02.06.2019

BLUTIGER ZAHLTAG (1978)

"Blutiger Zahltag" ist kein Giallo im deutschen Sinne. Ein Kriminalfilm, wie der Begriff in Italien impliziert, ist er sehr wohl, aber hier geht kein Schlitzer um, kein Triebtäter, kein stets auf neue Opfer erpichter Irrer. Hier gibt es eine ziemlich übel anzuschauende Frauenleiche (einer von wenigen brutal gearteten Schauwerten), welche die Ermittlungen in die Gänge bringt, und einen Subplot um eine promiskuitive Frau auf der Suche nach innerer Freiheit. Den Zusammenhang beider Plots habe ich erst mit der Auflösung begriffen, ständig glaubend beide Erzählungen würden im gleichen Zeitfenster spielen. Doch was sich für mich zunächst wie manch fehlerhafte Zeitanschlüsse schaute, war meiner Dummheit geschult - oder einem intelligenten Drehbuch. Ich müsste den Film erst ein zweites Mal schauen um herauszufinden, ob er einen absichtlich mit diesem Kniff hereinlegt (was ihm eine Faszination bescheren würde, die ihn von der Konkurrenz abhebt), oder ob ich einfach unaufmerksam gewesen bin (was ebenfalls sein kann, so schwer wie mir eingangs der Zugang erschwert wurde, weil sich so viele Leute hier ähnlich sehen).

Streng genommen ist "The Case of the Girl in the Yellow Pyjamas" (Alternativtitel) ein ziemlich gewöhnlicher Krimi, zumindest was seinen Kriminalfall betrifft. Hier wird ermittelt, ohne dass sich eine Spannungsschraube anzieht oder reißerisch irgend etwas Anderweitiges geschieht. Flavio Mogherinis Film ist erwachsen erzählt, ehrlich unangenehme Wahrheiten aussprechend und diese direkt aufzeigend. Mit der veränderten Mentalität von heute könnte man diese Elemente als Provokation betrachten, stattdessen sind sie einer Zeit geschuldet, die weit weniger heuchlerisch und vorverurteilend daher kam und sich deswegen noch ungeniert an Themen heran traute, die heute als fragwürdige Elemente in solch einen Stoff einfließen würde. Einzig die offiziell ausgestellte, nackte Frauenleiche ist eine tatsächliche Provokation und anbei das einzig wirklich reißerische Element in einem ansonsten nüchtern dargebotenen Film. Langweilig wird er nie, interessant ist er erstaunlicher Weise auch, obwohl der Kriminalfall kaum echte Haken schlägt. Am Inhalt liegt es nicht, dass "Die Frau aus zweiter Hand" (Alternativtitel) so passabel funktioniert.

Der trockene Erzählstil in gut eingefangene, wenig aufregende Optik, die Sachlichkeit, in welche der Streifen getaucht ist, charakterliche Schrulligkeiten und kleine inhaltliche Unnötigkeiten, die das Geschehen natürlicher wirken lassen (z.B. Kinder, die mit Spiegeln den Inspektor blenden) heben das Werk auf ein interessantes Niveau. Interessant ist zudem der Perspektivwechsel in der Erzählung. Stets stehen jene Figuren im Zentrum, welche für die Geschichte gerade wichtig werden. In Aktion sind sie alle stets parallel voneinander, aber wie stark wer in den Fokus gerät entscheidet immer die jeweilige Phase der Erzählung. Da darf man auch mal bösartig überrascht werden, wenn einem eine der wichtigsten Bezugspersonen weggenommen wird, oder Identifikationsfiguren weit weniger sozial und empathisch daher kommen, als es einem eventuell lieb gewesen wäre. Genau diese Elemente gehören zum besagten sich ehrlich anfühlenden Erzählstil für ein mündiges, erwachsenes Publikum ebenso dazu, wie die Sachlichkeit, die Möglichkeit des Mitdenkens, die Geduld, die der ruhige, nüchterne Erzählstil vom Zuschauer geradezu fordert, sowie die sexuellen Elemente, die zwar nicht immer rein faktisch eingemischt werden, aber auch nie lüstern. Etwas aufregender hätte "Ein Mann gegen die Mafia" (Alternativtitel) für meinen Geschmack jedoch trotzdem ausfallen können.  OFDb

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