Die schwedische Novelle Selma Lagerlöfs, um die Aufgabe des letzten Verstorbenen des Jahres, wurde bislang dreimal verfilmt, erstmals 1921, dann als erste Tonverfilmung 1939 in Frankreich als "La charrette fantôme" a la "The Phantom Wagon" und schließlich ein bislang letztes Mal erneut in Schweden 1958 noch einmal als "Körkalen", der bei uns ebenfalls unter dem Titel der hier besprochenen Erstverfilmung erschienen ist. Dieses schwedische Original ist wie für einen Stummfilm üblich in verschiedene Akte unterteilt, die teilweise jedoch an merkwürdiger Stelle eingefügt werden, so abrupt wie sie eine Szene unterbrechen lassen und so überraschend, wie danach hin und wieder in die selbe Szene zurück eingeblendet wird. Das mag zwar unprofessionell wirken, aber das ist ein Adjektiv, welches sich auf das eigentliche Werk nicht anwenden lässt. Gekonnt, wie üblich zu dieser Filmschaffenszeit, geht man vor, vielleicht nicht das große Ergebnis mancher Konkurrenz abliefernd, aber interessant genug umgesetzt, um heute noch zu unterhalten. Je mehr sich "Der Fuhrmann des Todes" dem Ende nähert, desto moralischer wird er, ein wenig erinnernd an Dicken's berühmte Weihnachtsgeschichte und zusätzlich versehen mit religiösem Touch. Aber das verwässert das Ergebnis des Dramas mit Fantasyeinfluss nur gering und ist in seiner Theatralik zudem der Entstehungszeit geschult, in welcher derartiges üblich war.
Die eigentlich überraschend schlicht ausgefallene Geschichte ist auf interessantem Wege aufgearbeitet, ist sie doch weder chronologisch angelegt, noch weiß man am Ende was Einbildung und was Wirklichkeit gewesen ist (auch wenn das Einbringen eines Selbstmordversuchs uns einen Hinweis darauf gibt). "Körkalen" (Originaltitel) beginnt im Jetzt, wird dann kurzfristig über einen Rückblick erzählt, während im Jetzt zurück gekehrt ein Teil des zu Sehenden über eine erzählte Geschichte stattfindet. Nach dieser kommt es zum Todesfall der Hauptfigur, wo sich von nun an das Jetzt mit Rückblicken abwechselt, die von nun an chronologisch sortiert von den Ereignissen erzählen, die zur Situation im Jetzt führten. Zwar liegt die Schuldzuweisung und damit die Aufgabe der Läuterung eindeutig beim Protagonisten David, dennoch überrascht das schwarz/weiß-Schema aufbrechende Einbringen eines Schicksals seines Leidenswegs, für das er nur bedingt etwas kann, verlässt ihn seine Frau doch ausgerechnet an jenem Tag, an dem er Besserung gelobt. Aufgrund dieses frustrierenden Ereignisses verliert er sich und wandert aus Rache durch Schweden auf der Suche nach seiner Frau. Das ist alles sehr bewegend und dramaturgisch gekonnt erzählt, einzig Edits Verlieben in den Problemfall weiß nicht zu überzeugen und wird zu unsanft eingearbeitet, urplötzlich mit einem Nebensatz ins Szenario geschubst. Es mag das Leiden Edits vergrößern und ihre Naivität bestärken, ist in der Version wie hier vorgetragen für die Erzählung jedoch nicht von Relevanz.
Das sind die Kleinigkeiten, die am Gesamteindruck von "The Phantom Carriage" (Alternativtitel) nagen, was aber nicht verhindert, dass er mit seiner angenehm entrückten Atmosphäre zwischen Diesseits und Jenseits zu gefallen weiß. Die Tricktechnik ist mit überlagernden Bildern, welche die Phantomhaftigkeit der Verstorbenen verdeutlicht, schlicht gehalten, verfehlt aber ihre Wirkung nicht, zumal in Ausnahmesequenzen Schauspieler hier bereits jene Aufgabe erfüllen müssen, die zu Bluescreen- und Greenscreenzeiten Standard wurden: das Sprechen mit unsichtbaren, am Set nicht anwesenden, Personen. Auf eine überzeugende Umsetzung dieser Szenen, durch korrekt angeordnetes Einbringen der überlagerten Bilder, wurde Acht gegeben. Hier sticht jene Szene hervor, in welcher das Schicksal des Fuhrmanns in einer extremen Situation verdeutlicht wird, wenn er selbst auf hoher, stürmischer See zum Einsammeln der Seelen verdonnert wird. Gegen Ende erfahren wir zudem, dass er nicht stets nur nach dem Ableben auftaucht, oft liegt sein trauriges Schicksal auch in der Tatsache begründet, dass er Menschen beim Sterben zusehen muss.
Diese bitteren Gedanken in Kombination mit dem Leid der Menschen im Umfeld Davids, machen seine Läuterung recht glaubwürdig, auch wenn sie in aufgeschreckter und damit sehr plötzlicher Form nicht so langlebig sein müsste, wie uns der Schluss des Films weiß machen will. Aber das ist in einem psychologisch so schlicht reflektiertem Werk auch nicht weiter wild und gehörte ohnehin nicht zu den zentralen Aufmerksamkeiten der Stummfilmzeit, selbst in Werken wie "Geheimnisse einer Seele", die bewusst auf psychologische Themengebiete bauen. Von daher ist dies "Thy Soul shall bear Witness" (Alternativtitel) gerne verziehen. Etwas unangenehmer drängt sich jedoch die Frage auf, inwiefern die Familie am Schluss ein tatsächliches Happy End erleben kann, wenn David doch weiterhin unter Tuberkulose leidet und somit seinen Liebgewonnenen auch im geläuterten Zustand weiterhin Schaden zufügen kann. Derartige Lücken muss man akzeptieren, um sich mit "The Stroke of Midnight" (Alternativtitel) anfreunden zu können. Letztendlich können Stummfilm-Interessierte aber bei diesem sympathisch dargebotenen Mix aus Drama und Fantasyfilm, aus Düsternis und Hoffnung und aus Traum und Wirklichkeit nichts falsch machen, sofern sie sich auch mal gerne mit einem schlichterem Ergebnis zufrieden geben. OFDb
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