13.07.2018

DER NACKTE DSCHUNGEL (1954)

Ein Jahr nachdem Byron Haskin seinen legendären "Kampf der Welten" abgeliefert hatte, bescherte er uns erneut einen Kampf zweier Spezies. Passend zum Ende des Vorgängerfilmes und seiner literarischen Vorlage zeigt eine winzig kleine, zu unterschätzende Gattung einer ihr überlegen scheinenden Gattung, dass mit ihr nicht zu spaßen ist, und dass man sie als Feind ernst nehmen sollte. Zwar ist dieses Thema packend inszeniert und spielt sich Richtung Ende immer mehr in den Vordergrund, den Film, wie mit dem Alternativtitel "Wenn die Marabunta droht" geschehen, darauf zu reduzieren, würde der Realität jedoch nicht entsprechen, wird die Vermutung der Bedrohung einer übergroßen Ameisenpopulation doch erst zur Filmmitte geäußert, die Bestätigung etwa zu Beginn des letzten Drittels gemacht, und im etwa eine viertel Stunde lang laufenden Finale findet schließlich der Kampf beider Spezies statt.

Das mag der Hauptgrund sein, warum manch einer "Der nackte Dschungel" als Filmerlebnis wählte, so war es zumindest bei mir der Fall, es bildet jedoch nicht den Schwerpunkt des nett anzuschauenden Werkes, was ich glücklicher Weise bereits vor meiner Sichtung in Erfahrung brachte. Hauptaugenmerk des Streifens ist die etwas bizarr zu nennende Begegnung zweier einsamer Menschen, die sich auf eine ungewöhnliche Ehe mit einem ihnen jeweils Unbekannten eingelassen haben und nun die Dickköpfigkeit des jeweils anderen kennen lernen. Dieses Szenario wird aus der Perspektive Joannas begonnen, damit wir gemeinsam mit ihr das fremde Land kennen lernen dürfen, welches Christopher seit vielen Jahren bekannt ist. Im Laufe des Filmes wechselt hin und wieder die Perspektive, meist erleben wir die keineswegs humorvoll thematisierten Geschehnisse des Filmes jedoch aus Joannas Sicht.

Für die scheinbare Unnahbarkeit zwischen den beiden sich gar nicht so unähnlichen Menschen spielt es auch eigentlich keine Rolle wessen Perspektive eingenommen wird, allein schon weil heutzutage schwerwiegender wahrgenommene Diskrepanzen hier noch als Herausforderungen verstanden werden, anstatt sie als Sexismus und anderweitige der Situation nicht gerecht werdende Stempel abzutun. Hier zeigt sich "Bushmaster" (Alternativtitel) als noch einst für ein mündiges Publikum abgedreht, wenn auch eine Spur zu theatralisch inszeniert, allerdings immer ein Restniveau wahrend, um nicht all zu sehr abzudriften. Die wahre Kunst der stilsicheren Erzählweise liegt im subtilen und zweideutigen Benennen provokanterer Momente, was sicher am damals biederen Umgangston liegt, bzw. an den Regeln die diesbezüglich einst in Hollywood herrschten, dem Thema jedoch nicht schaden, sondern ganz im Gegenteil gut tun, eben weil das direkt Benannte nicht solchen Reiz besitzt wie die hier verwendeten Codes inmitten dieses für einen Unterhaltungsfilm für ein Massenpublikum überraschend komplex ausgefallenen Gefühlsdilemmas. 

Mag das grobe Geschehen auch recht schlicht gestrickt sein, auch was den Kampf gegen die Marabuntas betrifft, die schwer zu durchschauende zwischenmenschliche Situation des Ehepaares, die hier zum wahren Sehwert des Streifens wird, beweist erneut wie viel erwachsener und herausfordernder damaliges Kino war, wenn es um empathische Faktoren geht. Heute sind eher die Erzählungen an sich komplexer ausgefallen, während Figuren und psychologische Zusammenhänge meist zu glattgebügelt präsentiert werden. Ein ideales Hollywood wäre die Zusammenkunft beider geistreichen Faktoren für ein mündiges, mitdenkendes und gut beobachtendes Publikum, welches Zusammenhänge begreift ohne mit x Erklärungen an die Hand genommen zu werden. In "The Naked Jungle" (Originaltitel) sorgt der sich weiter entwickelnde zwischenmenschliche Prozess beider Ehepartner für die nötige Tiefe, die den Film vor seiner ansonsten zu beobachtenden Oberflächlichkeit bewahrt.

Freilich bleibt der Kampf gegen die Ameisen ein quantitativer Sehwert, diese Phase ist immerhin stimmungsreich und nie zu reißerisch umgesetzt und lässt einen trotz simpler Tierszenen wahrlich mitfiebern. Auch manche Optik, wie der brennende Schutzwall in der Ferne, während nahe der Kamera Ameisenaktivitäten zu beobachten sind, sind Sehwerte jenseits der zwischenmenschlichen Dramaturgie des Streifens. Letztendlich wäre "Der nackte Dschungel" ohne sein weitschweifendes Erkunden des Seelenlebens beider Protagonisten jedoch zu oberflächlich ausgefallen. Zudem könnte man vieles von dem was Christopher tut und denkt missverstehen, wenn der Film sich diesbezüglich nicht inhaltlich weiterentwickeln würde. Das schöne an einem 50er Jahre-Werk wie diesem hier ist es schließlich, dass er frei des erhobenen Zeigefingers selbst sachlich und vorurteilsfrei über jene Dinge berichtet, die zu Recht spätestens heutzutage nicht frei von Kritik sind. Aber es ist nun einmal nicht Thema dieses Streifens mögliche Fehlverhalten zu beurteilen. Haskin berichtet lediglich, frei von einem persönlichem Blickwinkel, frei seines eigenen Urteils, eine Eigenschaft die vielen Menschen der heutigen Protestgesellschaft fehlt.  OFDb

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