Ein Massenmörder kann aus der Psychatrie entkommen und findet
Unterschlupf in einem alten Theater. Dort finden die Vorbereitungen zu
einem neuen Bühnenstück statt...
Im Namen des Dario...
Michele Soavi war ein Schüler Dario Argentos und so hat er einiges von ihm gelernt und abgeguckt. Argento schien das Ergebnis von „Aquarius“ beeindruckt zu haben, denn zwei Jahre später sollte unter dessen Produktion Soavis nächster Film „The Church“ entstehen.
Schaut man sich „Aquarius“ an, so entdeckt man unter der Handschrift Soavis so einige Argento-Elemente. Die Farben stechen hervor, die Story ist mit der häufig verwendeten Thematik des Meisters verwandt und flotter Rocksound läuft im Hintergrund (gerade in Argentos Produktionen aus den 80ern typisch, insbesondere fällt einem beim Gucken von „Aquarius“ unwillkürlich „Phenomena“ ein, der 2 Jahre zuvor entstand).
Was Soavi mit diesem Film abliefert ist mehr als ein oller Slasher, das ließe zumindest die Inhaltsangabe vermuten. Er liefert mit „Stage Fright“, so der Alternativtitel, ein Stück Terrorkino ab. Das dürfte dem Horrorfan damals besonders gefallen haben. Die Welle des Terrorfilms, die ihren Ursprung in den 70er Jahren hatte, begann in den 80ern abzuflauen. Stattdessen bekam man in der Masse fast nur noch humorvoll erzählte Horrorfilme vorgesetzt, gerade aus Amerika war kaum etwas anderes zu erwarten. Und so war es Italien, das dem verhungerndem Genre-Freund genau zu dieser Zeit die richtigen Häppchen zu warf.
„Aquarius“ ist nicht nur Terrorkino, weil die Morde so hart und gnadenlos stattfinden, natürlich ist das auch ein wichtiger Aspekt. Es sind aber noch andere Elemente vorhanden. Beispielsweise hat die Eulenmaske, so lächerlich sie mir zu Beginn vorkam, eine ungeheuer düstere Wirkung. Ihr Blick ist gnadenlos, die Ausrichtung des Gesichtes leicht nach unten gibt dem ganzen etwas dominantes. Wenn dieses Vieh, von der Kamera richtig eingefangen, plötzlich vor den Opfern steht, oder im Hintergrund auftaucht, dann wird auch dem Zuschauer anders.
Wo in flotten Momenten Rockmusik zur Untermalung eingespielt wird, da klimpern in den richtig bösen Szenen unmelodische Terrorklänge auf den Zuschauer herab. Das hat eine ungeheure Wirkung. Zudem kommt die Kamera fast nie zur Ruhe: Ewig kreist sie, fährt zur Seite, nach vorne oder nach oben. Sie ist meistens in Bewegung. Unterstützt wird sie in ihrer Geschwindigkeit durch flotte Schnitte, allerdings fast nie durch flotte Schnittabfolge. Ruht die Kamera, so präsentiert uns Soavi andere Spezialitäten. Dem Auge soll nie langweilig werden.
Ob da nun Erotikmomente gestriffen werden ohne nackte Tatsachen, etwas besonders Farbenfrohes in den Mittelpunkt gerückt wird, oder Bilder auf andere Art interessant eingefangen sind (z.B. der nasse Boden im Regen), irgendetwas gibt es immer zu sehen.
Besonders einfallsreich ist hier Richtung Finale die eher starre Kamera beim Beobachten des Killers auf der Bühne nach getaner Arbeit. Das ist das reinste Augenfest: Der Killer in seiner Maske wirkt böse wie zuvor, gleichzeitig durch seine Ruhe auch sehr verstörend, vielleicht etwas vergleichbar mit der Sequenz aus „Blutgericht in Texas“, in der Leatherface sich kurz hinsetzt um zu verarbeiten, dass ständig Eindringlinge in seinem Lebensraum auftauchen. Nun sitzt der Vogelmann in aller Ruhe bei den Leichen, die der Zuschauer nun noch einmal in aller Ruhe betrachten kann. Federn fliegen umher, die Musik des eigentlich geplanten Bühnenstückes läuft im Hintergrund. Die Wirkung dieser sehr langen Szene ist sehr intensiv.
Eine solche Inszenierung benötigt keine gewitzte Geschichte, um zu überzeugen. Der Film könnte also nach Lesen dieser Zeilen ein kleiner Meilenstein sein. Dem ist nur leider nicht ganz so. Wie gesagt, eine gewitzte Geschichte braucht man nicht, aber die dünne Geschichte müsste etwas nachvollziehbarer erzählt sein, um in der Oberliga mitzuspielen.
Die Story von „Deliria“ (Originaltitel) steht nicht auf ganz so wackeligen Füßen wie viele andere Genrevertreter, zum größeren Film gibt es dennoch Kleinigkeiten zu beklagen: Wie um Gottes Willen kommt man auf die Idee in eine psychiatrische Klinik zu fahren um seinen Knöchel nachgucken zu lassen? Wie konnte es Soavi zulassen, dass einige Figuren so extrem nerven? Die beiden besten Beispiele, die mir dazu einfallen ist zum einen die kreischende Blonde in der Umkleide, kurz vor dem bestialischen Bohrermord (sie kreischt in die Kamera, immer wieder unterbrochen von Einstellungen auf die anderen Beteiligten. Sind diese im Bild verstummt das Schreien. Kaum zeigt die Kamera wieder Blondie, kreischt diese auch erneut los und erinnert dabei entfernt etwas an den Knirps aus „Kevin - Allein zu Haus“ vor dem Spiegel).
Das zweite Beispiel einer nervigen Rolle ist der Hausmeister, der uns ganz zum Schluss des Filmes mit seinen immergleichen Sätzen in der Endloswiederholungsschleife nerven muss. So sehr das auch psychologisch zu einem alten, einsamen Mann mit Mitteilungsbedürfnis passen mag, es nervt.
Auch das Handeln einiger Figuren ist selbst für einen kleinen Horrorfilm etwas arg blöde. Neben dem eben erwähnten Klinikbesuch wäre da an erster Stelle die Szene zu nennen, in welcher der Regisseur trotz Beil in der Hand wehrlos getötet wird (er glaubte den Killer totlabern zu müssen) und das komplette Verhalten der Heldin im Finale. Die läuft da fleißig durch die Gegend, um einen Schlüssel zu suchen, fast könnte man meinen sie hätte vergessen dass der Killer in der Nähe ist. Dieser wusste nicht, dass noch wer lebt. Verstecken hätte also ebenso Leben retten können, wie der Kampf, dem wir als Zuschauer beiwohnen, wenn der Eulenmann unweigerlich auf die noch lebende Frau aufmerksam wird.
Ohnehin schwächelt das letzte Drittel etwas zu extrem. Trotz der sehr intensiven Bühnenszene, die ich oben angerissen habe, geht die bedrohliche Atmosphäre hier ein wenig flöten. Die Sequenz, in der die Hauptdarstellerin unter dem Boden versucht an einen Schlüssel zu geraten gehört ebenso zu den gelungenen, ja sogar richtig spannenden, Szenen. Aber das Jagen und Töten der letzten Überlebenden vor diesen beiden positiven Filmmomenten wirkt bereits blasser als die eher stillere Bedrohung der ersten Stunde.
Und auch nach dem eigentlichen Finale wird es mit einer längeren Schluss-Szene noch einmal unnötig schlecht. Hier muss man die völlige Inkompetenz der Polizei hinnehmen. Die komplette Szene, die auch in ihrer Inszenierung nicht zu überzeugen weiß, hätte man sich sparen können. Ohne sie wäre der Film viel positiverer in Erinnerung geblieben. Die Szene, die den Kinobesucher nach draußen entlässt, ist für die Nachwirkung doch eigentlich so ungeheuer wichtig. Und Soavi vergeigt dies.
Mit diesen Punkten wird im letzten Drittel der Atmosphäre einiges an Wirkung geraubt. Durch das Potential, welches bereits zuvor vorhanden war, machen diese Mankos die finalen 30 Minuten allerdings nicht komplett kaputt. Allein das zeigt wie gut der Film in der vorherigen Phase umgesetzt wurde. Soavi ist nicht Argento. Und zu der Entstehungszeit von „Aquarius“ war Soavi auch noch kein sehr erfahrener Regisseur. Das mag die guten Seiten des Filmes besonders bewundernswert machen und die schlechten Seiten entschuldigen. Deswegen kann man gerade Kleinigkeiten in der 1. Stunde (zu früher Musikeinsatz, zu schneller Schnitt, u.ä.) freundlich ignorieren. Die letzte halbe Stunde hingegen ist der Hauptauslöser, warum ich dem an sich sehr dicht erzählten und spannenden Film keine höhere Anerkennung zollen kann.
Interessant zu erwähnen wäre vielleicht noch, dass in nur einer Situation kurz die Art Horror eingesetzt wird, die zeitgleich in Amerika so beliebt war: Die humorvolle. Die wartenden Polizisten vor dem Theatergebäude werden des öfteren eingeblendet, und man darf ihren trivialen Gesprächen und Situationen folgen, während die „Künstler“ im Gebäude um ihr Leben kämpfen. Das ist übrigens gelungen lustig, und ich kann entwarnend hinzufügen, dass diese kurzen Ausflüge in die Komik die Terrorwirkung nicht zerstören. Und wie erwähnt gibt es ansonsten auch keine weiteren witzig gemeinten Szenen zu sehen. OFDb
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