25.07.2019

THE NIGHT EATS THE WORLD (2018)

Viele Regisseure wählen den Bereich des Zombiefilms für ihr Langfilm-Debüt, bietet er doch die Möglichkeit kostengünstig etwas wertvoll Tiefsinniges zu erzählen, während man gleichzeitig ein größeres Publikum anspricht, da das Mitte der 90er Jahre noch totgeglaubte Sub-Genre seit 2002 ungebrochen an Beliebtheit bis heute nichts eingebüßt hat. Ähnlich wie im vom ZDF produzierten Zombiefilm "Rammbock" ist in Dominique Rochers Erstling ein Mann in einem Haus eingesperrt, da draußen eine Zombieepidemie vor sich geht. Das Ganze ist somit hauptsächlich eine Einmann-Nummer, absichtlich angelehnt an die Verfilmungen "The Last Man on Earth" und "Der Omega Mann", wenn auch auf passive Art, denn unser letzter Mensch auf Erden verlässt nicht seinen sicheren Ort um auf Monsterjagd zu gehen. Aber dort wie hier schwebt der Gedanke über den Geschehnissen, dass der menschliche Überlebende das Befremdliche der Welt geworden ist. Er bildet nicht mehr die Norm, er ist das überholte Vergangene und lebt in einer Welt, in die er nicht mehr hineingehört. Das sieht er freilich nicht ein, also wird alles unternommen, um in dieser Welt zu überleben. Er ist isoliert vom Rest, nähert sich im Laufe der Zeit einsam dem Wahnsinn, auch diesen Prozess teilt er mit den beiden Vergleichsfilmen und der dritten Version "I Am Legend".

Der Aspekt der vergangenen Norm gehört zu den wenig laut ausgesprochenen analytischen Elementen aus "The Night Eats the World", den Rest gilt es großteils allein zu entdecken, während Sam nach Eroberung des Hauses irgendwie versucht mit der Isolation umzugehen. Ein wenig an "Zombie 2" erinnernd hält er sich gut abgesichert im Fahrstuhl einen Untoten, da es das einzige Wesen in seinem jetzigen Leben ist, mit dem er reden kann. Hier erfährt der Film seine emotionalsten Momente, sowohl Sams Situation betreffend, als auch die des einzigen Zombies, über dessen Vergangenheit wir uns mehr Gedanken machen können, als über die restliche Brut. Hier wird philosophiert, mal oberflächlich, mal empathisch, dann wieder ganz egoistisch, eben in jenen Phasen, die Sam während des kompletten Werkes durchmacht. Hier werden auch die Aussagen des Streifens am deutlichsten, bzw. hier nimmt man endgültig wahr, dass es sie gibt, könnten sie ins Restgeschehen doch theoretisch gesehen ansonsten hineininterpretiert werden, ohne dass etwas davon bewusst von den Filmschaffenden angegangen wurde. Diese Szenen bilden quasi die Bestätigung dessen, dass dem Filmteam auch die Tiefe des Restgeschehens bewusst ist, und dieses sucht nach einem Zuschauer, der mit dem Zeitvertreib Sams etwas anfangen kann.

Sams Alltag schließt die Zombies weitestgehendst aus. So dürfen wir ihm beim Musizieren zuhören, bei Schießübungen mit Farbmunition zusehen und ihn auch bei Nichtigkeiten im Alltag begleiten. Wer sich nach Action sehnt wird angeödet, hier herrscht meist Ruhe, hier gilt es die Tiefe in der Banalität zu entdecken. Und obwohl ich derartige Ansätze liebe, muss ich sagen dass "La nuit a dévoré le monde" (Originaltitel) für mich nur teilweise funktioniert hat, weil ich mit dem Hauptcharakter nur wenig anfangen konnte. Er ist interessant anders charakterisiert als es der Durchschnitts-Typ in Zombiefilmen ansonsten ist, wird nie zu einer Sympathiefigur, sondern bleibt einzig eine Identifikationsfigur, das klingt alles reizvoll. Allerdings dringt das Drehbuch nie wirklich in sein Seelenleben ein. Zu nüchtern wird präsentiert wovon der Film erzählen will, und bis zu einem gewissen Zeitpunkt ist auch dies eine gut gewählte Methode. Irgendwann möchte man aber, freilich jenseits theatralisch dick aufgetragener Gefühlsduselei, Anteil nehmen an seinem Schicksal, an seiner Gefühlswelt, und das funktioniert nur bedingt, wenn alles zu distanziert vorgetragen wird und die Hauptfigur somit zu theoretisch bleibt. Ob man nun etwas mit dem Ergebnis anfangen kann oder nicht, "The Night Eats the World" fordert den Zuschauer heraus, und je mehr er sich dem Ende nähert, desto mehr tut er dies. Ab einer überraschenden Wende im letzten Drittel wird es für den Zuschauer schwierig zwischen Wahn und Wirklichkeit unterscheiden zu können, und auch der Schlussmoment bleibt Interpretation, die Pointe wird nicht klar vermittelt.

Großartige Ausnahmemomente, wie das frustrierte Schlagzeugspiel vor offenem Fenster, welches die Untoten, die mittlerweile das Weite gesucht haben, auf die Straße zurück locken soll, da Sam die Stille nicht mehr aushält, bilden die Sahnehäubchen in einem Film, der bei all seiner Konkurrenz gar nicht mehr so sehr Ausnahmewerk ist, wie er gern sein würde. Deswegen gehe ich auch streng mit ihm um, werden seine Ansätze doch, ob nun im Zombiegenre thematisiert oder in anderen Bereichen, schon länger in der Filmwelt aufgegriffen, und manche Werke greifen da tiefer, während sie gleichzeitig kompromisslos zu unterhalten wissen. Rochers Werk ist mir eine Spur zu sperrig ausgefallen, nicht den Unterhaltungswert komplett ausschließend, wie es beispielsweise ein Michael Haneke mit seinem "Wolfzeit" penetrant zelebrierte, aber doch zu distanziert erzählt, um wahrlich im interessant gestalteten Szenario aufgehen zu können. Für einen rein intellektuell konsumierbaren Film sind mir die Denkansätze wiederum zu banal ausgefallen, da hätte das Drehbuch dann doch mehr bieten müssen als die paar eingestreuten Ausnahmen, die sich neben automatisch entstehenden Fragen eingefunden haben. Wer sich mit wenig Erwartungen für einen kammerspielartigen Zombiefilm der zurückgeschraubten intellektuellen Art begeistern kann, der sollte ruhig einschalten. Der Grundgedanke, die Ansätze und ein guter Teil der Ausführung sind interessant genug ausgefallen, um mit "The Night Eats the World" nicht seine Zeit vergeudet zu haben. Zur wahren Entfaltung dessen was mit seinem Konzept möglich gewesen wäre, kommt es jedoch nie. Das liegt meiner Meinung nach aber auch an der Besetzung der Hauptrolle. Vielleicht hätte man hier, auch mit einem gegen den Strich gezeichneten Protagonisten, auf einen Schauspieler mit mehr charismatischer Ausstrahlung setzen sollen.  OFDb

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