Rotkäppchen, eine gefesselte Oma, ein hereinstürzender Jäger und ein
als Großmutter verkleideter Wolf - der Fall scheint klar. Doch eine
Vernehmung der einzelnen Beteiligten dieser Situation bringt erst
wirklich die Wahrheit ans Tageslicht...
Der Fall Rotkäppchen...
Spätestens seit „Shrek“ wurde der Zeichentrickbereich der Computeranimation relativ frech, und der Erfolg dieser erzähltechnischen Ausrichtung sorgte für eine Überschwemmung ähnlicher Produkte auf dem Markt. Graste „Shrek“ den kompletten Märchenwald ab, jedoch um in erster Linie dem klassischen Disney-Animationsfilm an den Karren zu fahren, orientiert sich „Die Rotkäppchen-Verschwörung“, wie man unschwer dem deutschen Titel entnehmen kann, an einer speziellen Erzählung der Gebrüder Grimm.
Und im Hinblick auf Alternativ-Produktionen wie „Free Jimmy“ ist gerade die Wahl des Märchens „Rotkäppchen“ ideal geeignet um einen frechen Film fertig zu stellen. Das berühmte Märchen als Krimi-Verschwörungs-Plot, da hätte man sich einfach mehr gewünscht, als ein Film auf familiengerechtem „Shrek“-Niveau. Da hätte man sich ein erwachsenes Werk gewünscht, eben weil die Thematik, wie beispielsweise „Zeit der Wölfe“ zeigt, im Hintergrund auch einen Bereich beherbergt, der in der unseren Kultur für Kinder als ungeeignet gilt.
Die Altersfreigabe auf eine FSK 6 verrät jedoch bereits, dass man sich eine reifere Variante unverschämten Zeichentrickfilms direkt aus dem Kopf schlagen kann. Aber auch in harmloserer Version schien mir die Idee noch immer stark genug „Rotkäppchen“ als Kriminalfall umgesetzt zu sichten, um die wirklich wahrste Wahrheit ans Tageslicht zu rücken. Als etwas verwandte Idee kam mir das Buch „Der Fall Struwwelpeter“ in den Sinn, in welchem aus Juristensicht die Kurzgeschichten des Buches „Struwwelpeter“ aufgerollt werden, inklusive der Benennung der konkreten Straftaten und der auf die Schuldigen wartenden Konsequenzen nach deutschem Gesetz. Diese Idee funktionierte gut, was mitunter daran lag, dass man sich eng an die Vorlage hielt. Das scheint logisch, wäre doch die komplette Idee ziemlich sinnlos ohne diesen Ansatz.
Und die Fragezeichen einer solchen Sinnlosigkeit flattern nun nach Sichtung der „Rotkäppchen-Verschwörung“ über meinem Kopf. Ich kann nicht behaupten, dass ich schlecht unterhalten wurde, der Streifen machte durchschnittlich Laune. Aber was das ganze Gezeigte noch mit „Rotkäppchen“ zu tun hat, war schon ein recht kläglicher Rest der Grundgeschichte. Letztendlich borgte man sich nur die Figuren des Märchens aus, verfilmte einige wenige (alternative) Passagen aus dem bekannten Vorbild, und presste das ganze in eine Kriminalgeschichte um gestohlene Koch- und Backrezepte und erzählte somit etwas vollkommen eigenes und kaum auf der Vorlage aufbauendes.
Schade, aber guckbar! Zwar muss man sich zunächst an die etwas zu schwach ausgefallene Animation gewöhnen, ist dies aber erst einmal geschehen, darf man eine Geschichte sehen, die eine freche Umsetzung darin sieht Bekanntes zu modernisieren, anstatt sich inhaltlich mit dem Material zwischen den Zeilen des Originals zu befassen. Da gibt es dann Kritik am Sensationsjournalismus, Spaß mit Extremsportarten, ein kritischer Blick auf die Art und Weise wie heute Geschäfte gemacht werden und natürlich ein Blick auf die moderne Medienwelt, von denen Filmemacher nun einmal immer ein Teil sein werden.
Zwischendurch gibt es immer wieder mal etwas zu schmunzeln und zu lachen, aber letztendlich biedert man sich doch zu sehr dem Jugendpublikum an, anstatt seiner eigenen Idee eines Märchen-Krimis zu vertrauen. Immerhin arbeitet der Film u.a. mit der Methode verschiedener Versionen angeblicher Tatsachen, und allein das Spiel mit Lüge und Wirklichkeit hätte einen ganz eigenen Drehbuch-Reiz bescheren können.
Aber die Verantwortlichen für die Umsetzung machten sich diesbezüglich keine Mühe. Lügen sind schnell geoutet, Übereinstimmungen schnell deutlich, Unwahrheiten nie bös(willig) genug, um der tollen Grundidee gerecht zu werden. Viel mehr kommt über die einzelnen Erzählungen schnell die Wahrheit ans Tageslicht, mit kleinen Lücken, die Stück für Stück freigelegt werden, und von denen nur wenige zu interessieren wissen. Kommt beispielsweise endlich die Auflösung der sehr interessanten Frage, wie Großmutter nun gefesselt wurde und von wem, bekommen wir das Extremstbeispiel präsentiert, wie sehr der Film Produzenten-gesteuert wurde, um sich auf das Teen-Publikum zu stürzen. Das Verhör der Großmutter verkommt zum Tiefpunkt der bisher unter heruntergeschraubten Ansprüchen amüsanten Geschichte, da in Omas Erzählung nun Action im Vordergrund steht, um die Klischees einer klassischen alten Dame auf den Kopf zu stellen.
„Die Rotkäppchen-Verschwörung“ verkommt in diesem Kapitel endgültig zu einem vordergründigen Werk, das es mehr auf billige Schauwerte abgesehen hat, als auf eine pfiffige Geschichte. So verwundert es auch nicht, dass die Täteraufdeckung der Rezeptdiebstähle vom Zuschauer auch schneller vollzogen ist, als es die Geschichte möchte.
Ärgerlich, da in einer Phase der Geschichte angesiedelt, in der die Charaktereigenschaft eines bösen Rotkäppchens noch möglich gewesen wäre, ist das Einbringen eines Liedes, wie es im Zeichentrickfilm seit der Disney-Klassiker typisch ist, aber eben nicht für den Bereich der frecheren Genrevertreter. Ein Kitschlied unterstreicht den Kummer des kleinen, nun keine rote Mütze mehr tragenden, Mädchens, das von den Worten seiner Großmutter zutiefst enttäuscht wurde und dessen Weltbild zerstört zu sein scheint. Mit diesem Lied geht der Film nun komplett auf Nummer sicher, um sich an den erfolgreichen Vorbildern zu orientieren, und nun wird langsam auch klar, warum der Streifen ziemlich unbekannt blieb und nur routiniert unterhalten kann.
Aber... immerhin das kann er, und das muss man ihm trotz aller Abstriche auch zugestehen. Da fallen lustige Sprüche, da gibt es witzige Randfiguren, drollige Situationen, schräge Running Gags. Das kann also durchaus seine 75 Minuten unterhalten. Schade dass es an Rückgrat fehlte, um etwas Eigenes im Meer an Animationsfilmen zu sein. So innovativ „Die Rotkäppchen-Verschwörung“ auch klingen mag, sie ist nur ein Mitläufer und damit austauschbar. OFDb
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