04.06.2017

SCHTONK! (1992)

Um die eigentlich wahre Geschichte eines Pressehauses, welches auf einen Fälscher hereinfiel und Hitlers angebliche Tagebücher veröffentlichte, spinnt Helmut Dietl eine erfundene, satirische Geschichte, in welcher er gekonnt die rechte Kunstszene aufs Korn nimmt, eben jene Menschen, die das Kulturgut der Nazis aus Verehrung eben dieser sammeln. Im Zuge der aktuell laufenden Hexenjagd bei der Bundeswehr, bei der jeder Besitzer von Nazi-Artefakten unter Generalverdacht gestellt wird selbst einer zu sein, tut es gut einen Film aus solch aufgeklärteren Zeiten zu sichten, bietet Regisseur und Autor Helmut Dietl doch einen reflektierten, intelligenten Blick auf die Dinge und entlarvt seine Figuren, anstatt ihnen lediglich Stempel aus Vorurteilen aufzudrücken.

In seinen Figurenzeichnungen übertreibt es Dietl dabei gerne, und dies ist genau jener Punkt, der die sonst oft sehr nüchtern ausgefallene und sachlich wirkende Satire aufpeppt, ihr also keineswegs schadet, sondern den nötigen Schliff beschert, dass man dieses sehr niveauvoll umgesetzte Stück Film nah an sich heran lassen kann. Wenn wir Knobel dabei zusehen dürfen, wie er beim Schreiben immer tiefer in die Hitlertagebücher eintaucht, dass er dessen angebliche Handschrift schließlich besser beherrscht als seine eigene, und wenn wir den Verlierer Willié auf seinem egoistischen Höhenflug beobachten dürfen, wissendlich dass er irgendwann eine Bruchlandung erleben wird, sind wir den Figuren, trotz fehlendem Sympathiebezug zu ihnen, nahe, so intensiv lernen wir sie kennen, und so gut wissen sie zu funktionieren in ihrem Mix aus Überspitzung und Realitätsnähe.

Dabei ist es eine wahre Wucht Götz George bei seiner Interpretation seiner Rolle zu beobachten, gerade in jener Phase, in der sich Willié geradezu kindlisch in seine Siegerposition hineinfühlt und freudestrahlend seinen Arschkriechern und Befürwortern großzügig seine Anwesenheit schenkt. Willié ist ein dümmlicher und geltungssüchtiger Charakter, er ist ein schmieriger, in brauner Soße badender Typ, er ist unreif, leichtgläubig und fanatisch. Diese Figur muss man einfach lieben und hassen, und sowohl die Verantwortlichen für die Maske als auch der brillante George machen es dem Zuschauer dabei sehr leicht.

Mit Uwe Ochsenknecht tue ich mich in der Regel schwer, aber seine Leistung in „Schtonk!“ ist neben jener in „Männer“ eine der wenigen Ausnahmen, in welchen ich seine Darbietung und Wirkung unglaublich gut finde. Wie er seine Figur zwischen Genie und Wahnsinn balancierend auslegt und sie im entscheidenden Moment kurzfristig abdriften lässt, dass es aufgrund einer Krankheit vorübergehend keinerlei Zweifel mehr über eine geistige Verwirrung gibt, ist einer der Sehwerte des Filmes. Er ist neben Georges Rolle die zweite Comicfigur in einer ansonsten überraschend nüchtern und realitätsnah wirkend ausgefallenen Satire, und diesen Part beherrscht er gekonnt. Während der Charakter Willié die ganze Zeit über eine personifizierte Farce darstellt, ist Knobel meist Teil der Filmrealität, und in entscheidenden Momenten holt er weit aus um ein absurdes Kuriosium im „Schtonk“-Kosmos zu werden.

Im Gegenzug dazu bleibt Harald Juhnke erschreckend blass, aber zumindest hat dieser keinen Part erwischt, der mehr als Routine von ihm abfordert. Dass zudem Veronica Ferres nicht positiv aufzufallen vermag, dürfte nur jenen Zuschauerpart wundern, der an anderer Stelle etwas mit der stets blass spielenden Untalentierten anzufangen weiß, ich tue dies jedoch nicht und habe mich schon immer gefragt, was sie in der deutschen Medienlandschaft zu suchen hat. In einem solch seriös umgesetzten und stilvoll ausgefallenem Werk wie „Schtonk!“ wundere ich mich erst recht über ihre Anwesenheit, sind im Film ansonsten doch fast nur Könner ihres Fachs engagiert.

Das Spiel mit den Nazisympathisanten der Kunstszene und der Sensationsgier der Presse, mag im Bereich der Satire keine Königsübung sein, sehr leicht kann man mit diesen Schwerpunkten ein Publikum finden. Dietl macht es sich jedoch keineswegs leicht. Auf recht umständlich wirkend erzähltem Wege und geistreich reflektierend, ohne lediglich Stereotypenstempel zu setzen, erschafft er einen intelligenten Blick auf fragwürdige Randgruppen der Gesellschaft, die mal mehr, mal weniger legal, neben der eigentlichen Masse koexistieren.

Stilistisch schwankt er dabei zwischen dick aufgetragenen, fast schon albernen Comicelementen und bodenständiger Beobachtungsgabe. Ihm ist eine aufrichtige Satire geglückt, die eine ohnehin schon kuriose wahre Begebenheit ad absurdum führt und dabei auf niveauvolle und künstlerisch wertvolle Art einen Rundumschlag gegen Fragwürdigkeiten unserer Gesellschaft ausführt.  OFDb

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