09.06.2018

16 UHR 50 AB PADDINGTON (1961)

Es gibt oft Diskussionen darüber, ob es eine gute Wahl war Romanstoffe für ihre Verfilmung stark zu verändern. Freunde der Bücher sind schnell verärgert, oft wirken Veränderungen trotz des Wechsels auf ein völlig anders funktionierendes Medium nicht angebracht. Allerdings dürfte es nur bei den wenigsten Cineasten die Meinung geben "16 Uhr 50 ab Paddington" hätte romangetreu umgesetzt werden sollen, findet die wichtigste Veränderung doch in der Charakterisierung der Miss Marple statt, hervorragend verkörpert von Margaret Rutherford, und die möchte man weder anders besetzt, noch ursprünglich charakterisiert erleben, wenn man erst einmal die vier 60er Jahre-Filme um die berühmte Kriminalistin gesehen hat. Agatha Christie sah das anders, sie mochte die Verfälschung des Originals nicht, aber der Erfolg gibt Pollock und seinem Team recht. Auch für mich gehören die mit Rutherford besetzten Kriminalfilme zu meinen persönlichen Evergreens, die ich mir immer wieder ansehen kann, und den hier besprochenen ersten Teil mag ich von ihnen allen am liebsten.

Das liegt weniger am Kriminalfall selbst, der zwar interessant konstruiert ist, aufgrund zu weniger Personen im Fokus aber zu früh erahnen lässt wer als Täter in Frage kommt. Zwar werden durch mögliche Verbrüderungen auch das Kind und die Frau verdächtig, aber der erfahrene Krimi-Freund lässt sich durch solche Möglichkeiten nicht von der naheliegendsten Vermutung abbringen. Schlimm ist das ohnehin nicht, ist es doch der Weg zum Ziel der zu gefallen weiß, und da "Meet Miss Marple" (Alternativtitel) mit britischem Charme daher kommt und ihm ganz besonders die treffsicheren Charaktere wichtig sind, weiß der Film, eingekleidet in einem humoristischen Unterton, bestens zu unterhalten. Das von drei Autoren verfasste Drehbuch beweist nicht nur inmitten der goldigen Wortgefechte der neugierigen und stets beleidigten alten Dame mit jedermann seinen Sinn für Raffinesse, ohnehin ist das Werk mit Liebe zum Detail und cleveren Nebensächlichkeiten angereichert, inmitten eines trotz fruchtsamer Übertreibungen glaubwürdigen Plots, der die Psychologie der einzelnen Figuren versteht.

Miss Marple bringt einen zum Schmunzeln, der Film lädt zum Mitraten ein, und gelegentlich hat sich gar ein düsterer Moment eingeschlichen, meist wenn die Protagonistin nachts durchs düstere Haus schleicht. "Murder, She Said" (Alternativtitel) gehört für mich zu den wenigen Filmen meines intensiven Cineasten-Hobbys, die ich als perfekt umgesetzt bezeichnen würde. Schwachpunkte lassen sich von mir nicht ausfindig machen. Jede Kameraeinstellung, jeglicher Dialog, jede darstellerische Leistung, und der Gesamteindruck des Werkes an sich, fühlen sich rund an, in einem kurzweilig und keineswegs geistlos ausgefallenen Film. Und selbstverständlich sorgt auch der geniale Soundtrack für das gewisse Feeling, das einen immer wieder zu Miss Marples ersten Kriminalfall zurückkehren lässt. Dabei ist es egal ob man den Streifen im Originalton oder in der deutschen Synchronfassung sichtet. Beide Versionen sind vorzüglich ausgefallen. Und wer den Kriminalfall einmal doch in der ursprünglich von Christie gedachten Fassung sehen möchte, der kann zu dem 1987 erschienenen "16 Uhr 50 ab Paddington" greifen.  OFDb

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