04.03.2018

ZÄRTLICHE COUSINEN (1980)

Man kann Regisseur David Hamilton aufgrund seines Hangs zur ewigen Nutzung von Weichzeichnern und seiner Heimat im Erotikfilm wahrlich unterschätzen. Überraschte mich „Erste Sehnsucht“ mit einem gefühlsehrlichen Drama über das Verlangen der ersten Lust, so wusste der drei Jahre zuvor entstandene Vorgängerfilm „Zärtliche Cousinen“ auf völlig andere Art zu gefallen. Als Komödie inszeniert versteht er es die hier präsentierte Gesellschaft meist in stillen Tönen, hin und wieder aber auch mit lauterem Klamauk, in ihrer Differenz aus dem was man sein will und tatsächlich aufgrund von Begehren ist, auf herrliche Art zu entlarven. Die einfachen Bediensteten werden der nicht mit Geld umgehen könnenden feinen Gesellschaft gegenübergestellt und beide Schichten unterscheiden sich lediglich durch ihren Stil in dem was sie sind, letztendlich siegen jedoch in beiden Gesellschaftsgruppen die niederen Instinkte, die freilich auch in einem Erotikfilm nicht einzig sexueller Natur sein müssen.

Man merkt aufgrund des Niveaus des Humors, der sehr eng an der Charakterzeichnung der einzelnen Figuren gebunden ist, dass die deutsch-französische Co-Produktion „Tendres cousines“ (Originaltitel) auf einem Roman basiert, und man kann aufgrund der hier eher schlicht aufblitzenden Gesellschaftskritik davon ausgehen, dass die Vorlage eventuell noch tiefer und feinsinniger thematisiert, was „Zärtliche Cousinen“ auf Erotikkomödienbasis bereits überraschend feinfühlig zu bewerkstelligen weiß. Inwieweit das Buch ähnlich erotikdominant daherkommt, entzieht sich meiner Kenntnis, frei dieses Themas kann es freilich nicht sein, steht doch das sexuelle Erwachen der Jugend, ihre Erlebnisse und ihre Enttäuschungen im Zentrum, was auch passend augenzwinkernd damit endet, dass der Reifeprozess der Hauptfigur am Schluss noch längst nicht beendet ist.

Ebenso wie in „Erste Sehnsucht“ fällt erneut die Sensibilität auf, mit der man das jugendliche Empfinden versteht und es zudem schafft dies dem erwachsenen Publikum nahe zu bringen. „Cousins in Love“ (Alternativtitel) ist auf der einen Seite immer Satire und lebt damit von Übertreibungen, und mancher Moment wird einzig des anvisierten Skandals wegen eingebaut, auf der anderen Seite zeigt der Film die Jugendlichen jedoch sehr ehrlich, ohne falsche Scheu, Scham und dem Verwenden billiger Männerphantasien. Stattdessen präsentiert er uns das Innenleben der jungen Protagonisten, die so agieren, wie man in dem Alter auf das was im Film passiert tatsächlich reagieren würde/könnte.

Es sind die Erwachsenen, die von der Realität herrlich entrückt mittels Übertreibung der Lächerlichkeit preis gegeben werden, und das passt, sind es doch die Kinder die stets die Taten der Älteren auszubaden haben, sei es seelischer oder körperlicher Natur. Überspitzt aufgefangen wird der absichtliche Skandal junge Körper auf ältere treffen zu lassen, durch den Kriegsausbruch im letzten Viertel des Filmes, denn nun gibt es nur noch Julien als echte männliche Herausforderung für das daheim gebliebene Weibsvolk, und nun kann Julien allerhand Erfahrungen sammeln, die später für die Vereinigung mit der älterenCousine wichtig werden.

Trotz dieses treffsicheren und auf Humorebene tatsächlich funktionierenden Aspekts begeht das Drehbuch und Hamiltons Regie hier jedoch den einzig wirklich ärgerlichen Fehler. Waren die Sex- und Erotikszenen bis zu diesem Zeitpunkt noch immer, entgegen aller Erwartungen, Momente des Humors, so wird in der Kriegsphase aus den Erfahrungen Juliens lahmes Gefummel, ebenso wie ich es mit meinen Vorurteilen in einem Erotikfilm ohnehin erwartet hatte. Zu diesem Zeitpunkt jedoch rechnet man mit derart komikbefreiten Sexszenen nicht mehr, und das ärgert aufgrund des theoretisch humorvollen Hintergrundes um so mehr, der im Stil des restlichen Films gepackt eine Einheit mit dem Restfilm hätte eingehen können.

Letztendlich muss man aber nur ein paar Minuten Gefummel überstehen, bevor der Film wieder zur alten Kraft zurückfindet und weiterhin treffsicher humoristisch da weiter macht, wo er aufhörte. „Tender Cousins“ (Alternativtitel) mag nun keine große Filmoffenbarung sein, letztendlich siegte der Überraschungseffekt es mit weit aus mehr Niveau und weniger plumper Erotik zu tun zu haben als erwartet. Aber da ich nach der angenehmen ersten Sichtung meine erfreuliche Erfahrung mit einem Freund teilen wollte, weiß ich nun dass auch eine zweite Sichtung das bestätigt was ich entgegen dessen was ich erwartete beim ersten Sichten erlebte. „Zärtliche Cousinen“ ist ein etwas episodenartig geratener, humorvoller Blick auf die Gesellschaft Frankreichs der 30er Jahre, mit stiller Komik punktend und mit jener Empathie, welche der Jugend entgegengebracht wird.

Der Film ist weit weniger reißerisch inszeniert, als er aufgrund der jungen Besetzung zu sein scheint und überrascht mit einer gekonnten Beobachtungsgabe im Bereich der Trivialitäten des Alltags. Deswegen erscheint er weit weniger geduldigen und aufgeschlossenen Zuschauern auch sicherlich eine Spur zu ereignislos. Wer jedoch entdeckt worum es wirklich geht, der wird sich über das unterhaltsame Ergebnis freuen, auch wenn es sich um keine Sternstunde des europäischen Kinos handelt. Angenehmer Weise punktet „Zärtliche Cousinen“ nebenbei noch mit den skurrilen Versuchen eines deutschen Wissenschaftlers und der Tolpatschigkeit von Charles, der meiner Meinung nach die lustigste Figur des kompletten Streifens ist.  OFDb

2 Kommentare:

  1. Soetwas würde heute nicht mehr gefilmt werden. Sexuelle Übergriffe auf Kinder, die dann im Nachhinein als Einvernehmlich dargestellt werden. Eine Oralsexszene mit einem 15jährigen heute undenkbar.

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    1. Die Gesellschaft ist moralischer geworden. In liberalen Zeiten war derartiges noch möglich.

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