28.05.2019

ROCKY 4 (1985)

Die "Rocky"-Reihe gehört mit zu den besten Filmserien, welche die große Leinwand je hervorgebracht hat. Immer irgendwo schwankend zwischen Kinotraum und Authentizität schien sie wie ein Abbild ihres Helden und Autors Sylvester Stallone. Jeder Teil ist ein Zeichen seiner Zeit, mal mehr von der Realität entrückt, mal weniger und stets mit dem Herz am rechten Fleck erzählt. Inmitten dieser Liebhaberstücke, die selbst bei schwächerem Ergebnis noch gut zu unterhalten wissen, stellt "Rocky 4 - Der Kampf des Jahrhunderts" (Alternativtitel) eine Ausnahmeposition da. Er ist der Teil, den man nie so richtig ernst nehmen kann, so comichaft böse, wie er die Russen ausschauen lässt, entstanden kurz vor Schluss des kalten Krieges und alle Vorurteile beinhaltend, die diesen am Leben ließen. Es ist als hätte Stallone gewollt, dass seine beiden größten, in Serie gegangenen, Rollen eins werden. Rocky wird Rambo. Auch der begann seine Kinokarriere im Bereich des dramatischen Films, bevor er zur Kriegsikone verkam. Nun soll Rocky den selben Weg beschreiten, sanftmütig old School der gute Kerl sein wie immer, für den guten Zweck kämpfend, aber doch diesmal eine ernstere Sache angehend. Politik im Ring, Krieg im Ring, mehr Action weniger Drama soll diesmal die Devise sein. Und dank seinem Mangel an Reflexion ist daraus ein gutes Stück Trash geworden, flott und unterhaltsam inszeniert, aber wie erwähnt: man kann das Ergebnis einfach nicht ernst nehmen.

Wo andernorts ein Soundtrack unterschwellig eingebracht wird, da gehört er in dieser dritten Fortsetzung zum offen dargebotenen Herzstück des Streifens, was Stallone keinesfalls versucht zu verheimlichen. Oftmals schaut sich das nicht einzig auf seine unfreiwillige Komik zu reduzierende Stück Fun-Film wie ein Musikvideo. Ein Lied untermalt z.B. komplett einen unkommentierten Rückblick auf alles was einst war, inklusive des eigenen ersten Filmdrittels, ein weiteres macht aus dem gnadenlosen Training in der Sowjetunion eine Musikshow der Demut des Amerikaners, während parallel dazu die technologische Chemiewelt Russlands den gottlosen Über-Sportler beim Training produziert. In seiner Schwarz/Weiß-Zeichnung kommt "Rocky IV" so respektlos und plump wie "Karate Kid 3" und "Phantom Kommando" daher, alles Filme, den hier besprochenen inbegriffen, die ich sehr mag, da sie ein hohes Maß an Unterhaltungswert mitbringen, in ihrer ignoranten Art jedoch Hohlbrot-Kino vom Feinsten sind. Amerikaner, die einen Russen ausbuhen, sind legitim, Russen, die einen Amerikaner ausbuhen, sind feindselig. Dieses Muster unreflektierter Schuldzuweisung kleidet den kompletten Film. Selten inszenierte sich Stallone plumper als das Spiegelbild des heldenhaften Amerikaners, zumindest in seiner Reihe um den Boxchampion. Gerne verzeiht man dem Film seine Ungerechtigkeit, so viel Spaß wie der Streifen einem bereitet, der ohne diese Zutat, die eigentlich Fremdschämen verursachen müsste, nicht das Stück Film wäre, für die man es in seiner Lächerlichkeit liebt.

Schlecht inszeniert ist er nicht, das ist das interessante an diesem Stück Ausnahme seiner eigenen Reihe. Gut besetzt wie immer weiß er Ausnahmemimen wie Brigitte Nielsen und Dolph Lundgren, die weniger gut schauspielern können, richtig einzusetzen. Tolle Aufnahmen im Schnee eines nicht zu kurz kommenden Trainings, ein flotter Soundtrack mit ebensolchem Inszenierungsstil, eine Vorgeschichte, die sich Zeit nimmt und letztmals Apollo Creed feiert, ein ausführlicher Hauptkampf der einen Mitfiebern lässt und eine herrlich naive Rede, die zum gemeinsamen Frieden aufruft, das alles bereichert einen Film, der in seinem Anliegen so ungelenk daher kommt wie der steife Ivan Drago im Ring. Und während der Film mittels eines klare Worte findenden Kommentars kein Geheimnis daraus macht, dass im Ring eigentlich ein stilloser Kampf der Köter stattfindet, anstatt das sportliche Ballett zweier Profiboxer, so macht Stallone mit der direkten Art, mit welcher "Rocky 4" erzählt ist, kein Geheimnis aus seinem schlichten Anliegen. Ob das Absicht ist oder nicht, immerhin offenbart der Film arg viele Vorurteile Stallones, sei einmal dahin gestellt. Aber der verkrampfte Versuch aus unreflektierter Ami-Sicht den kalten Krieg zu überwinden, ist geradezu putzig zu nennen und gleichzeitig eiskalt inszeniert und packend erzählt.

Wie oben erwähnt empfinde ich trotz all dieser locker-strengen Worte meinerseits "Rocky 4" nicht als reine Lachnummer. Immerhin hält er auch manch gute Idee bereit. Den Show-Kampf des ersten Drittels als humorvolle Nummer zu inszenieren, bevor er bitterböse und hoch dramatisch endet, ist eine psychologisch fiese Nummer von Autor und Regisseur Sylvester Stallone. Die bereits erwähnte Schneekulisse, welche die Sowjetunion darstellen soll, und die Gegenüberstellung beider Trainingsmethoden, eine durch Chemie gemogelt, die andere durch pure Willenskraft und Ausdauertraining gestählt, weiß zu gefallen. Nicht zu dieser Aufzählung gehört die selten dämliche Idee, einen Roboter ins Geschehen einzubauen, der eher zur Serie "Die Jetsons" passt, als zu einer Filmreihe Marke "Rocky", die zumindest versucht authentisch zu sein. Das metallene, künstlich-intelligente Geschenk für Pauly repräsentiert andererseits dieses Comicflair, welches "Rocky 4" umweht und zu solch einem großen Spaß macht. Seiner Zeit garantiert nicht gewollt, ist er im Laufe der Jahre immer mehr zum lebenden, geistlosen Comic-Happening Gut gegen Böse geworden, zu jenem Stück Unterhaltungskino, das nur Engstirnige über die vorhandene Ignoranz klagen lässt, ohne Spaß am rasanten und packenden Ergebnis zu haben. "Rocky 4" sollte man nicht so ernst nehmen, wie es Stallone einst tat. Nach dem kalten Krieg wurde der Film endgültig das, was er für viele Leute schon zur Entstehungszeit war: ein geistloses Kräftemessen zweier ignoranter Fronten, interessant besetzt und gut inszeniert dargeboten, und weit von einer ernstzunehmenden Politbotschaft oder vom ernstzunehmenden Boxsport entfernt. Als derber Spaßcomic weiß er in seiner Übertreibung jedoch bestens zu funktionieren - erstaunlicher Weise häufig auch in seiner Dramaturgie, dem eigentlichen Pluspunkt der restlichen "Rocky"-Reihe.  OFDb

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