihm in Gefangenschaft droht ist so hart wie das Überleben im Dschungel selbst. Wie eingangs erwähnt werden die Wilden dabei aber mit Respekt betrachtet. Es handelt sich um eine andere Kultur auf einem anderen Entwicklungsstand. Der erhobene Zeigefinger des besserwissenden Fortgeschrittenen kommt glücklicher Weise nie zum Einsatz.

Nackt und zerfleischt“ ist im Vergleich dennoch der bessere Film geworden, wirkt er in letzter Konsequenz doch eine Spur ehrlicher. Allerdings hatte der auch den Vorteil von Ideen des hier besprochenen Filmes zu profitieren, die noch einmal übernommen wurden. Aber gerade jene Szene, in welcher der Held des Streifens glaubt Menschenfleisch essen zu müssen um etwas zu demonstrieren, kommt in Deodatos 1980er Werk glaubwürdiger herüber als hier, wo man dann doch mal wie in Lenzis Filmen den Eindruck gewinnt, dass die Szene rein des Ekeleffekts wegen eingebaut wurde, auch wenn man aus der Perspektive Harpers heraus versteht warum er dies tut.

Solche Momente in Kombination mit der ungeschickten, etwas zu lang schlecht ausgefallenen, Einleitung, sorgen dafür dass „Jungle Holocaust“ (Alternativtitel) nicht ganz so gut zu überzeugen weiß wie der Ausnahmefilm Deodatos. In seinem Hauptteil weiß „Mondo Cannibale 2“ aber dafür um so mehr zu funktionieren und baut ab dem Zeitpunkt der Gefangenschaft keine wirklich groben Fehler mehr. In einer schonungslosen Ehrlichkeit, jenseits der Gesetze des Unterhaltungskinos, weiß auch dieser 1977 entstandene Kannibalenfilm Deodatos zu überzeugen. Man kann ihn als Übung für das drei Jahre später entstandene Meisterwerk betrachten. Schwer verdaulich sind jedoch alle beide Filme.  OFDb

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