26.01.2019

DIE TODESBUCHT (1978)

Italienische Filme um Frauenmörder aus den 70er Jahren gehören meiner Meinung nach zu den besten Beiträgen jener Giallowelle, wie die Bezeichnung des Genres in Deutschland verstanden wird. Hausfrauenpsychologie und reißerische Elemente werden, egal ob künstlerisch wertvoll eingefangen oder lediglich als schneller Mitläufer inszeniert, meist zu unwichtigen Unzulänglichkeiten in sonst geglückten Streifen, und nur selten verliert das Potential der oberflächlich betrachtet eher schlichten Erzählungen seine Wirkung. Auch mittelmäßige Produkte besitzen ihre aufregenden Ausnahmeszenen, und davon kann man auch "Die Todesbucht" nicht freisprechen, obwohl ich gestehen muss in ihm einen der uninteressantesten Vertreter seiner Gattung Film zu sehen. Dies nicht aufgrund einer uninteressanten Geschichte oder öder Drehorte, beides weiß im Debütfilm des gerade einmal drei Regiearbeiten abgelieferten Enzo Milioni zu gefallen. Dass Letztgenanntes trotzdem kaum zu wirken weiß, verweist bereits auf einen der Schwachpunkte des Streifens: meist ist er zu schlicht abgefilmt. Nur selten präsentiert uns Milioni interessante, oder gar wirksame Bilder, so z.B. bei der Aufnahme einer aufgefundenen, versteckten Toten, die zu den optischen Highlightes des Filmes zählen darf. Künstlerisch interessant angegangene Aufnahmen gibt es hingegen eigentlich nie zu sichten.

Das wäre mir bei einer ansonsten unterhaltsamen Inszenierung eigentlich egal, aber auch in seinem schlichten Gewandt als Unterhaltungsfilm will "The Curse of Ursula" (Alternativtitel) nicht wirklich funktionieren, zumindest bei mir nicht, sind die am meisten beachteten Zutaten des Filmes doch jene, die mich am wenigsten interessierten, wohingegen jene Elemente, die bei mehr Beachtung hätten faszinieren können, weit weniger beachtet werden. Konkret gesagt betrifft dies hauptsächlich die Gewichtung aus Killerstory und Erotikfilm. Den Sexszenen wird viel Beachtung geschenkt. Stets hält Millioni lüstern drauf, zwingt den Zuschauer regelrecht zum Voyeur zu werden bei Szenen, die, so widersprüchlich es klingen mag, auf der einen Seite den Bereich der Pornografie streifen, auf der anderen Seite aber wie gekünstelte Fummelszenen wirken, wie man sie zuhauf in Jess Franco-Werken vorfindet. Im Gegenzug dazu sind die Mordszenen schnell abgearbeitet, erfahren meist, abgesehen von ihnen vorausgehenden Sexszenen, keine atmosphärische Vorbereitung und sind oftmals bereits damit beendet, dass der unbekannte Mörder seine Opfer zu Boden oder zu Bette schlägt. Seine eigentliche Tat erlebt man meist im Ergebnis, wenn die toten Frauen aufgefunden werden, aber selbst wenn Millioni uns in der Ausnahme doch einmal an der Bluttat teilnehmen lässt, wird mit erbärmlichen Tricks eher ein Zeigen vorgegaukelt, anstatt tatsächlich etwas zu präsentieren.

Das liegt sicherlich auch an der Methode des Mörders, die auch im weit weniger verklemmten Italien grenzwertig zu nennen ist, tötet der Unbekannte die Frauen doch mit einem phallus-ähnlichen Objekt, welches wir bis zur Täteraufdeckung nur als Schatten an der Wand betrachten dürfen. Und da er dies dort tödlich anwendet, wo der Phallus ansonsten Lust bescheren soll, braucht es nicht verwundern, dass die Morde eher übersprungen werden. Andererseits sind die Aufnahmen der Toten wiederum recht zeigefreudig ausgefallen und meiden, ebenso wie in mancher Sexszene, auch nicht die Sicht auf den in den meisten Filmen umgangenen Intimbereich. Und wenn man dann noch bedenkt, das sechs Jahre vor "The Sister of Ursula" (Alternativtitel) ein Mörder in "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" nicht nur sehr ähnlich vorgehen durfte, sondern zudem noch weit grausamer, indem dort ein Messer anstatt eines Phallusobjektes tödlich in die intimen Zonen einer Frau gestochen wurde, dann darf man sich doch wiederum wundern warum "Die Todesbucht" im Vergleich zu harten Giallos recht zahm ausgefallen ist.

Die Fehlentscheidungen dessen was mehr oder weniger Beachtung gebührt findet sich jedoch auch in anderen Bereichen. So wird, freilich sehr subjektiv betrachtet, den vergleichsweise austauschbaren Figuren weit mehr Aufmerksamkeit geschenkt, als es die interessanten Charaktere betrifft. Und der Aspekt gut getarntem Heroinhandels wird für die Geschichte weit wichtiger, als es ihr gut tut. Da das Ganze jedoch oft frei von schauspielerischem Können dargeboten wird, schadet dies dem Film nicht viel weiter als seine anderen Defizite, sprich auch ohne derartige Fehlentscheidungen wäre nicht viel aus "La sorella di Ursula" (Originaltitel) herauszuholen gewesen. Der Hotelmanager wird versteift gespielt, die Hauptattraktion des Nachtclubs ist ein Witz während ihrer Auftritte und erinnert in ihrer unerotischen und ihrer, nicht nur im schlechten Playback vorbringenden, gekünstelten Art erneut an manche Augenblicke, die uns Jess Franco in etlichen seiner Werke beschert hat.

Auch der drogenabhängige Hauptverdächtige Ursulas weiß so gar nicht zu wirken und wird in einer lächerlichen Auflösung seiner Figur gar komplett unglaubwürdig. Was die Auflösung der Mörderidentität betrifft, so ist "Die Todesbucht" auch in diesem Punkt unglücklich ausgefallen, ist besagte Person doch keine wirkliche Überraschung, eben weil der plumpe psychologische Hintergrund der Taten weit vorauszusehen war, so intensiv wie man ihn in der Restgeschichte vorbereitete. Da im Restfilm ansonsten nur Sexszenen vertieft wurden, konnte man gar nicht anders, als das Vorbereiten der Auflösung zu beachten, bei solch wenigen optischen, wie inhaltlichen Schauwerten. Dass der Film aufgrund seiner ungewöhnlichen Eckpfeiler der Geschichte trotzdem ein dünnes Restinteresse entfacht, und zumindest das Spiel der Darstellerin Ursulas, trotz Überagierens, zu wirken weiß, bewahrt ihn, zumindest bei einem aufgeschlossenen und wohlwollendem Publikum, immerhin vor dem totalen Scheitern.  OFDb

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