Anna kam nur schwer über den Tod ihres Mannes hinweg. Nun, Jahre
später, glaubt sie es überwunden zu haben und möchte erneut heiraten.
Plötzlich kontaktiert sie ein 10 jähriger Junge, der steif und fest
behauptet ihr verstorbener Mann zu sein. Könnte an der irren Idee etwas
dran sein? Immerhin weiß der Knabe Dinge, die er nicht wissen dürfte...
Beischlaf oder Arsch versohlen? - Eine Zwickmühle
Seine wirklich gute Idee kann man „Birth“ nicht absprechen. Ich war mehr als neugierig auf den Film, und seit „The Others“ konnte mich auch Nicole Kidman von ihrem Talent überzeugen, deswegen fand ich die Besetzung ebenfalls sehr reizvoll.
Kidman spielt auch wieder wirklich gut, und über die anderen Schauspieler kann man ebenfalls nicht klagen. Ein Film wie „Birth“ steht und fällt allerdings nicht allein mit der Überzeugung seiner Darsteller, Buch und Inszenierung sind auch ungeheuer wichtig, und hier schwankt der fertige Streifen nun ein wenig. Grundlegend kann man von einem gelungenem Werk sprechen, allerdings hat er einige Schönheitsfehler, die ihn von echten filmischen Größen trennen.
Völlig überraschend, im Hinblick auf das Entstehungsland, sind die Grenzen, die hier eingerissen werden. In Europa umgesetzt, wären diese zwar sicherlich noch extremer gewesen, aber ich stellte mich auf ein US-amerikanisches Werk ein, und da hat mich das gewagte Drehbuch doch hin und wieder überrannt. Spätestens in der Phase, in der die Rolle Kidmans von der Reinkarnation ihres Mannes überzeugt ist, darf man einige gesellschaftliche Provokationen sichten, die an die Nieren gehen.
Das ist zwar alles sehr ruhig erzählt, aber an allen Ecken und Enden brodelt es. Der Zuschauer spürt das Unbehagen (entweder ist Anna auf eine Lüge hereingefallen, was ihr Herz brechen und ihren Verstand völlig auflösen wird, oder sie liebt ein Kind und kann mit Knast oder einem fragwürdigen Leben in Flucht rechnen. Die Mutter des 10 jährigen weiß nicht was sie glauben soll, die Mutter Annas kann und will ihre Tochter nicht vor alles und jedem schützen. Einige Bekannte und Verwandte sind schockiert und wenden sich ab, und Annas Lebenspartner sieht seine Verlobte nun mit völlig anderen Augen. Die Situation in diesem letztgenannten Sub-Plot wird derart kompliziert, dass man sich als Zuschauer fragt, ob es überhaupt ein Zurück für das zukünftige Brautpaar geben könnte, wenn nun alles eine Lüge sein sollte. Wollen beide wenn überhaupt noch?
Überall kocht es emotional, oft gut eingefangen, manchmal zu konstruiert. Ein Manko, das die Grundgeschichte kaum kennt. Dabei sollte man genau dies meinen. Aber die Art und Weise wie der Junge sich Anna offenbart, der schleichende Weg wie Anna dem Kind verfällt, das ist alles, trotz der abgehobenen Idee, realistisch erzählt. Vielleicht wird sich zu Beginn etwas zu viel Mühe gegeben das Kind als Lügner zu entlarven (wahrscheinlicher wäre es gewesen den Jungen schlichtweg zu ignorieren), aber ansonsten erweist sich das Drehbuch als sehr sensibel. Es grast allerlei Graustufen ab, nimmt sich Zeit für die Charaktere und will zudem doppelbödig sein.
Hier übernimmt sich der Autor allerdings. So ist beispielsweise die erste Szene schon viel zu verräterisch, als dass sie in der finalen Auflösung nun plötzlich in einem anderen Licht dastehen könnte. Die Geschichte an sich folgt einer klaren Linie, es gibt keine parallelen, zusätzlichen Handlungsstränge und keine wirklich klugen Ideen, die aus dem Film ein analytisch dichtes Werk zaubern. Dafür lässt immerhin der Schluss ein Hintertürchen auf. Denn die Auflösung ist ähnlich wackelig, wie jene aus „Paul is Dead“, und in beiden Werken ist dies so gewollt. Was uns hier als Auflösung präsentiert wird, lässt noch einige Fragen offen. So ist beispielsweise anzuprangern, ob der Grund der Auflösung alles abdecken kann, was zuvor passierte. Das macht den Schluss besser als es zunächst scheint, da man sich erst von der genannten Auflösung blenden lässt, bevor man ins Grübeln kommt.
Regisseur Jonathan Glazer blendet mit einer betrügerischen Auflösung, lässt die offenen Fragen nur den aufmerksamen Zuschauer entdecken und lässt den Zuschauer von da an allein. Eine gute Entscheidung, denn so macht es viel mehr Spaß sich mit dem Werk auseinander zu setzen. Dass auch Psychotherapien in seinem Film versteckt kritisiert werden, wird nur der Zuschauerteil bemerken, der Nicht-Gezeigtes weiter denkt.
Der finale Brief erinnert in seiner Art etwas an jenen aus dem französischen Drama „Lärm und Wut“ und erweist sich in beiden Fällen als tolles Stilmittel, den Zuschauer zum Ende hin Kitsch-frei emotional zu berühren. Dies funktionierte in beiden Werken auch deshalb so prima, weil das Szenario an sich während der gesamten Laufzeit relativ nüchtern gezeigt wird. Vielleicht liest man deshalb so viel Negatives über Gazers Film, vielleicht ist „Birth“ den meisten nicht emotional genug. Ich finde allerdings, dass er in seiner nüchternen Art gerade seine Stärke findet und damit einen Hauch europäisch wirkt.
„Birth“ ist stimmig inszeniert, gut besetzt, überrascht mit dem Einreißen einiger Grenzen und hat einen interessanten Schluss. Auf der Gegenseite erweist sich die Anfangssequenz als störend und die Logik, insbesondere im Verhalten der Figuren, funktioniert erst, wenn man ein wenig Unsinn ignoriert. Zudem erscheint mir die Zusammenführung zweier wichtiger Personen am Ende zu einfach gestrickt. Diese Punkte machen den Film zu einer etwas wackeligen Angelegenheit, die aber dennoch eine interessante Ausnahme-Kost geworden ist. OFDb
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