An seinem letzten Arbeitstag vor dem Ruhestand wird Kommissar Jerry
Black auf einen Kriminalfall um einen Kindermörder aufmerksam. Die
Polizei löst den Fall, Black glaubt jedoch, dass der wahre Täter noch
auf freiem Fuß ist und schon so manches Mal zugeschlagen hat. Der
Rentner mietet sich eine Tankstelle und bietet einer alleinerziehenden
Mutter an für ihn zu arbeiten und bei ihm zu wohnen. Ihr Kind nutzt er
als Lockvogel um den Triebtäter aus der Reserve zu locken...
Versprochen ist versprochen...
„Es geschah am hellichten Tag“ war seinerzeit ein wirklich hervorragender Film. Er schockte nicht nur mit einer düsteren Thematik, sondern auch mit einer zu seiner Zeit sehr düsteren Umsetzung. Mit Heinz Rühmann und Gert Fröbe waren die wichtigsten Figuren nicht nur sehr gut, sondern auch prominent besetzt.
Die Zeiten werden anders, das Kino und die Sehgewohnheiten des Publikums somit auch. Das macht Neuverfilmungen legitim. „Das Versprechen“ ist mittlerweile die 5. Verfilmung. Bereits in den 70ern gab es ein kaum beachtetes Remake, eine holländische Produktion (mittlerweile auf DVD unter dem Titel „Es geschah am hellen Tag“ zu erwerben) führte ebenfalls eine Existenz im Schattendasein der vielen anderen Produktionen zu Zeiten, in denen Filme dank Video zum Schnellverzehr wurden. Und erst als in den 90ern eine deutsche Neuverfilmung mit dem durch „Der bewegte Mann“ berühmt gewordenen Joachim Król erschien, gab es wieder ein größeres Publikum.
Bei so vielen Remakes ist es legitim wenn man vermutet, dass das „Das Versprechen“ mit Jack Nicholson lediglich wieder einer jener Filme ist, der für das amerikanische Publikum neu gedreht wurde, weil dieses sich nicht gerne mit europäischen Werken befasst. Dank berühmter Namen vor und hinter der Kamera (Schauspieler Sean Penn führte Regie) wurde diese nun mehr 5. Version berühmter als ihre Vorgänger.
Beim Sichten von „Das Versprechen“ fällt allerdings auf, dass Sean Penns Neuinterpretation mehr als der schnelle amerikanische Film für die breite Masse ist, wie es ein US-Remake in der Regel sonst ist. Der Film macht überhaupt nicht den Eindruck für den schnellen Dollar gedreht worden zu sein. Penn gibt sich Mühe eine trockene, unangenehme, leicht hypnotische Atmosphäre aufzubauen. Das Ergebnis ist ein sehr langsamer Film, meiner Meinung nach allerdings ein zu langsamer. Denn so sehr ich auch gerne trockener erzählte Werke konsumiere („Welt am Draht“ dürfte ein gutes Beispiel sein), vermisse ich in Penns Umsetzung doch Dinge, die den Zuschauer bei einer solch ruhigen Erzählweise bei der Stange halten.
Immer wieder mal atmosphärisch die Natur einzufangen, fliegende Vögel zu zeigen oder auch mal eine Blume in Nahaufnahme ist schön und gut, man wird mit der gut gewählten Umgebung allerdings wärmer, als mit der Figur des in Rente gegangenen Detectives. Jack Nicholson spielt ungewohnt zurückhaltend, er will sich der Story nicht aufdrängen. Trotz (oder vielleicht auch wegen) dieser guten Entscheidung, die vielleicht leicht im Widerspruch zu der Positionierung der Figur im Vergleich zu einem schlichten Krimi steht, bleibt Detective Jerry Black unglaublich blass. Man weiß nur, dass er auf alte Werte setzt, sprich sein Versprechen einhält, man kennt also seinen Beweggrund. Sonst weiß man allerdings nichts von ihm.
Als Kommissar in einem Thriller oder Kriminalfilm, in der die Hauptfigur einen Fall löst, ist so etwas unter guten Bedingungen machbar. Black ist allerdings in Rente, wir erleben ihn als Privatperson. Auch wenn auf der Feier gezeigt wird, wie wenig Privatmensch Black ist und wie sehr er den Detective lebt, ist das alles doch zu wenig Begründung, um uns einen derart dünnen Charakter vorzusetzen. Man versteht warum Penn die Figur so anlegt, ist die Schlusspointe damit doch so psychologisch griffig. Aber so sehr die Charakterzeichnung Blacks auch in die Story und in die Psychologie passt, sie ist keine echte Identifikationsfigur. Dieser psychologische Kniff würde sich in einer kurzweiligeren Umsetzung bezählt machen, aber trockenste Atmosphäre ohne den Hauch von Identifikation mit Black sind zu viel des guten.
Black bleibt einem fremd, und so betrachtet man „Das Versprechen“ lediglich, man lebt es auf Spielfilmlänge nicht mit. Das mag auch am völligen Verzicht von Spannungsmomenten liegen. Allein durch eine drückenden Atmosphäre bekommt man noch keinen Nervenkitzel hin. Dieser war scheinbar auch nicht unbedingt gewollt, wäre aber der letzte Rettungsanker gewesen den Zuschauer mit irgendetwas bei Laune zu halten.
So bleibt „Das Versprechen“ für den Zuschauer ein zu theoretischer Film. Er ist nicht völlig uninteressant, mir ist beim Gucken allerdings aufgefallen, dass er nur deshalb interessant ist, weil ich das Original aus den 50er Jahren kannte und vergleichen konnte. Ich kann mir nur schwer vorstellen wie „Das Versprechen“ auf einen Menschen wirken muss, der das Original nicht kennt, weil ich nicht weiß, was ihn dann noch halten soll. Erst der Vergleich macht Penns Werk interessant.
Und da haben wir nun drei Gebiete des Vergleiches. Zum einen hätten wir die Modernisierung des Stoffes. Sie ist gut zu beobachten, da Penn keinen flotten Actionthriller zauberte, sondern mit seiner ruhigen Erzählweise wenigstens etwas mit dem Original verwandt ist. Der Film spielt in der Gegenwart, somit sind alltägliche Neuerungen im Polizeialltag, das öffentliche Verhalten der Polizei und die Moderne der Methoden unvermeidlich aktuell. Dies betrifft allerdings auch die Thematik der Kinderschändung.
Ich wage zu behaupten, dass das Thema in den 50ern nicht so populär war wie heute. Klar kannte man diese Verbrechen, sie wurden aber nicht so öffentlich diskutiert wie heute. Das Thema ist auch heute noch ein unangenehmes Thema. Der Schock und das Extreme dieser Taten wird durch die häufige mediale Berichterstattung allerdings etwas gedämpft. Kindesmisshandlung gehört zum traurigen Alltag in der Medienwelt, in der wir leben. Obwohl die Anzahl der Opfer in den 50ern prozentual nicht geringer gewesen sein dürfte, war diese Art Verbrechen ein Tabuthema. Ein Tabuthema welches „Es geschah am hellichten Tag“ durch seine direkte Auseinandersetzung damit bricht.
Die aus heutiger Sicht schlichte Umsetzung war für damalige Sehverhältnisse grauenhaft und düster. In einer durch zu viele Informationen abgestumpften Gesellschaft wie heute, musste Penn also mit extremeren Mitteln arbeiten. Da wird die Leiche entdeckt, Polizisten eilen vor Ort und ich bin noch völlig positiv überrascht, dass das Verbrechen nicht zur Voyeursnummer verkommt wie die „Tagesschau“ heutzutage, da wird urplötzlich doch die erschreckend reale Leiche des übelst zugerichteten Kindes gezeigt. Extremer wird es später in der Geschichte, wenn Black Polizeifotos eines vergleichbaren Opfers sichtet. Die Kamera hält gnadenlos drauf. Der Weg mag plump sein, der Effekt fruchtet dennoch, eben weil der Film ansonsten ruhig dahinplätschert.
Neben der Moderne haben wir noch den Vergleich der kulturellen Unterschiede. „Das Versprechen“ ist das amerikanische Remake eines deutschen Filmes, da gibt es klare Unterschiede, weil der US-Film in seiner Heimat spielt. So wurde aus dem Vagabunden ein geistesgestörter Indianer. Zudem ist das Umfeld Blacks sehr religiös geprägt. Penn arbeitet mit dieser Tatsache kritisch. Der zum Zeitpunkt der privaten Ermittlungen zunächst verdächtige Mann, ist ein Mann Gottes. Der gesuchte Psychopath ist eine Gefahr für das Kind, wenn er es auf der Straße anspricht. Ein Gottesmann, der ein kleines, leicht beeinflussbares Kind in seine Kirche locken will, ist es nicht? Auch wenn Black erleichtert ist, wenn er glaubt seinem Schützling würde nun etwas angetan werden, und er das Kind stattdessen kerngesund in einer Kirche sitzen sieht, die Botschaft kommt dennoch an.
Religiöse Erziehung an Kindern gehört, aufgrund des fehlenden geistigen Entwicklungsstandes des zu Erziehenden zur Selbstüberprüfung des Gelernten, wohl zu den schlimmsten akzeptierten Verbrechen unserer Zeit. Und fast jeder weiß, wie viel extremer mit Religion in Amerika umgegangen wird als es in Deutschland der Fall ist. Blacks religiöses Umfeld sehen wir auch bei seinen Befragungen und bei dem titelgebenden Versprechen. Im Falle der amerikanischen Umsetzung hätte der Titel sich eigentlich nicht an Dürrenmatts Buch anlehnen dürfen, sondern „Der Schwur“ heißen müssen. Inmitten von Religionswahn reicht der Mutter des Opfers ein bloßes Versprechen nicht.
Als dritte Vergleichsmöglichkeit haben wir die rein grobe Handlung, Dürrenmatt verglichen mit Dürrenmatt. Er schrieb das Drehbuch zum 50er Jahre Original, zeitgleich schrieb er an dem Buch, das später den Titel „Das Versprechen“ bekam. Buch und Film waren nicht in allen Punkten gleich. Und Penns Film ist weniger eine Neuverfilmung von „Es geschah am helllichten Tag“, als viel mehr die Verfilmung Dürrenmatts Buches. Den wichtigsten Unterschied haben beide Werke am Schluss. Wo „Es geschah am helllichten Tag“ ein Happy End hat (was durch die Methode mit dem Kind als Köder dennoch düster blieb) geht die Buchvorlage, und somit auch Penns Film, einen anderen Weg, den ich hier nicht verraten werde.
Mit diesem Schluss bin ich allerdings nicht zufrieden. So sehr ich die Idee auch mag, sie ist in meinen Augen nicht glaubhaft umgesetzt. Der Wandel kommt zu ruppig und zu aufgesetzt. Frühe Erkennungsmerkmale baden im Klischee, und das finale Stadium steht im Widerspruch zur Intelligenz des Rentners und dem Ergebnis seiner Ermittlungen. Ich finde die Wandlung Blacks nicht glaubhaft, und dass sein Zustand in der ersten Filmszene bereits verraten wird, ist ebenso ärgerlich, wie die Tatsache, dass die Erzählung des Mädchens über die Begegnung mit dem Zauberer so plump eingearbeitet wurde.
So bleibt letztendlich ein lahmer Film in Erinnerung, der sich wegen des Vergleiches zur 50er-Verfilmung über Wasser halten kann, bei all seiner Andersartigkeit mit simplen Übereinstimmungen wie der Schokoigel zu überraschen weiß und dem seine lobenswerte psychologische Umsetzung sich in der gewählten Erzählweise selbst ein Beinchen stellt. So wird „Das Versprechen“ trotz guter Möglichkeiten nie mehr als Routine, und selbst die steht auf wackeligen Beinen. OFDb
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