21.07.2012

PRINCESS (2006)

Der ehemalige Priester August kümmert sich nach dem Tod seiner Schwester, der Pornodarstellerin Princess, um deren 5 jähriger Tochter Mia, die nicht nur vom vulgären Porno-Umfeld geprägt ist, sondern auch noch Opfer von Kindesmisshandlung wurde. August startet einen Rachefeldzug gegen die Produzenten der Princess-Filme, um sie dazu zu zwingen die Produkte seiner Schwester vom Markt zu nehmen...

Aus dem Verkehr ziehen...
 
Anders Morgenthalers Debut-Film konzentriert sich auf für das Genre Zeichentrickfilm recht ungewohnte Themengebiete. Hier geht es um die Pornoindustrie, Kindesmisshandlung und Selbstjustiz. Letzteres kennt man zumindest aus den Anime-produzierenden Ländern, „Princess“ ist jedoch eine dänisch-deutsche Produktion, irgendwo orientiert zwischen Drama und Actionfilm.

Das Anliegen von „Princess“ ist es neutral erzählt zu sein. Beide dargestellten Seiten sind fragwürdiger Natur mit einem nachvollziehbaren Grundkern, quasi Ideen die pervertieren und die sich nun im Kampf gegeneinander von ihren schlimmsten Seiten zeigen. Der Wahn eines persönlich betroffenen Moralapostels, der fern jedem rationalen Denkens und Empfindens steht, steht einer kühl kalkulierenden Massenproduktionsfirma gegenüber, deren Mitarbeiter zum Produkt verkommen, und die, je kläglicher ihr Job ist, derart ausgenutzt vom Leben gezeichnet sind, dass sie wie Drogenabhängige nicht mehr zwischen Recht und Unrecht unterscheiden können, so dass sie in ihrem verwahrlosten Zustand konsequenter Weise auch den Nachwuchs verwahrlosen lassen.

Zwar blitzt die Fragwürdigkeit von Augusts Verhalten immer wieder auf, dem Blindesten unter den Zuschauern wohl spätestens bewusst werdend, wenn der ehemalige Priester eine 5jährige persönlich blutige Selbstjustiz ausüben lässt, dennoch schaut sich „Princess“ eher wie ein Plädoyer gegen Pornofilme, ein Ergebnis welches höchst wahrscheinlich nicht beabsichtigt war, was gerade das konsequente Finale noch einmal verdeutlicht. Dennoch wirkt die Geschichte nicht unparteiisch erzählt, und das liegt an den fortwährenden Monologen und Reden der Hauptfigur August, dessen Worten wir als Zuschauer ständig ausgeliefert sind, und der oftmals den Eindruck macht zum Sprachrohr der Filmschaffenden zu werden, anstatt mit seinen Phrasen den eigenen Charakter zu verdeutlichen.

Wäre nun nicht das Thema Kindesmissbrauch mit im Zentrum der Geschichte, könnte man den Film als hohlen Selbstjustiz-Streifen betrachtend noch gnädig, wenn auch trotzdem unangenehm berührt, darüber hinwegsehen. So aber wird „Princess“ ungewollt zu einem Werk der falschen Moral, der das misshandelte Mädchen vorschiebt, um seine fragwürdige Meinung kund zu tun. Wie erwähnt ist „Princess“ unparteiisch gemeint, provoziert auf beiden Seiten mit fragwürdigen, in Klischees suhlenden, Stereotypen. Und doch kommt diese Distanz zu spät beim Zuschauer an. Die Propaganda eines die komplette Pornoindustrie kriminalisieren wollenden Ex-Priesters ist zu dominant, als dass man sie im Nachhinein, wenn man als Zuschauer seinen eigenen Irrtum entdeckt, distanziert betrachten könnte.

Sicherlich ist dies ein persönliches Problem welches nicht bei jedem Zuschauer aufkommen mag, aber es ist mein Problem und eben jener Blick auf „Princess“ der für meinen Artikel entscheidend ist. Das ist subjektiv, aber nun einmal das was ich mit Morgenthalers Film erfahren habe. Und dies wiederzugeben, zumal ich nicht der einzige Zuschauer mit dieser Erfahrung sein werde, bringt mehr als der krampfhafte Versuch eine objektive Perspektive vorheucheln zu wollen.

Meiner Meinung nach ist „Princess“ einen solchen Ansatz ohnehin nicht wert. Einen solchen Versuch würde ich starten, wenn ich hinter dem Streifen eine Sehenswürdigkeit entdecken würde. Aber so wie im lang begründeten Negativpunkt der gescheiterten unparteiischen Erzählweise, so bleibt auch der Rest des Films immer wieder nur in Ansätzen stecken. Wäre dies nicht so, könnte spätestens eine Zweitsichtung das Problem beheben. Eine solche ist jedoch aufgrund der halbgaren Umsetzung uninteressant. Mag es die Grafik sein, die teilweise auf schlichte Art zu beeindrucken weiß, andererseits so schlechte Zeichnungen wie jene der Hauptfigur August präsentiert, oder mag es das Einbringen von Realszenen sein, welche positiv in den Videosichtungen Augusts zum Vorschein kommen, in anderen Situationen hingegen zu künstlerisch gewollt erscheinen. Immer wird eine gute Idee durch falsches Anwenden verschenkt.

Schade ist es um den eigentlichen Kern der Geschichte, der dramatischen Ausgangslage dass eine 5jährige Misshandelte ausgerechnet in die Arme eines Radikalen geschubst wird, eines Mannes der sich so in Rage bringen kann, dass er selbst zu dem wird was er bekämpft (was sich z.B. im Verlust der Selbstbeherrschung zeigt, wenn August Mia schlägt). Der Schwerpunkt zeigt jedoch auch wie schwer es die Thematisierung Kindesmissbrauch hat als dramatischer, ernst gemeinter Aspekt durchzukommen. Man erkennt zwischen den Zeilen, dass die Verantwortlichen des Streifens das Thema ernst nehmen und zur Diskussion stellen wollen. Aufgrund der Positionierung innerhalb der Gesamtgeschichte verkommt es jedoch zu einem reißerischen Element, wie von der Boulevard-Presse gezüchtet.

„Princess“ ist nicht uninteressant, er ist aber auch nicht geglückt. Das macht ihn zu einem zweischneidigen Schwert, denn interessierten Cineasten kann man durchaus empfehlen aufgrund der netten Ansätze einmal einen Blick zu riskieren, aber eben auch nur wegen der geglückten Teilelemente. Insgesamt bleibt auch für dieses Publikum nur ein halbgarer Film zurück, der sein volles Potential verschenkt hat. Wer Gesellschaftskritik auf die harte Art konsumieren möchte sollte lieber zum Animationswerk „Jin-Roh“ greifen. Wer sie innerhalb dieses Genres auch auf sanftere Art konsumieren möchte sollte zu „Persepolis“ oder „Mary und Max“ greifen. Morgenthalers erster Film bleibt jedoch nur flaches, oberflächliches Unterhaltungs-Kino, etwas das der gute Mann mit Sicherheit nicht beabsichtigt hat.  OFDb

2 Kommentare:

  1. Mir wurde auch schon von Bekannten eher vondem Film abgeraten. Irgendwann will ich ihn aber doch noch sehen, steht auf der List nur sehr weit unten im Moment.

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    1. Der Witz ist ja, dass es eigentlich kein uninteressanter Film ist. Aber gelungen sieht anders aus.

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