Hatte in England gerade einmal ein Jahr zuvor ein Werwolf den Gästen einer Zugfahrt in "Howl - Endstation Vollmond" ordentlich Schrecken eingejagt, so kam 2016 selbiges zum Zombie-Thema aus Südkorea in die Kinos und ist ebenso geglückt ausgefallen wie der pelzige Vorgänger. Ob "Train to Busan" auf einem Comic beruht, und somit als Printvorlage vor besagtem Werwolf-Film erschien, weiß ich nicht, ist aber auch egal, wenn man bedenkt wie unterschiedlich die Hauptaspekte beider Streifen ausgefallen sind. Es ist aber in sofern interessant, als dass Regisseur Yeon Sang-ho eigentlich Spezialist für Zeichentrickfilme ist ("The King of the Pigs", "The Fake") und den hier vorliegenden Horrorfilm kombiniert hat mit dem ein Tag zuvor spielenden Zeichentrick "Seoul Station", in welchem ebenfalls er die Regie übernahm, und der im selben Jahr von "Train to Busan" erschienen ist. Bislang habe ich den animierten Anhang zum real umgesetzten Hauptfilm noch nicht gesichtet, ich weiß also nicht wie viel mehr tatsächlicher Sehwert dadurch entfacht wird, den hier besprochenen Film kann man jedoch frei von Verständnislücken für sich alleine gucken, soviel ist sicher. Er ist ein temporeich ausgefallener, sympathischer Zombiefilm.
Zumindest trenne ich die Gattung der rennenden Infizierten nicht von Zombies, sonst müsste man letzten Satz korrigieren, haben wir es doch mit der flinken Gattung der Menschenfresser zu tun. Und auch wenn in diesem Sub-Genre schon alles erzählt scheint, und "Boosenhaeng" (Originaltitel) inhaltlich kein Ausnahmewerk darstellt, welches wie "Fido", "Pontypool" oder "Maggie" einen Weg gefunden hat mit Innovationen innerhalb einer viel erzählten Geschichte zu trumpfen, so lohnt sich doch trotzdem ein Einschalten. Inmitten von fortdauernder Zombie-Action nach einem kurz gehaltenen Einstieg kommt glücklicher Weise weder Oberflächlichkeit, noch ein Sättigungsgefühl auf, eben weil der Streifen nah an seinen Figuren orientiert ist, die nicht nur eindimensional ausgefallen sind. Stattdessen erhalten sie mitten im Chaos mit nur wenig Möglichkeiten versehen die Chance zu greifbaren Persönlichkeiten werden, mit denen man tatsächlich mit bangt. Zudem ist die Interpretation der Infizierten diesmal eine besonders interessante, machen sich die Mutierten doch keine Sorge mehr um mögliche Schmerzen, und dementsprechend konsequent bewegen sie sich und reagieren sie anderweitig auf Unfälle, Stürze und Verletzungen. Zudem agieren sie zwar instinktiv, sind auf der einen Seite also leicht auszutricksen, da kein Funke Intelligenz mehr ihr Hirn beherrscht, andererseits agieren sie, typisch Sinnbild Virus, mittels ihres Massenverhaltens sehr erfolgreich. Das kann als eine an "World War Z" angelehnte Idee auch dazu führen, dass sie unbewusst wie ein solidarisch agierender Körper wirken, wenn sie übereinander stapelnd sich zu ihrer Beute räumlich hoch arbeiten können.
Psychologisch gewitzt ist an "Train to Busan" eigentlich wenig. Es werden lediglich interessante Szenarien vorbereitet und umgesetzt und manch dramaturgischer Moment eingeflochten, um das Zombietreiben nicht zu steril ausfallen zu lassen. Dass eine der Hauptfiguren Fond-Manager ist, hat nie einen versteckt analytischen Grund, ebenso die Zugfahrt an sich als symbolisch weiter gedachte Funktion. Deswegen weiß ich auch nicht, ob die Eingangssequenz absichtlich ein wieder auferstandenes, tot gefahrenes Tier zeigt und im aggressiven Weltuntergangs-Part des Streifens nie wieder, um lediglich einen gekonnten Aufhänger für den Anfang zu präsentieren, oder um versteckt augenzwinkernd zu suggerieren, dass die anderen Lebensformen friedlich reanimiert wurden und nur der Mensch nach der Verwandlung zur aggressiven Spezies wurde. Gesellschaftskritik oder nicht, man weiß es nicht genau. Letztendlich sind all solche Überlegungen auch nicht wichtig, um "Train to Busan" zu beurteilen. Er bietet rasante, kurzweilige und packende Zombie-Action, ist in tolle Bilder gekleidet, geht zu Herzen, langweilt nie und weiß einfach ungeheuer gut zu unterhalten. Dass Yeon Sang-ho eigentlich Spezialist für Zeichentrickfilme ist, wird nie zum Manko, lässt sich an mancher Szene aber bestens erkennen, z.B. in der Art wie der großartig besetzte Kindercharakter eingefangen wird, der oftmals wie aus einem Anime entlaufen scheint. Ich hoffe das bedeutet Gutes für "Seoul Station", den ich zeitnah ebenfalls antesten werde. OFDb
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