Nachdem "Rocky 6" und "Creed" solch überraschend gut funktionierende Fortsetzungen einer wunderschönen Filmreihe waren (auch wenn ab "Creed" unnötiger Weise immer wieder von einem Spin-Off anstatt von einer legitimen Fortsetzung gesprochen wird), sollte man meinen, dass einen "Creed 2" diesbezüglich nicht mehr positiv überraschen müsste. Aber der Ansatz Ivan Drago in die Welt Rockys und Creeds zurückkehren zu lassen, ließ mich dann doch kritisch werden, immerhin war "Rocky 4" die Lachnummer der Reihe, Drago lediglich der böse Russe in einem unreflektiertem Film der im kalten Krieg entstand, und das schien so gar nicht in die gut funktionierende, nostalgische Welt der Dramenfilme des gealterten Rocky zu passen, die tatsächliche Aussagekraft besaßen. Doch erneut ist es den Schöpfern und dem Mitautor Sylvester Stallone gelungen dieser Kinoserie einen weiteren gelungenen Teil zu bescheren, produziert von den beiden männlichen Hauptdarstellern, und mit Dolph Lundgren und Brigitte Nielsen auch mit Original-Stars aus dem 80er-Vorgänger besetzt.
Letztgenannte schaut nur zwei mal kurz vorbei, ist aber entscheidend für die Dramaturgie des Stoffes und dem dramaturgischem Ausgang der Geschichte für die Dragos, eine gemeinsame Szene mit Stallone gibt es jedoch nicht. Lundgren hingegen wird als Trainer seines Sohnes häufig eingebracht, hat aber seine größte Szene ziemlich zu Anfang, wenn es zur ersten Begegnung zwischen seiner Rolle und Rocky kommt, die meiner Meinung nach psychologisch glaubwürdig umgesetzt wurde. Das trifft aber auch auf den kompletten Film zu, der aus Drago nicht mehr macht, als er ist, ihn aber auf überraschend gewitzte und eher versteckte Art menschlicher erscheinen lässt, als er uns in Teil 4 verkauft wurde. Wirklich erkennen kann man das eigentlich erst in Lundgrens zweitbester Szene gegen Ende, zuvor lässt man uns im Unklaren darüber ob der Russe dazu gelernt hat oder nicht. Den Hintergrund der Dragos seit damals zu erfahren ist interessant, der Sohn gut besetzt und glaubwürdig charakterisiert, der innere Konflikt Creeds so konfus, wie nachvollziehbar, so dass die Kernfrage, die Rocky im Film zwei Mal stellt, zum entscheidenden Auslöser der zwei Phasen des Streifens wird.
Ansonsten lebt "Creed II" von den Trümpfen, die bereits der direkte Vorgänger besaß. Die Geschichte Creeds bleibt ebenso interessant wie die nostalgische des gealterten Rocky. An seiner Lebenssituation änderten die Verantwortlichen des Streifens nichts mehr. Wir sehen das, was wir bereits zuvor sahen, und das schaut sich deswegen keineswegs unnötig oder unkreativ, sondern beschert der fiktiven "Rocky"-Biographie erneut die bisherige Konsequenz und Glaubwürdigkeit. Zudem arbeitet "Creed 2 - Rocky's Legacy" an der Eigenständigkeit des Adonis Creed-Charakters, indem er ihm und Rocky ein jeweils eigenständiges Leben beschert, so dass eine erneute Fortsetzung ohne den bisherigen Trainer und das Zugpferd der ersten sechs Teile stattfinden könnte. Dass sich dies keiner tatsächlich trauen wird, ist klar, aber vielleicht ist die Rolle Stallones in einer kommenden Fortsetzung zumindest kleiner geraten. Zwar würde ich ihn mir erneut gern ebenso positioniert wie bisher auch in "Creed 3" zurückwünschen, aber das sind eigentlich Gefühle, die wenig Sinn ergeben und die Reihe in eine Sackgasse drängen könnten. Schließlich ist die Creed-Figur mitsamt der Familie interessant genug und reichhaltig charakterisiert, sowohl im beruflichen, wie auch im privaten Bereich sind Möglichkeiten zur Weiterentwicklung und Vertiefung möglich, so dass man das Klammern an die Figur Rocky nicht mehr nötig hätte und eine unabhängige Fortsetzung angehen könnte. Genau aus diesem Grund ist es gut, dass man im zweiten Teil noch ein letztes Mal die Chance nutzte, Drago zurückkehren zu lassen, um die Peinlichkeit des vierten Teils zumindest ein wenig reinwaschen zu können. Dass das lediglich für "Creed 2" gilt, ohne dass sich dadurch "Rocky 4" vernünftiger schaut, dürfte jedoch von Anfang an klar sein. OFDb
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