10.02.2019

DIE FARBEN DER NACHT (1972)

"Die Farben der Nacht" zieht einen schnell in seinen Bann. Allein wie der Film anfängt ist ein faszinierendes Erlebnis. Wir blicken für einen Moment auf die friedliche Aufnahme einer Landschaft, der Titel wird ins Bild eingeblendet, und dann befinden wir uns plötzlich in einem überzeugend umgesetzten Fiebertraum mit allerhand grotesker Elemente, die nicht zusammen gehören wollen und in ihrer Art der Umsetzung einen verstörten Eindruck hinterlassen. Einzig die verzögerten Bewegungen erlangen gegenteilige Wirkung, hier wäre eine simple Zeitlupenaufnahme wirksamer gewesen, als der vielschichtig gezeigte Arm in Bewegung, aber das ist nur ein fehlender Feinschliff, der die atemberaubende Aufnahme nicht wirklich zu zerstören weiß. Optisch weiß der Film auch nach besagter Traumsequenz selbst in wesentlich simpleren Momenten weiterhin zu beeindrucken. Die Fotografie des Streifens ist in seinen einfallsreichen Perspektiven und anderweitiger Perfektion wahrlich ein Stück Kunst, und auch die sehr ruhig erzählte Geschichte, in ihrem weit weniger aufgeregten Grundton als im Traum zu Beginn, weiß lange Zeit das Niveau der Eingangssequenz zu halten.

Ein Bröckeln dieses positiven Gesamteindrucks kommt erst dann auf, wenn wir gemeinsam mit der Heldin an der Zeremonie teilnehmen. Die wirkt tatsächlich mit all ihren Klischees und billigen Gruselelementen ein wenig unfreiwillig komisch. Allerdings muss ich dazu sagen, dass ich mich allgemein mit okkulten Horrorfilmen in solchen Punkten ein wenig schwer tue. Viel zu sehr erinnern mich solche Szenen an billige Jahrmarktseffekte, und ich kann mich einfach nicht darin einfühlen, dass solch naive Momente irgendwem Grusel bescheren könnten. Somit mag die Zeremonie der Satanssekte auf andere intensiver wirken als auf mich, das würde mich für diesen Teil des Publikums freuen, immerhin kehrte nach meiner Ernüchterung die Faszination für das Erzählte zurück, schließlich wird die Geschichte mit Janes Erwachen nach dieser ungewöhnlichen Erfahrung noch rätselhafter als zuvor. Und trotz der Bestätigung, dass der Verfolger mit den absichtlich stark verfremdeten Kontaktlinsenaugen tatsächlich ein Verfolger und kein heimlicher Beschützer ist, verwirrt die vorhandene Figurenkonstellation weiterhin, weiß man doch weiterhin einfach nicht wem zu trauen ist und wem nicht.

Je weiter der Film sich dem Ende nähert, desto mehr fällt auf, dass er die starke Atmosphäre der ersten Hälfte nicht ganz auf die zweite zu übertragen weiß. Je mehr wir uns einer Auflösung nähern, desto gewöhnlicher fallen die Ereignisse aus, wenn auch mit manch überraschenden Faktoren versehen. Das ist nicht wirklich schlimm, man darf zuvor überrascht sein wie lange "Demons of the Dead" (Alternativtitel) sein Niveau aufrecht zu erhalten weiß, und dies immerhin trotz von mir kritisierter Okkult-Szene. So  kann man trotz schwächelndem Schluss definitiv mit dem Streifen sympathisieren, der zunächst den Eindruck eines Giallo macht, bevor er definitiv in ein Horrorthema abtaucht. Mit schwächeln ist ohnehin nur der direkte Vergleich zur stärkeren Phase gemeint, immerhin präsentiert uns auch die zweite Hälfte einen tollen, interessanten Film. Da darf man umso erstaunter sein, dass Martino ebenso für den völlig trashigen "Torso" verantwortlich ist, den ich beim besten Willen trotz einiger intensiver Szenen einfach nicht ernst nehmen konnte. Von den von mir bislang gesichteten Martino-Werken war dies aber auch der einzige Ausrutscher und ein höchst unterhaltsamer noch dazu. Mit Filmen wie "Fluss der Mörderkrokodile" und "Die weiße Göttin der Kannibalen" kehrte Martino zwar nicht auf das im hier besprochenen Film vorhandene Niveau zurück, lieferte aber auch im zurückgeschraubten Modus interessante Ergebnisse ab. Einzig seinen "Insel der neuen Monster" fand ich damals voll blöd, aber da befand ich mich in einem Alter, in welchem ich ohnehin keinen guten Filmgeschmack hatte. Vielleicht sollte ich diesem Streifen noch einmal eine Chance geben.  OFDb

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