18.07.2021

CARGO (2017)

Der Bereich des Zombiefilms ist nicht tot zu kriegen, und warum das so ist beweist u.a. "Cargo" mit seinem Einfallsreichtum, welcher zeigt wie viele Möglichkeiten das immer gleich scheinende Thema an Potential bereit legt. Dabei weiß man zunächst einmal gar nicht ob man einen Zombie-Beitrag sichtet, oder ob lediglich ein alternatives Endzeit-Szenario dargeboten wird. Die Geschichte bestätigt erst recht spät das naheliegendste Szenario, gekonnt spielt man in dieser ersten Phase mit den Erwartungen und der Neugierde des Publikums. Bereits hier, in Szenen in denen sich unser Protagonist innerhalb der unangenehmen Umständen relativ wohl fühlt, weht eine Dramaturgie über den Dingen, eben weil man weiß dass tiefe Gefühle und Intimität so wenig von Dauer sein können in dieser Endzeitwelt, wie das Zusammensein mit lieb gewonnenen Menschen ohnehin. Wenn das Drehbuch uns nun nach einem hoffnungsschürenden Erlebnis für die Figuren den entscheidenden Umbruch der Situation über eine völlig unnötige, der Romantik geschulte, Leichtsinnigkeit präsentiert, entsteht eng gebunden an den von Martin Freeman gewohnt brillant verkörperten Andy ein Gefühl von Verlust, Verzweiflung und Traurigkeit. Spätestens hier bekommt man einen ersten Vorgeschmack davon, wie der Hauptdarsteller bereits allein diesen kompletten Film hätte tragen können.

Doch "Cargo" ist trotz geringer Personenanzahl kein Kammerspiel, wie man zunächst erwarten würde. Das Drehbuch entführt einen in den kargen Weiten Australiens in meist kurzfristige Zusammenführungen von Menschen, die sich maximal dann auf wen einlassen, wenn es für beide Parteien von Vorteil ist. Misstrauen und Abhängigkeit gehen Hand in Hand, und Erstgenanntes findet zudem auch gerne mal Bestätigung. Zwar verläuft sich eine Phase von "Cargo" kurzfristig in ein "Wolf Creek"-Szenario, aber selbst diese schaut sich interessant, dramatisch und spannungsgeladen und ist zum Vorteil der stilleren Momente glücklicher Weise auch nur recht kurz geraten. Erneut darf sich hinterher ein tiefer Mantel aus Traurigkeit über die Dinge legen, aufgrund empathischer Vorgehensweise und intelligentem Drehbuchs noch intensiver spürbar als im bereits hervorragenden "Maggie" geschehen. Doch nicht nur hiermit trumpft die Geschichte. Erwähnenswert ist gleichrangig definitiv der Einfallsreichtum von Regisseur Yolanda Ramke, der in seiner Langfilm-Version seines vier Jahre zuvor entstandenen Kurzfilmes "Cargo", ähnlich wie "The Girl With All the Gifts" eine alternatives Zombie-Welt kreiert, welche wenig mit dem seit "Die Nacht der lebenden Toten" von George A. Romero geprägten zu tun hat, an dem sich so ziemlich jeder Zombiefilm üblicher Weise orientiert. Zusammen mit seinem Mit-Regisseur Ben Howling, der ihm schon in besagtem Kurzfilm zur Seite stand, erschafft er nicht nur ein anderes Verhalten der Zombies, der Ursprung der Epidemie, die Mentalität innerhalb der Endzeitwelt und die Gesetzmäßigkeiten von Verwandlung und dem Zombiesein sind ebenfalls andere.

Dank eines intelligenten Drehbuchs werden diese Neuansätze reflektiert angegangen und nicht nur des mit Innovation prahlenden Schauwertes eingesetzt. Die auf gekonnte Beobachtungen und Überlegungen fußenden Veränderungen stehen im Zusammenhang mit allem und brechen gekonnt mit dem Klischeeverhalten von Menschen in cineastischen Endzeitwelten, indem sie ihren vergleichbaren Taten eine nachvollziehbare Motivation und die Möglichkeit zu vielschichtigem, menschlichen Verhalten gewähren, anstatt sie in Stereotype zu zwängen. Die Präsentation von kreierter Welt, Mentalität und der eigentlichen Geschichte ist derart empathisch und ohne direkten Verweis von Außen angegangen, dass nur ein empathisches Publikum die entscheidenden Unterschiede als solche erkennen und intensiv in sich wirken lassen kann. Für alle anderen bleibt "Cargo" lediglich nur eine Variante des ursprünglichen Themas, womit man den Streifen sicherlich trotzdem interessiert gucken kann, vielerorts wird er aufgrund seiner Langsamkeit und vieler subtiler Elemente aber sicherlich von solch einem Publikum eher für langatmig und unaufgeregt empfunden werden. "Cargo" ist nun einmal ein Zombiefilm in welchem Zombies kaum vorkommen, eben weil es zentral um das Drama geht. Und da man innerhalb dieses Bereiches Theatralik und Kitsch umgeht, eben weil ein intellektuelles und gleichzeitig gefühlvolles Drehbuch zugrunde liegt, ist das Ergebnis so hochgradig gekonnt ausgefallen. So erfreut es umso mehr, dass man Martin Freeman als Hauptdarsteller gewinnen konnte, den ich seit meinem Entdecken von "The Office" im Auge behalte, so genial wie er sein Fach beherrscht. An "Cargo" ist wahrlich alles gelungen (inklusive der zuckersüßen Baby-Besetzung), das Szenario kann einen eigentlich nicht kalt lassen, inklusive des hoch emotionalen Schlusses, der auch in dieser spätesten Phase noch Raum für Raffinesse und Kreativität lässt.  OFDb

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