19.08.2018

LEICHEN PFLASTERN SEINEN WEG (1968)

"Leichen pflastern seinen Weg" ist mehr als eine simple Rachegeschichte, wie es sie im Genre des Westerns zuhauf gibt. Corbuccis Werk ist ein politisches Statement früherer Missstände im Westen Amerikas, zu einer Zeit spielend als Gesetz und Unrecht verdreht schienen, Kopfgeldjäger im Namen des Gesetzes Massaker anrichteten und dabei oftmals schlimmer vorgingen als die gesuchten Menschen. Mögen Letztgenannte im hier besprochenen Film auch etwas zu sehr die Opferrolle zugespielt bekommen (immerhin ist immer wieder von unschuldig verurteilten Menschen die Rede), so wird doch trotz dieser extremen Gut- Bösetrennung die Thematik treffsicher eingefangen, u.a. auch weil verzweifelte Situationen zu verzweifelten Taten führen, und der Kampf um Gerechtigkeit nur auf ungerechtem Wege zu erkämpfen zu sein scheint. Frei von Sünde ist in dieser Geschichte niemand, dementsprechend kommt das recht blutig ausgefallene Werk ohne nervige Moral daher, auch wenn es Stellung zur zentralen Thematik bezieht. Diese Haltung weiß inmitten einer hervorragenden Inszenierung zu gefallen.

Freilich ist Klaus Kinski in der Rolle des entscheidenden Bösewichts eine vortreffliche Wahl und ist somit einer der Pluspunkte von "Il grande silenzio" (Alternativtitel). Aber er stemmt den Film nicht hauptsächlich allein, wie so manches Mal in seiner Karriere. Tatsächlich wurde er diesmal für eine anspruchsvoll angegangene Produktion engagiert, welche uns Ennio Morricone für die Musik zu bieten weiß und einen Kameramann der die Poesie der Gewalt in edle Bilder zu kleiden weiß. Hilfreich steht ihm die schneeweiße Kulisse zur Verfügung, durch die sich der Western allein schon optisch von anderen Genrebeiträgen unterscheidet. Das Fallen der Schneeflocken passt zu manch sinnlichem Moment des Stoffes, auch zur immer wieder aufblitzenden Romantik des Morbiden, während der gnadenlos hoch gewachsene Schnee wie ein Sadist wirkt, der hoch unangenehme Situationen noch unangenehmer macht. Pferde kommen kaum noch durch, Menschen frieren, man bekommt als Zuschauer das Gefühl die Kälte würde gegen das eigene Gesicht peitschen, so sehr wissen die authentischen Schneeaufnahmen zu wirken.

Sergio Corbucci, der sich zwei Jahre zuvor mit dem legendären "Django" einen Namen gemacht hat und später eher zweitklassige Beiträge der Bud Spencer und Terence Hill-Welle ablieferte ("Zwei sind nicht zu bremsen", "Zwei Asse trumpfen auf", "Der Supercop"), liefert hier alles andere als austauschbare Routine ab. Recht trocken inszeniert schaukelt sich die geladene Atmosphäre immer weiter hoch, mit einem diabolisch grinsenden Bösewicht mitten im Geschehen, einem handzahmen Charmeur von Sheriff und einem stillen Helden, dem man seine harten, wie sanften Momente gleichermaßen mimisch abkauft, so sehr wie hinter dem schmuddeligen Drei-Tage-Bart ein zartes Gesicht steckt. 

Zunächst wie eine klassische, zwielichtige Heldengeschichte aufgebaut, entpuppt sich "The Big Silence" (Alternativtitel) als weitaus düsterer als es zunächst scheint. Spätestens der Schluss wird in seiner Konsequenz überraschen und spielt gekonnt mit den Klischees, die der Zuschauer herangezüchtet erwartet. Mag die Mentalität auch manches Mal schlicht erscheinen, gerade im Originalton wenn auf italienisch heftig ungebildet geflucht wird und ständig Blut mit Blut vergolten werden soll, so schlicht wie es manchmal scheint ist "Leichen pflastern seinen Weg" dann doch nicht ausgefallen. Und es ist sicher Auslegungssache ob der erste Eindruck eine beabsichtigte Täuschung ist, oder der beeindruckende Stil des Films letztendlich derartige Schwachstellen wieder verzeihbar, ja geradezu leicht vergessen, macht. Denn am Ende bleibt zu sagen: "The Great Silence" (Alternativtitel) ist wahrlich ein sehenswertes Werk.  OFDb

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