08.04.2018

UND ERLÖSE UNS NICHT VON DEM BÖSEN (1971)

"Kleine Biester" in Böse, könnte man den früher erschienen "Und erlöse uns nicht von dem Bösen" nennen, der aus harmlosen Teenie-Taten dort, die sich lediglich um Verführung drehten, große Schandtaten hier machen. Mehr sogar, die beiden Protagonisten gehen gar verbrecherische Wege, frei jeden Schuldgefühls, nicht der Empathie mächtig welches Leid sie wem Einsames nehmen beim Töten seiner Vögel, welchen Schaden sie einem Hofbesitzer beim Legen eines Brandes verursachen und welch harte Prüfung ein geistig Zurückgebliebener erleidet, wenn er sexuell verführt wird, um abgewiesen zu werden bevor "es" passiert.

Man liest es vielleicht schon heraus, das Debüt von Joël Séria, der auch für "Charlie und seine zwei Hübschen" und "Blutige Spur" verantwortlich ist, hat nicht, wie man aufgrund des Satansglaubens der Mädchen vermuten könnte, einen Horrorfilm abgedreht, sondern ein Drama, welches uns in die Welt zweier nicht alltäglicher Teenagerinnen entführt. Ihr Seelenleben lernen wir nicht wirklich kennen, dafür ist das Werk zu nüchtern ausgefallen. Aber viel gibt es da scheinbar nicht zu erblicken, bei solch innerlich verkümmerten Personen, die Freude nur durch das Leid anderer empfinden und im Gegensatz zu Altersgenossen, die im Flegelalter ähnlich gestrickt sind, weit über das Ziel hinaus schießen. Von daher passt der nüchterne Grundton von "Don't Deliver Us from Evil" (Alternativtitel) perfekt zum Innenleben der im Mittelpunkt stehenden Figuren. 

In einer Ausnahmeszene erleidet Anne einen Gefühlsausbruch, nachdem sie ein kleines Vögelchen mit bloßer Hand tötete. Von wahrer Reue kann aber keine Rede sein, denn kurz darauf werden neue Schandtaten begangen, und Séria lässt uns eiskalt bei diesen zuschauen, ohne dass wir Einfluss drauf nehmen könnten. Einen gewissen Spannungsaspekt weiß der Film trotz aller Abscheu dadurch zu erzeugen, dass man immer wieder darum bangt die beiden könnten bei ihren Taten erwischt werden. Sie dienen somit trotzdem als Identifikationsfiguren, und das macht das Zusehen innerlich so verstörend und faszinierend, zumal "Mais ne nous déliverez pas du mal" (Originaltitel) trotz aller Provokationen nie zum Provokationsfilm wird. Was hier gezeigt wird, passiert nicht auf reißerische Art, ebenso wie erotisch angehauchte Szenen nicht dem niederen Trieb dienen. "Und erlöse uns nicht von dem Bösen" ist eher poetisch angehaucht, durch seine Distanz leicht intellektuell geartet und in seiner Zurückhaltung, die Extremes aus der kindlichen Perspektive fast schon unschuldig scheinen lässt, gar künstlerisch wertvoll ausgefallen, auch wenn die ruhige Bildkomposition, die durchaus zu gefallen weiß, nur selten wahrlich beeindruckende Momente präsentiert.

Das Hin- und Hergerissensein aus Unschuld und schwerwiegender Taten, aus eigener Perspektive und der verstörend verharmlosenden der beiden Hauptfiguren und dem Blickwinkel aus Liebe und Romantik, der die beiden Sadistinnen zusammenschweißt, entfachen einen Zauber, dem man sich als Freund alternativen Kinos nicht entziehen möchte, zumal das Drehbuch, meist dann wenn die Mädchen mit ihren sexuellen Reizen spielen, die beiden zentralen Figuren selbst hin und wieder nah an Gefahrengrenzen bringt, denen sie nur knapp entkommen, ohne daraus eine Lehre zu ziehen. Im Gegenteil fühlen sich die beiden durch einen erfolgreichen Abschluss, haarscharf ohne tatsächlich Schaden genommen zu haben, nur bestätigt. Erst ein Totschlag führt zur Ernüchterung. Nicht zur Einsicht, aber zum Bangen um das Ende dieser Freundschaft, der hemmungslosen Taten, der örtlichen Trennung zweier seelisch Verbundener. 

Es ist schade dass unsere Mädels in der Schlussszene keinen glaubwürdigeren Weg wählen, sich aus der einengenden Situation zu befreien. Gerade wenn sie einander am Schluss umarmen, verliert dieser Moment aufgrund physischer Unmöglichkeiten jegliche Glaubwürdigkeit. Allerdings unterstreicht Séria damit noch einmal das Realitätsentrückte dessen was der Film uns ohnehin die ganze Zeit, trotz authentisch wirkender Atmosphäre, bot und unterstreicht mit diesem emotionalen, wie irrealen Moment, dass es im Film um die Poesie der Bilder und der Geschichte geht, und nicht um realistisches, oder gar nachvollziehbares Handeln. Dennoch stößt der Schluss in dieser unsinnigen Art inmitten eines ansonsten gelungenen Filmes sauer auf, zumal die verwendeten Flaschen auf der Bühne auch ein toller Behälter für Gift gewesen wären.  OFDb

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen